
Die Zahlen rot, das Eigenkapital weg, die Zeit drängt. Deutschlands zweitgrößte Fluglinie, Air Berlin, schreibt enorme Verluste. 315,5 Millionen Euro waren es allein 2013. Jetzt kündigt das Unternehmen einen großen Umbau an. Die Chance darauf gibt es dank Großaktionär Etihad Airways. Die arabische Staatsairline schießt Kapital zu, Air Berlin selbst will ebenfalls auf Investorenjagd gehen.
Dabei muss alles ganz schnell gehen: Die Termine für die Investorensuche in London, Genf und Zürich sind fix - Einladungen zur Roadshow, welche WirtschaftsWoche Online vorliegen, wurden bereits an Investoren verschickt. Schon am heutigen Montag wollen Air Berlin und Etihad gemeinsam potenzielle Investoren bei einer Weinprobe im 5-Sterne-Hotel "La Réserve" am Genfer See von sich überzeugen. Schon am Dienstag geht es für die Finanzchefs beider Unternehmen mit einem Investorenfrühstück in Zürich weiter, abends steht ein Dinner in London auf dem Programm, auch dort sollen neue Investoren gewonnen werden. Bei den beteiligten Banken trägt die neue Finanzierungsrunde den vielsagenden Namen "Projekt Bravo".
Kurzes Durchatmen also: Die dicke Finanzspritze der Araber mildert die ärgste Geldnot, aber die Sorgen bleiben. Denn neue Investitionen und Innovationen sind trotz frischem Kapital nicht zu erwarten.
Laut Schätzungen drücken Air Berlin Schulden in Höhe von gut 800 Millionen Euro - allein die Zinsen fressen fast 70 Millionen Euro auf. In den vergangenen sechs Jahren schloss Air Berlin fünfmal mit einem negativen Ergebnis ab. Schon 2012 war das Eigenkapital mehrfach weg. Nur der Verkauf des Vielfliegerprogramms an - Überraschung - Etihad, führte immerhin zu einem leichten Plus von rund sieben Millionen Euro. Kurz: Die Air-Berlin-Führung steht mit dem Rücken zur Wand.
Auf Sparkurs
Mit dem Sparprogramm „Turbine“ versucht die Fluglinie aus eigener Kraft wieder auf Kurs zu kommen. Unter anderem werden 900 Jobs - und damit fast jeder zehnte Arbeitsplatz - gestrichen. Die Flieger-Flotte wurde zuletzt um 15 Maschinen auf 140 Maschinen reduziert. Immerhin: Turbine habe das Ergebnis im vergangenen Jahr um 200 Millionen Euro aufgebessert, sagt Air-Berlin-Boss Wolfgang Prock-Schauer. Mindestens weitere 200 Millionen Euro werden in diesem Jahr angestrebt. Zugleich kündigte er ein Ende des Schrumpfkurses an.
Denn Sparmaßnahmen allein können Air Berlin nicht retten, die bisherige Strategie geht einfach nicht auf. Im Schwerpunkt ist die Fluggesellschaft in drei Geschäftsfeldern vertreten: Städteflüge, Flüge für Reiseveranstalter ans Mittelmeer und Langstrecke mit Schwerpunkt Badeziele. Dieser Mix ist nicht per se schlecht, aber: Weil Air Berlin in den vergangenen Jahren in allen Bereichen mitmischen wollte, ist sie nirgends besonders stark auf gestellt - und damit zu klein, um wirtschaftlich zu sein. Zu viele Strecken sind unprofitabel.
"Keine Tabus"
Das sich dringend etwas ändern muss, weiß man auch in der Chefetage: Prock-Schauer kündigte eine “fundamentale Neustrukturierung” an. „Hier wird es keine Tabus geben, alles kommt auf den Prüfstand“, sagte er. Noch im Mai werde ein eigenes Vorstandsressort für die Restrukturierung geschaffen und Unternehmensberater an Bord geholt.
Konkreter wurden die Ankündigungen nicht, doch laut Insidern wird über die grundsätzliche Änderung der Stoßrichtung schon länger diskutiert - auch vor dem Hintergrund einer engeren Anbindung an Etihad.