Lufthansa Cargo "Hellseher oder Scharlatan"

Lufthansa-Cargo-Chef Peter Gerber hat das Sorgenkind der Fluggesellschaft aus den roten Zahlen geholt, vermisst neue Modelle bei Frachtflugzeugen und sieht trotz Trump keine Anzeichen für Protektionismus.

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Herr Gerber, die Lufthansa bemalt gerade ihre Flugzeuge mit einem neuen Logo, bei dem der Kranich nun weiß statt gelb ist. Sind Ihre Frachter auch schon in der Lackiererei?
Nein, noch nicht. Unsere Flugzeuge bekommen zwar auch das schicke, neue Logo. Das wird allerdings unaufgeregt und kostenbewusst geschehen, so wie das bei Lufthansa Cargo immer ist. Das heißt, wir kriegen den weißen Kranich erst dann, wenn ohnehin eine neue Bemalung ansteht. 

Und wieso musste das Gelb weg? Schließlich ist es das Markenzeichen der Lufthansa.
Zunächst mal: Das Gelb verschwindet bei Lufthansa ja nicht. Es spielt nach wie eine wichtige Rolle im Alltag bei Lufthansa. Nur ist es eben nicht mehr auf dem Leitwerk. Dazu haben wir unsere Marke zuletzt 1989 angepasst. Wir sind die letzte große Airline der Welt, deren Logo sich so lange nicht verändert hat. Es gibt immer Leuten, denen es nicht gefällt, wenn man eine so starke Marke verändert. Aber es gibt auch Leute, denen es sehr gut gefällt und ich darf sagen: Ich bin ein Fan des Facelifts, ich oute mich hier (lacht).

Neben dem neuen Logo hat die Lufthansa zuletzt auch mit guten Zahlen für Schlagzeilen gesorgt. 2017 war laut Ihres Chefs Carsten Spohr das erfolgreichste Jahr aller Zeiten. Gilt das auch für Lufthansa Cargo, die ja bisher als Sorgenkind gilt?
Wir haben ein fulminantes Ergebnis für 2017. Es war eines der  erfolgreichsten Jahre in der Geschichte der Lufthansa Cargo, so viel kann ich sagen. Genaue Zahlen werden Mitte März auf der Bilanzpressekonferenz des Konzerns veröffentlicht. 

Wie kam es denn dazu? Im vergangenen Jahr haben Sie noch Verluste geschrieben.
Wir haben in sehr kurzer Zeit das womöglich tiefste Restrukturierungsprogramm unserer Geschichte umgesetzt. Dazu gehörte zum einen ganz klassisch den Gürtel enger zu schnallen. Wir haben aber auch eine komplette Hierarchieebene  im Vertrieb abgebaut, um Entscheidungskompetenz an die Front zum Kunden zu geben. Wir waren nicht sicher, ob die Kunden das annehmen. Aber nach einem Jahr wissen wir: Es hat sehr gut geklappt. Wir wollten die für das Programm relevanten Kosten innerhalb von zwei Jahren um etwa 20 Prozent  verringern. Das in Deutschland hinzukriegen, ist nicht einfach. Aber es ist uns gelungen, einfach deshalb, weil alle Leute mitgezogen haben. Und dann hat uns neben der Kostensenkung auch das Glück geholfen, weil der Markt sich 2017 stark erholt hat. 

Sie haben 800 von gut 4500 Stellen abgebaut. Wieso war da die Belegschaft begeistert?
Wen es trifft, der ist natürlich nicht begeistert. Aber unser Ziel war, diesen Stellenabbau sozialverträglich zu gestalten. Und ich denke, es war entscheidend, dass alle schnell den Erfolg sehen konnten. Die Mitarbeiter merken, dass der Plan erfolgreich war und dass wir jetzt wieder investieren. Wir investieren in neue Produkte und haben auch vor, in neue Flugzeuge zu investieren. Wenn das Jahr 2017 von den Ergebnissen genauso niederschmetternd  geworden wäre, hätten wir wohl eine andere Resonanz gehabt. 

Kranich wieder Spitze: Die weltgrößten Frachtfluglinien

Sie wollten 80 Millionen Euro einzusparen. Wie weit sind Sie damit gekommen?
Wir sind bei rund 72 Millionen Euro, das ist der letzte Stand. Wir wollen das Programm im Jahr 2018 abschließen und dann auch beenden. 

Zum Sparprogramm gehörte auch, den Bau eines neuen Frachtzentrums zu streichen. Rächt es sich nicht in zwei Jahren, solche Investitionsentscheidungen immer wieder zu verschieben?
Nein. Denn wir haben inzwischen beschlossen, in das Frachtzentrum zu investieren. Doch wir tun das auf eine andere Weise. Das alte Projekt war ein vollkommener Neubau neben dem heutigen Frachtzentrum. Das war ein Milliardenprojekt. Stattdessen werden wir jetzt innerhalb des bestehenden Frachtzentrums die entscheidenden Teile erneuen, zum Beispiel das Hochregallager, das momentan ja fast als Museumsstück durchgehen könnte. Und dann werden wir Schritt für Schritt weitergehen. Damit bekommen wir für deutlich weniger Geld einen ähnlich großen Effizienzgewinn. In unserer sehr volatilen Landschaft können wir einen Teil des Projektes umsetzen und dann auch mal wieder stehen bleiben, wenn es nötig ist.

Das klingt sehr vorsichtig. Fürchten Sie schon wieder den nächsten Abschwung?
Nein. Die hohen Frachtraten, die wir im November und Dezember hatten, werden sich wohl vorerst nicht wiederholen. Wenn ich auf die nächsten drei Monate schaue, würde ich sagen, das Geschäft läuft gut. Aber danach kann sich das natürlich wieder verändern. Im Luftfrachtgeschäft mehr als drei bis vier Monate Marktwicklung seriös zu prognostizieren, ist nicht möglich. Wer behauptet, er könne das, ist entweder Hellseher oder ein Scharlatan. Deshalb werden wir auf der Kostenbremse bleiben und weiter für Effizienz und Innovationen sorgen.

"Die Chinesen wollen in Europa sehr große Freiheiten"

Wie groß ist ihre Angst, dass andere Airline wieder einen Preiskampf entfachen?
Das kann jederzeit passieren, ehrlich gesagt. Wenn unsere Wettbewerber größere Geschäftschancen sehen, erhöhen sie die Kapazität. Deshalb ist es wichtig, dass wir aus Deutschland und Europa ein Signal setzen für fairen Wettbewerb und entsprechende Rahmenbedingungen. 

Was schwebt Ihnen da vor?
Es hat ganz gut funktioniert, dass wir den stark subventionierten Airlines keine weiteren Landerechte in Europa einräumen. Ich hoffe, dass wir bei dieser Linie bleiben. Wobei es schön wäre, wenn auch im Luftverkehr endlich die Regeln der Welthandelsorganisation WTO gelten. Dann könnten wir vor Schiedsgerichte gehen, wenn es nachgewiesene Subventionen gibt. 

Welche staatlich subventionierten Airlines ärgern sie denn besonders?
Hier sind Player vom Golf und aus Russland zu nennen. Andererseits beobachten wir ab einer bestimmten Größe, dass Airlines auch deutlich rationaler handeln und Verluste vermeiden, indem sie ihre Preise an Angebot und Nachfrage anpassen.

Vor chinesischen Fluglinien haben Sie keine Angst? Die haben teilweise zweistellige Wachstumsraten.
Die Chinesen. Sie wollen hier in Europa sehr große Freiheiten, die sie uns bei sich zuhause dann aber auch anbieten müssen. Andererseits hat  China einen riesengroßen Heimatmarkt zu bieten. Wenn also China für seine Linien mehr Landerechte in Europa haben will, muss sie diese den Mitbewerbern auch entsprechend anbieten. Das wäre für uns eine Verbesserung.

Mit dem Amtsantritt des amerikanischen Präsidenten Trump wächst bei vielen die Angst vor Protektionismus. Auch bei Ihnen?
Protektionismus ist immer eine Gefahr. Doch derzeit sieht es eher nach dem Gegenteil aus. Wir haben in 2017 die größte Zahl von Liberalisierungsschritten seit 2008 im Welthandel gesehen. Darum bin ich derzeit optimistisch.

Sie bekommen bald ein halbes Dutzend neue Flugzeuge. Reicht Ihnen das oder wollen Sie die Bestellung aufstocken?
Nein, im Moment gibt es noch keine konkreten Bestellungen. Aber wir sind im Gespräch. 

Reden Sie mit den Herstellern auch darüber, dass die ihre neuen Leichtbauflieger wie den Boeing 787 Dreamliner oder den Airbus A350 als Frachtversion auf den Markt bringen würden?
Ja. Aber noch ohne Ergebnis. Wir wissen nicht, was Airbus vorhat. Im Moment gibt es für uns kein Angebot, denn der A330 ist Frachter eigentlich zu klein. Also gibt es eigentlich in dem Segment nur noch Boeing mit der 747 und der 777. Ich gehe davon aus, dass Boeing von der neuen 777X vielleicht auch mal eine Frachtversion auf den Markt bringt. Aber davon sind wir noch mindestens fünf bis sechs Jahre entfernt.

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Sie vermarkten jetzt auch die Frachtkapazitäten Ihrer Konzernschwester Eurowings. Wie passt das zusammen? Normalerweise meiden Billigflieger das Frachtgeschäft.
Richtig, weil die Low-Cost-Linien im Kont-Bereich normalerweise nur sehr kurz am Boden sind und da die Prozesse nicht immer zusammenpassen. Aber wir sprechen hier von der Langstrecke.

Lohnen sich die Ziele, die Eurowings ansteuert, denn für das Frachtgeschäft überhaupt?
Natürlich sind die Langstrecken-Ziele von Eurowings keine klassischen Frachtdestinationen wie China oder die USA. Auf Kuba, auf Jamaika, da braucht man nicht viel Luftfracht. Das ist eine Herausforderung, die Bellys – also die Bäuche der Passagiermaschinen – zu füllen. Aber wir erschließen dadurch neue Märkte und Kundengruppen. Und kubanische Zigarren sind auch ok, darf ich Ihnen sagen.

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