Die Lufthansa verhandelt Konzerninsidern zufolge mit den Fluglinien Brussels Airlines und der skandinavischen SAS über ein stärkeres Engagement. Die Gespräche mit den beiden Fluglinien liefen parallel, sagten zwei mit den Planungen der Lufthansa vertraute Personen am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Weiter fortgeschritten seien die Verhandlungen mit Brussels Airlines, an der die Lufthansa bereits 45 Prozent hält. "Es ist so gut wie sicher, dass die Sache dem Aufsichtsrat auf der nächsten Sitzung vorgelegt wird", sagte einer der Konzernkenner. Diese finde am 27. April statt. Der Preis für die restlichen 55 Prozent der Anteile an der Airline, die bei belgischen Investoren liegen, war beim Einstieg der Deutschen vor acht Jahren festgelegt worden und beträgt bis zu 140 Millionen Euro.
Brussels Airlines flog mit knapp 50 Maschinen voriges Jahr einen Gewinn von 41 Millionen Euro ein. Die Fluglinie ist für die Lufthansa interessant wegen der vielen Europa-Beamten und Lobbyisten in Brüssel, die viel Geld für Flugtickets ausgeben. Ein Lufthansa-Sprecher sagte, dass noch keine Entscheidung getroffen worden sei.
Die sechs größten Baustellen der Lufthansa
13 Mal haben die Piloten der Lufthansa in den vergangenen gut eineinhalb Jahren gestreikt. Die Vereinigung Cockpit sorgt sich, dass die Piloten unter anderem Abstriche Altersvorsorge hinnehmen müssen - und trotzdem immer mehr Jobs aus dem Tarifvertrag ausgelagert werden. Sie liefern dem Konzern deshalb den härteste Arbeitskampf in seiner Geschichte. Das ist nicht der einzige Knatsch mit dem Personal: Die Flugbegleiter von Ufo sind etwas moderater unterwegs, wollen aber auch ihre tariflichen Besitzstände verteidigen.
Carsten Spohr hat die Lufthansa auf eine Strategie mit zwei sehr unterschiedlichen Plattformen festgelegt, die jetzt gerade erst anlaufen. Die Kernmarke Lufthansa soll bei gleichzeitiger Kostensenkung zur ersten Fünf-Sterne-Airline des Westens aufgewertet werden - eine Luxus-Auszeichnung des Fachmagazins Skytrax, die bislang nur Airlines aus Asien und dem Mittleren Osten erreicht haben. Am anderen Ende der Skala steht künftig „Eurowings“, die nur noch als Plattform für die diversen und möglichst kostengünstigen Flugbetriebe des Lufthansa-Konzerns dienen soll. Die ersten Eurowings-Langstrecken ab Köln werden beispielsweise von der deutsch-türkischen Gesellschaft Sunexpress geflogen. Noch komplizierter wird das Angebot durch die Strategie, auf beiden Plattformen jeweils unterschiedliche Service-Pakete anzubieten.
So richtig gut läuft es für die Lufthansa mit ihrem schwierigen Heimatmarkt Zentraleuropa eigentlich nur in den Neben-Geschäftsbereichen Technik und Verpflegung. In ihrem Kerngeschäft der Passagier- und Frachtbeförderung fliegt die Lufthansa unter dem Strich Verluste ein. Spohrs Plan, Wachstum nur noch in kostengünstigen Segmenten stattfinden zu lassen, bedeutet eigentlich einen Schrumpfkurs für die Kerngesellschaft der Lufthansa Passage. Doch den Mitarbeitern wird Wachstum auch dort versprochen.
Sinkende Ticketpreise sind gut für die Passagiere, knabbern andererseits aber an den schmalen Margen der Fluggesellschaften. Bereits im vergangenen Jahr sind die Erlöse auf breiter Front um drei Prozent zurückgegangen. Der zuletzt stark gesunkene Kerosinpreis begünstigt derzeit Gesellschaften, die sich nicht gegen starke Preisschwankungen abgesichert haben. Lufthansa gehört nicht dazu, sondern hat einen Großteil ihres Spritbedarfs für die kommenden zwei Jahre bereits abgesichert und leidet zudem an der ungünstigen Währungsrelation zwischen Euro und Dollar. Um ihre Tickets zu verkaufen, muss sie aber die Kampfpreise der Konkurrenz halten.
In regelmäßigen Abständen verlangt Lufthansa politischen Schutz vor dem angeblich unfairen Wettbewerb durch Fluggesellschaften vom Arabischen Golf. Zuletzt stimmten auch die großen US-Gesellschaften in den Chor ein. Aber es bleibt dabei: Emirates, Qatar Airways und Etihad lenken mit immer größeren Flugzeugen tausende Fluggäste aus Europa über ihre Wüstendrehkreuze und haben bereits weite Teile des Verkehrs nach Südostasien und Ozeanien fest im Griff. Um streitbare Gewerkschaften, hohe Gebühren und Sozialabgaben oder Nachtflugverbote an ihren Heimatbasen müssen sich die Araber keine Gedanken machen. Zudem ändern die europäischen Billigflieger ihr Geschäftsmodell und werden für Geschäftsleute immer attraktiver. So folgt Ryanair dem Vorbild von Easyjet und verlässt die Provinz-Flughäfen. Am Eurowings-Drehkreuz Köln-Bonn treten die Iren demnächst sogar wieder mit Inlandsflügen nach Berlin an.
Auf Hilfe aus Berlin oder Brüssel hat die Lufthansa in den vergangenen Jahren meist vergeblich gewartet. Die nationale Luftverkehrssteuer verteuert Tickets für Flugreisen von deutschen Flughäfen. Sie bietet zudem der europäischen Konkurrenz Anreize, Umsteiger auf die eigenen Drehkreuze zu locken. Grenznah lebende Passagiere können gleich ganz auf ausländische Flughäfen und Airlines ausweichen. Den häufig angemahnten nationalen Luftverkehrsplan gibt es auch immer noch nicht. Dafür unsinnige Subventionen für Regionalflughäfen, die bislang das Geschäftsmodell der Billigflieger gestützt haben.
Noch keine Entscheidung sei in den seit Herbst laufenden Verhandlungen mit SAS gefallen, sagten die beiden Insider. Die staatlichen Eigner der Fluglinie wollten Aussteigen. Die Regierungen von Norwegen, Schweden und Dänemark halten zusammen die Hälfte der Anteile. Bislang sei die Lufthansa vor einem Engagement zurückgeschreckt, da SAS viele Probleme gehabt habe. "Doch nun könnte SAS an die Billigplattform Eurowings angedockt werden." Es müsste auch keine Übernahme sein, ebenfalls vorstellbar wäre eine Kooperation oder eine andere Vereinbarung, sagten die Insider.
Eurowings ist der neue Billig-Ableger der Lufthansa und so konzipiert, dass noch weitere Fluglinien dazukommen können. Die Eurowings-Flotte solle auf 220 bis 230 Flugzeuge wachsen von derzeit knapp 90, damit die Gesellschaft mit den Marktführern Ryanair und Easyjet mithalten könne, sagte einer der Kenner.
Ein Lufthansa-Sprecher sagte, dass die deutsche Airline seit Gründung des Flugbündnisses Star Alliance Partner von SAS sei und man allein schon deshalb miteinander spreche. Konkret wollte er sich nicht zu dem Thema äußern. Die "Süddeutsche Zeitung" hatte zuerst über die bevorstehende Komplettübernahme von Brussels Airlines durch die Lufthansa berichtet.