




Im Zuge ihres Konzernumbaus reformiert die Lufthansa auch Ausbildung und Training ihrer Piloten. Dabei ist durchaus offen, ob die traditionsreiche Verkehrsfliegerschule in Bremen tatsächlich viel älter wird als 60 Jahre - ein Jubiläum, das im kommenden Jahr ansteht. Mitten im heftigen Tarifstreit sollen die Ausbildungskapazitäten im Konzern zusammengefasst und auf die von der Pilotengewerkschaft heftig bekämpften neuen Arbeitswelten ausgerichtet werden.
Wurde bei der Kerngesellschaft Lufthansa bislang eine zuvor mit strengen Tests handverlesene Elite auf ihre Jobs vorbereitet, sollen künftig möglichst kostengünstig Piloten für vielfältige Einsatzmöglichkeiten ausgebildet werden. Der Nachwuchs wird in den zahlreichen Fluggesellschaften des größten Luftverkehrskonzerns Europas gebraucht, ob sie nun Swiss, AUA, Eurowings oder Aerologic heißen. Nur bei der Lufthansa-Mutter bleiben derzeit die Türen zu, weil sich Unternehmen und die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit nicht über Kostenreduzierungen im Konzerntarifvertrag einigen können.
Top 10 Fluglinien nach der Anzahl der Passagiere weltweit
Air China
Anzahl der Passagiere im Jahr 2014: 54,58 Millionen
Quelle: IATA / STATISTA
Lufthansa
Anzahl der Passagiere im Jahr 2014: 59,85 Millionen
Easyjet
Anzahl der Passagiere im Jahr 2014: 62,31 Millionen
China Eastern Airlines
Anzahl der Passagiere im Jahr 2014: 66,17 Millionen
Ryanair
Anzahl der Passagiere im Jahr 2013: 86,37 Millionen
American Airlines
Anzahl der Passagiere im Jahr 2014: 87,83 Millionen
United Airlines
Anzahl der Passagiere im Jahr 2014: 90,44 Millionen
China Southern Airlines
Anzahl der Passagiere im Jahr 2014: 100,68 Millionen
Southwest Airlines
Anzahl der Passagiere im Jahr 2014: 129,09 Millionen
Delta Air Lines
Anzahl der Passagiere im Jahr 2014: 129,43 Millionen
Der Vorstand um Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat eine Arbeitsgruppe beauftragt, bis zum Herbst ein Konzept vorzulegen. Klar ist nach einem internen Papier, dass die Flugschulen der Swiss und Lufthansa zusammengefasst werden und kommerziell über den eigenen Bedarf hinaus ausbilden sollen. Man werde sicher nicht alles Vorhandene abreißen, ist aus Konzernkreisen zu hören, denn schließlich müssen die Trainings-Simulatoren weiterhin dort stehen, wo viele Piloten zusammenkommen - etwa an den Drehkreuzen wie München, Frankfurt oder Wien. Auch die vorhandene Infrastruktur der Flugschule in Bremen ist ein Argument, das die Arbeitsgruppe berücksichtigen muss.
Lufthansa selbst warnt Berufsinteressenten, dass sich die Ausbildung wie vieles andere im Konzern im Umbruch befinde. Die Darstellungen zum „Traumjob Pilotin/Pilot“ zeigten nur die „alte Welt“, heißt es auf der offiziellen Website. Die Ausbildung in Bremen und Phoenix (Arizona) wird dort von ehemaligen Teilnehmern in leuchtenden Farben geschildert: „Man geht als Team gemeinsam durch die Höhen und Tiefen der Ausbildung“, schreibt etwa die Flugschülerin Julia Wittke.
Die Vereinigung Cockpit verfolgt die Reformpläne kritisch. In Sicherheitsfragen dürften keinerlei Abstriche gemacht werden, verlangt Sprecher Markus Wahl. „Man wendet sich von einem bewährten System ab und will eines gründen, das allein auf betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten basiert.“ Die VC befürchtet einen heftigen Konkurrenzkampf der Flugschüler untereinander, weil erst nach erfolgreicher Prüfung Entscheidungen über eine Anstellung fielen. „Piloten müssen Teamplayer sein. Ellenbogen und Konkurrenzdenken sind da weniger gefragt“, sagt Wahl.
Bis vor wenigen Jahren stellte sich die Situation für angehende Flugschüler tatsächlich noch ganz anders dar. Wer zu den Glücklichen gehörte, die den strengen DLR-Test vor Ausbildungsbeginn überstanden, konnte fast sicher sein, in absehbarer Zeit in einem Lufthansa-Cockpit zu sitzen. Gepolstert mit allen Wohltaten des Konzerntarifvertrags (KTV) mit Grundgehältern in der Endstufe von bis zu 250 000 Euro pro Jahr, Vorruhestand und üppigen Betriebsrenten.
Die sechs größten Baustellen der Lufthansa
13 Mal haben die Piloten der Lufthansa in den vergangenen gut eineinhalb Jahren gestreikt. Die Vereinigung Cockpit sorgt sich, dass die Piloten unter anderem Abstriche Altersvorsorge hinnehmen müssen - und trotzdem immer mehr Jobs aus dem Tarifvertrag ausgelagert werden. Sie liefern dem Konzern deshalb den härteste Arbeitskampf in seiner Geschichte. Das ist nicht der einzige Knatsch mit dem Personal: Die Flugbegleiter von Ufo sind etwas moderater unterwegs, wollen aber auch ihre tariflichen Besitzstände verteidigen.
Carsten Spohr hat die Lufthansa auf eine Strategie mit zwei sehr unterschiedlichen Plattformen festgelegt, die jetzt gerade erst anlaufen. Die Kernmarke Lufthansa soll bei gleichzeitiger Kostensenkung zur ersten Fünf-Sterne-Airline des Westens aufgewertet werden - eine Luxus-Auszeichnung des Fachmagazins Skytrax, die bislang nur Airlines aus Asien und dem Mittleren Osten erreicht haben. Am anderen Ende der Skala steht künftig „Eurowings“, die nur noch als Plattform für die diversen und möglichst kostengünstigen Flugbetriebe des Lufthansa-Konzerns dienen soll. Die ersten Eurowings-Langstrecken ab Köln werden beispielsweise von der deutsch-türkischen Gesellschaft Sunexpress geflogen. Noch komplizierter wird das Angebot durch die Strategie, auf beiden Plattformen jeweils unterschiedliche Service-Pakete anzubieten.
So richtig gut läuft es für die Lufthansa mit ihrem schwierigen Heimatmarkt Zentraleuropa eigentlich nur in den Neben-Geschäftsbereichen Technik und Verpflegung. In ihrem Kerngeschäft der Passagier- und Frachtbeförderung fliegt die Lufthansa unter dem Strich Verluste ein. Spohrs Plan, Wachstum nur noch in kostengünstigen Segmenten stattfinden zu lassen, bedeutet eigentlich einen Schrumpfkurs für die Kerngesellschaft der Lufthansa Passage. Doch den Mitarbeitern wird Wachstum auch dort versprochen.
Sinkende Ticketpreise sind gut für die Passagiere, knabbern andererseits aber an den schmalen Margen der Fluggesellschaften. Bereits im vergangenen Jahr sind die Erlöse auf breiter Front um drei Prozent zurückgegangen. Der zuletzt stark gesunkene Kerosinpreis begünstigt derzeit Gesellschaften, die sich nicht gegen starke Preisschwankungen abgesichert haben. Lufthansa gehört nicht dazu, sondern hat einen Großteil ihres Spritbedarfs für die kommenden zwei Jahre bereits abgesichert und leidet zudem an der ungünstigen Währungsrelation zwischen Euro und Dollar. Um ihre Tickets zu verkaufen, muss sie aber die Kampfpreise der Konkurrenz halten.
In regelmäßigen Abständen verlangt Lufthansa politischen Schutz vor dem angeblich unfairen Wettbewerb durch Fluggesellschaften vom Arabischen Golf. Zuletzt stimmten auch die großen US-Gesellschaften in den Chor ein. Aber es bleibt dabei: Emirates, Qatar Airways und Etihad lenken mit immer größeren Flugzeugen tausende Fluggäste aus Europa über ihre Wüstendrehkreuze und haben bereits weite Teile des Verkehrs nach Südostasien und Ozeanien fest im Griff. Um streitbare Gewerkschaften, hohe Gebühren und Sozialabgaben oder Nachtflugverbote an ihren Heimatbasen müssen sich die Araber keine Gedanken machen. Zudem ändern die europäischen Billigflieger ihr Geschäftsmodell und werden für Geschäftsleute immer attraktiver. So folgt Ryanair dem Vorbild von Easyjet und verlässt die Provinz-Flughäfen. Am Eurowings-Drehkreuz Köln-Bonn treten die Iren demnächst sogar wieder mit Inlandsflügen nach Berlin an.
Auf Hilfe aus Berlin oder Brüssel hat die Lufthansa in den vergangenen Jahren meist vergeblich gewartet. Die nationale Luftverkehrssteuer verteuert Tickets für Flugreisen von deutschen Flughäfen. Sie bietet zudem der europäischen Konkurrenz Anreize, Umsteiger auf die eigenen Drehkreuze zu locken. Grenznah lebende Passagiere können gleich ganz auf ausländische Flughäfen und Airlines ausweichen. Den häufig angemahnten nationalen Luftverkehrsplan gibt es auch immer noch nicht. Dafür unsinnige Subventionen für Regionalflughäfen, die bislang das Geschäftsmodell der Billigflieger gestützt haben.
In diesen KTV will Lufthansa allerdings schon seit 2014 keinen einzigen Piloten mehr einstellen, hat Spohr unmissverständlich klargemacht. Da trotzdem in Bremen munter weiter ausgebildet wurde, gibt es nun rund 850 fast fertig ausgebildete Jungpiloten, die sich um die Perspektiven gebracht sehen, zu denen sie eingestellt wurden.
Die meisten sitzen auf einem Schuldenberg von mindestens 70 000 Euro - ihrem Eigenanteil an den rund dreimal so hohen Ausbildungskosten. Wegen einiger noch fehlender Qualifikationen können sie zudem nicht ohne weiteres bei einer anderen Gesellschaft anfangen.
Nicht wenige haben für die Ausbildung ein Studium abgebrochen oder einen bereits erlernten Beruf aufgegeben. „Jetzt bin ich ein Abiturient mit Führerschein und hohen Schulden“, klagt ein 30 Jahre alter Betroffener. „Ich bin völlig davon abhängig, was mir von dem Laden angeboten wird.“
In etwa dieses: Für das kommende Jahr sucht der Konzern für die neue Gesellschaft Eurowings Europe 120 Piloten und Co-Piloten, interne Bewerbungen würden bevorzugt. Einen Tarifvertrag gibt es bei dem in Österreich angesiedelten Unternehmen nicht, dafür deutlich niedrigere Gehälter und mehr Arbeitstage. Mehr als hundert der eigenen Flugschüler hätten sich beworben, sagt Lufthansa. Die VC geht von niedrigeren Zahlen aus. Doch der Traum vom Fliegen ist stark.