Wenn der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft im November in ein Berliner Industriedenkmal zum Abend der Luftfahrt lädt, kommen üblicherweise alle mit Rang und Namen: Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt, Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter und natürlich die Führungsetagen der Flughäfen und Airlines.
Doch Dienstagabend gab es in der ehemaligen Ludwig Loewe Maschinenfabrik im Tiergarten zwei Ausnahmen: Kölns Flughafen-Chef Michael Garvens, gerade Mittelpunkt einer undurchsichtigen Provinzposse, und der wohl wichtigste Branchenvertreter in ganz Europa: Lufthansa-Chef Carsten Spohr.
Dessen Abwesenheit rührte nicht daher, dass dem leutseligen 50-Jährigen die Lust am Feiern vergangen wäre. Spohr hatte am Mittwoch mal wieder wichtige Termine in der europäischen Hauptstadt und wollte ausgeruht vor Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und einigen führenden Sozialdemokraten erscheinen. „Der arme Carsten ist derzeit wahrscheinlich öfter Brüssel als an seinem Schreibtisch“, mutmaßt ein langjähriger Weggefährte.
Der Grund: Spohrs wichtigstes Projekt, die Übernahme von Teilen der Air Berlin, läuft ruckeliger als gedacht. „Es war immer klar, dass dies kein Spaziergang wird“, so ein Lufthansa-Insider. „Aber jetzt ist es ein undurchsichtiger Nervenkrieg, der bis in höchste politische Ebene reicht.“
Wie die Kartellprüfung in Brüssel läuft
Als Obergrenze für die alleinige nationale Zuständigkeit gilt ein Umsatz aller Beteiligten zusammen von fünf Milliarden Euro. Diese Summe überschreitet allein die Lufthansa mit knapp 32 Milliarden Euro Gesamtumsatz (2016) klar.
Zuständig auf EU-Ebene ist Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Das deutsche Kartellamt wird das Brüsseler Verfahren begleiten, wie Präsident Andreas Mundt erklärte.
Gerade im innerdeutschen Flugverkehr dürfte die Ermittlung des Marktanteils schwer fallen. Dort gibt es schließlich noch konkurrierenden Bahn- und Busverkehr. Die Prüfung muss wohl nach einzelnen Strecken getrennt ablaufen.
Die EU-Kommission prüft auf Grundlage der europäischen Fusionskontrollverordnung. Die Stoßrichtung ist: keine marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens - mit Blick auf die europäische Dimension. Nach der offiziellen Anmeldung von Übernahmeplänen hat die Kommission erst einmal 25 Arbeitstage Zeit, das Geschäft abzuklopfen. Haben die Experten wettbewerbsrechtliche Bedenken, können sie vertieft prüfen. Dann wären noch einmal 90 Arbeitstage Zeit. Bis zum Abschluss liegt das Geschäft auf Eis.
In früheren Luftverkehrsverfahren hat die Kommission mehrfach Auflagen gemacht. So mussten Käufer Start- und Landerechte auf einzelnen Strecken an Wettbewerber abgeben. Die geplante Übernahme der irischen Aer Lingus durch den großen Konkurrenten Ryanair untersagte die EU, weil das neue Unternehmen auf einer Vielzahl von Strecken marktbeherrschend geworden wäre.
Auf der einen Seite stehen die Lufthansa und ihr wichtigster Verbündeter: die Bundesregierung. Auf der anderen Seite hat sich Wettbewerber Reisekonzern Thomas Cook positioniert, dessen Tochter Condor zusammen mit dem österreichischen Unternehmer Niki Lauda zumindest Teile von Air Berlin haben will.
Aber egal wie der Kampf ausgeht: „Am Ende könnte in jedem Fall Lufthansa profitieren“, fürchtet ein führender Manager eins Wettbewerbers.
Doch von vorne: Lufthansa und die Bundesregierung bis zu Kanzlerin Angela Merkel drängen darauf, dass die Wettbewerbskommissarin den Kauf in der Größenordnung von bis zu 80 Maschinen nebst Personal und Landerechten vor Weihnachten und möglichst ohne nennenswerte Abstriche genehmigt. Airline und Regierung wirken nach Kräften vor allem auf die Generaldirektion für Wettbewerb ein, nicht zuletzt auf den einflussreichen Chefvolkswirt der DG Comp abgekürzten Kartellwächter. „Wie wir hören, haben nicht nur Herr Spohr und führende Leute der Lufthansa nebst Anwälten eine Art Standleitung in die Kommission, sondern auch Lars-Hendrik Röller Abteilungsleiter Wirtschaft im Kanzleramt und ehemaliger Chefvolkswirt der DG Comp“, so ein Insider des Brüsseler Politikbetriebs.
Die Gruppe versucht vor allem die starke Marktstellung zu relativieren, die Lufthansa mit den 80 zusätzlichen Air-Berlin Maschinen hätte.
Und das klingt in ihrer Argumentation ungefähr so: Im Europaverkehr habe die Lufthansa auch künftig nur weniger als 40 Prozent Marktanteil. Dagegen kommen die großen Billigflieger wie Ryanair, Easyjet oder Norwegian auf rund ein Viertel. Dazu gebe es ja noch die Bahn als starken Wettbewerber. Und am Ende löse eine schneller Übernahme noch ein großes Ärgernis: die viel beklagten höheren Flugpreise vor allem in Deutschland. Die sind schnell vorbei, wenn die EU der Lufthansa endlich erlaubt, den durch das Ende von Air Berlin verursachten Mangel an Flügen endlich durch eigene Verbindungen zu schließen.