Lufthansa gegen Thomas Cook Der Nervenkrieg um Niki

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Zuckerbrot und Peitsche der Lufthansa-Lobbyisten

Neben dem Zuckerbrot haben die Lufthansa-Lobbyisten auch gleich einer Peitsche im Gepäck. Wenn die EU die Übernahme untersage oder durch eine gründliche Prüfung zu lange verzögere, geht es nicht nur mit den höheren Flugpreisen noch eine ganz Zeit weiter. Es würde auch das Ende des Air-Berlin-Ferienfliegers Niki bedeuten.

Sollte Lufthansa den Zuschlag nicht bekommen, müsste sie die finanzielle Unterstützung sofort einstellen und Niki ginge sofort Pleite. Dann würden mehrere Tausend Reisende auch zur weihnachtlichen Reisezeit stranden. Dazu gingen direkt und indirekt deutlich mehr als 1000 Stellen verloren. Und das würde sich etwas hinziehen, weil auf die Schnelle kein anderes Unternehmen die Lücke schließen könne. „Will die EU wirklich daran schuld sein?“, fragt ein Lufthanseat.

Das halten die bei der Air-Berlin-Aufteilung leer ausgegangenen Wettbewerber Thomas Cook und die British-Airways-Mutter IAG für überzogen bis lachhaft. Aus ihrer Sicht bekäme Lufthansa durch die Übernahme ein bedrohliches Übergewicht. Laut einer Studie der Hamburger Beratung Prologis fliegen Lufthansa und ihre Tochter Eurowings dann 83 Prozent aller Flugsitze durch die Gegend. „Aber da Easyjet sicher nicht alle ehemaligen innerdeutschen Strecken von Air Berlin wieder aufnimmt, wären es wahrscheinlich sogar fast 90 Prozent“, sagt der Manager eines Wettbewerbers.

So hat Tegel Air Berlin verabschiedet
Touchdown in TegelUm 23.58 Uhr setzte die Maschine in Berlin auf. Der letzte Flug mit Kennung „AB“. Quelle: REUTERS
Ehrenrunden über BerlinDie Flugroute über Berlin diente dazu, als wirklich letztes Flugzeug zu landen. Die Schleifen deuteten viele als die Form eines Herzens. Quelle: dpa
Joachim HunoldMit an Bord: der ehemalige Geschäftsführer der Fluggesellschaft und Mitglied im Verwaltungsrat, Joachim Hunold. Er hatte in 20 Jahren an der Konzernspitze aus einer Mini-Gesellschaft mit zwei Flugzeugen die Nummer zwei in Deutschland gemacht, in ihrer Hochzeit mit mehr als 35 Millionen Passagieren und vier Milliarden Euro Jahresumsatz. Der heute 68-jährige Düsseldorfer war es aber auch, der seine Firma durch Zukäufe und schnelles Wachstum in eine komplexe Struktur und Kostenfalle trieb, aus der sie nie wieder herauskam. Quelle: dpa
Ende eines Kapitels deutscher WirtschaftsgeschichteNach 39 Jahren mit teils rasantem Wachstum endet die Zeit von Air Berlin. Der letzte Flieger in Berlin-Tegel wird am späten Freitagabend gebührend empfangen. Quelle: REUTERS
Gruß der FlughafenfeuerwehrMit Wasserfontänen wird normalerweise die Ankunft einer neuen Fluggesellschaft an einem Airport gefeiert - jetzt gilt die Geste einem letzten Flug. Quelle: dpa
Spalier zum AbschiedAir-Berlin-Mitarbeiter nehmen Crew und Passagiere von AB6210 in Empfang. Quelle: dpa
„Unsere AB“Ein Schluck Sekt auf das Ende der Airline. Flug AB6210 ist der letzte mit Air-Berlin-Kennung, der auf einem Flughafen gelandet ist. Quelle: dpa

Dazu hätten die Insolvenzverwalter den Verkauf zumindest der Niki an Lufthansa aus Sicht der Wettbewerber gar nicht vorschlagen dürfen. Laut EU-Recht dürfe eine gescheiterte Gesellschaft nur dann von dem marktbeherrschenden Anbieter mit mehr als 40 Prozent Anteil übernommen werden, wenn es keine anderen Interessenten gebe. „Im Fall von Niki hat es bekanntermaßen mehrere Alternativen gegeben“, erklärte Thomas-Cook-Fluglinienchef Christoph Debus in der „FAZ“. Ein anderer Manager wird da deutlicher. „Allein aus dem Grund muss die EU den Niki-Deal abschießen.“

Zudem gibt es Kritik am vermeintlich überhasteten Verfahren. „In den weniger als acht Wochen zwischen Insolvenz und Ende des Bieterverfahrens war es praktisch unmöglich, ein Angebot abzugeben, das sich genauso fundiert las wie das der Lufthansa“, sagt einer der abgewiesenen Bieter.

Beide Argumente sind der EU wohl bewusst. In einer Mitteilung der EU vom Oktober listet sie in einem von juristischen Fachausdrücken durchsetzten Text die Szenarien - und verpflichtet die Lufthansa etwa, keine vollendeten Tatsachen beim Kauf von Air-Berlin-Flugzeugen zu schaffen.

Doch halten es Beobachter für überzogen, dass sich die EU-Kommission die Übernahme von Niki durch Lufthansa verbietet. „Das hat die Lufthansa zwar gestreut, aber das soll eher die Schuld bei einem Scheitern in Richtung EU schieben“, meint ein Kenner der Brüsseler Szene.

Die spektakulärsten Airline-Pleiten
Mit Air Berlin hat die zweitgrößte Airline Deutschlands Insolvenz angemeldet. Die Pleite bahnte sich seit längerem an: Das Unternehmen mit rund 8.600 Beschäftigten schrieb seit Jahren Verluste und hielt sich hauptsächlich durch Finanzspritzen ihres Großaktionärs Etihad noch in der Luft. Am Freitag drehte die nationale Airline der Vereinigten Arabischen Emirate den Berlinern aber den Geldhahn zu. Mit dem Kredit von 150 Millionen Euro stellt nun der Bund den Flugbetrieb vorerst sicher. Quelle: dpa
Air Berlin ist kein Einzelfall. Die goldenen Zeiten der Luftfahrt sind seit der Liberalisierung des Marktes, die in den 1980er-Jahren einsetzte, vorbei. Seitdem regiert ein knallharter Wettbewerb die Lüfte. Auch die Branchenkrise nach den Anschlägen des 11. September 2001 und das Aufkommen der Billigflieger sorgen dafür, dass viele bekannte Airlines in die Pleite gerutscht sind. Quelle: dpa
Wie kein zweites Unternehmen stand „Pan Am“ für das glamouröse Jet-Zeitalter. 1927 flogen die ersten Postflugzeuge unter dem Namen zwischen Florida und Havanna. Schnell wurde das Unternehmen zu einer der größten US-Fluggesellschaften. Die Airline war eine der ersten, die Interkontinentalflüge anbot, und setzte zahlreiche Standards in der zivilen Luftfahrt. Das blau-weiße „meatball“-Logo von Pan American genießt bis heute Kultstatus. Quelle: imago images
In den 1980er-Jahren begann der Stern von Pan Am zu sinken. Durch die Deregulierung des US-Marktes kamen zahlreiche Konkurrenten auf. 1988 wurde über dem schottischen Lockerbie eine Maschine durch einen Terroranschlag zum Absturz gebracht, was das Vertrauen der Öffentlichkeit erschütterte. 1991 folgte die Übernahme durch Delta Air Lines. Quelle: imago images
Auch TWA gehörte zu den Pionieren der Luftfahrt. Gegründet 1930 als „Transcontinental and Western Air“, machte der exzentrische Milliardär Howard Hughes („The Aviator“) das Unternehmen zur zeitweise größten Airline der Welt. Hinter Pan Am war TWA die inoffiziell zweite Flaggschiff-Gesellschaft der USA. 1985 kaufte der Investor Carl Icahn TWA. Quelle: imago images
In den 1990er-Jahren musste TWA zwei Mal in kurzer Folge Gläubigerschutz beantragen. 1996 starben beim Absturz einer Boeing 747 über dem Atlantik 230 Menschen. Die stark geschrumpfte Airline kam 2001 wieder in finanzielle Schwierigkeiten und wurde von Konkurrent American Airlines übernommen. Quelle: picture alliance
1931 gegründet galt die Airline wegen ihrer finanziellen Stabilität lange als „fliegende Bank“. Aufgrund der politischen Neutralität der Schweiz konnte SwissAir zahlreiche lukrative Ziele in Afrika und im Nahen Osten anfliegen. Quelle: picture alliance

Am Ende gibt es wohl zwei Auswege. Die EU könnte die Übernahme stoppen, weil die Lufthansa hätte wissen können, dass sie Niki nicht übernehmen dürfe. Wahrscheinlicher ist aber eine Reihe von Auflagen - zum Beispiel, dass Lufthansa neue Wettbewerber holen und diese im Wettbewerb schonen muss. Denn auch wenn der Kauf nicht in Ordnung gewesen sei, habe es angesichts der knappen Zeit keine Alternative gegeben, bei der Beschäftigte und Passagiere nicht ungebührlich stark gelitten hätten, sagt der Brüssel-Kenner.

Schwer wird die Entscheidung auch dadurch, dass das Verfahren indirekt einen Einfluss auf das höchste politische Amt in Europa hat: die Nachfolge von Kommissions-Präsident Jean-Claude Juncker in 2019.

Wettbewerbskommissarin Vestager kann sich berechtigte Hoffnung auf das Amt machen.
Beobachter sehen sie im Fall Lufthansa jedoch vor einem Dilemma. In Berlin würde sie sich einerseits mit einem harten Durchgreifen unbeliebt machen. Andererseits kann Vestager die Übernahme auch nicht mit zu milden Auflagen durchwinken, weil die Sache dann vor den Europäischen Gerichtshof ginge - und scheitern dürfte.

Die Chronik von Air Berlin

Für Lufthansa-Chef Spohr ist das Risiko dagegen deutlich geringer. „So gern er alles hätte, er kann im schlimmsten Fall nicht wirklich viel verlieren“, so ein Manager eines Wettbewerbers. Bekommt er alle gewünschten Teile von Air Berlin mit milden Auflagen, kann Spohr jubeln.

„Und bekommt er Niki nicht, schmerzt es auch kaum“, so der Konkurrent. Denn dann bekommt Spohr mit den unstrittigen Teilen von Air Berlin sowie der Tochter LGW umgerechnet immer noch fast 60 Flugzeuge. „Und zwar nicht im hart umkämpften Ferienmarkt, sondern im normalen Liniengeschäft mit seinen vielen gut zahlenden Geschäftsreisenden“, so der Konkurrent.

Auch der durch den Niki-Verlust oder mögliche Auflagen verlorene Rest ist nicht ganz weg. Die Erwartung: Werden die wertvollen Startrechte frei, wird sich und Lufthansa mit allen Töchtern darum bewerben. Die Hälfte davon bekommt sie nach geltendem Recht ohnehin.

Auf den Rest hat sie eine gute Chance. „Denn Lufthansa hat sich sicher auch auf den Fall gründlich vorbereitet und wird schneller und gezielter neue Flüge auflegen als andere“, so der Konkurrent. „Und weil das dann nicht als Übernahme, sondern im Wettbewerb geschieht, muss sie nicht mal große Kartellauflagen befürchten.“

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