Lufthansa-Rettung Das gefährliche Kalkül des Milliardärs

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„Aktionäre bekämen bis zu einem Viertel ihres Einsatzes zurück“

Insolvenzen scheuen Aktionäre normalerweise aus tiefstem Herzen. Denn dabei werden ihre Anteile häufig wertlos. Zwar bekommen auch sie Geld, wenn der Insolvenzverwalter die vorrangigen Verpflichtungen bezahlt hat. „Doch die Erfahrung bei anderen Airlines wie Air Berlin oder den US-Linien nach der Jahrtausendwende zeigt, da bleibt in der Regel wenig übrig“, so ein insolvenzerfahrener Branchenkenner.

Das könnte bei der Lufthansa jedoch anders sein. Zwar drücken die Airline derzeit je nach Rechnung bis zu fünf Milliarden Euro Schulden. Doch dem stehen als Werte von Unternehmenstöchtern und der Flotte bis gut zehn Milliarden Euro und mehr gegenüber. Damit bliebe nach einer Insolvenz mit anschließender Zerschlagung wohl mindestens eine Milliarde mehr übrig als der heutige Börsenwert, schätzt ein Insider. „Und alle Aktionäre inklusive Thiele bekämen bis zu einem Viertel ihres Einsatzes als Gewinn zurück“, so ein Insider.

Darauf könnte Thiele spekulieren. Das lesen Branchenkenner aus seinem Interview mit Sätzen wie „die Existenz der Lufthansa wäre in einer Insolvenz nicht am darauffolgenden Tag erledigt. Es könnten sich daraus ebenso neue Möglichkeiten ergeben.“

Die Rechnung ist relativ einfach. Der größte Aktivposten der Lufthansa ist die Flotte. Sie hatte vor der Krise bei den meisten Analysten einen Marktwert von gut zehn Milliarden Euro. Angesichts des aktuellen Überangebotes an Maschinen ist sie zwar bestenfalls vier Milliarden Euro wert. „Doch bei einem geschickten gestreckten Verkauf könnte sie bis zu sechs Milliarden und mehr bringen“, so ein Manager eines Leasingunternehmens.

Zweiter Wertposten ist das Lufthansa Technik genannte Wartungsgeschäft, das bei einem Verkauf bis zu fünf Milliarden Euro bringen könnte. Das vom Hamburger Flughafen aus gesteuerte Hightech-Unternehmen ist bereits rechtlich selbstständig und der profitabelste Teil des Konzerns. Dafür sorgt ein weltweites Netz an Werkstätten, die neben Wartung auch Entwicklungsaufgaben erledigen und neue Technik zulassen, was sonst Herstellern wie Airbus vorbehalten ist. Dazu ist die Technik der global führende Anbieter beim hochprofitablen Umbau von Linienflugzeugen zu luxuriösen Privatjets. „Wenn die Coronazeit vorbei ist, sind das wieder langfristig kalkulierbare Erträge, wie sie Private-Equity-Gesellschaften lieben“, ordnet es ein Unternehmensberater ein.

Weiteres Geld bringen dürften vor allem die Fluglinien, allen voran die Swiss mit einem Wert von mindestens drei Milliarden. „Aber auch Austrian Airlines, Brussels und Eurowings haben zusammen einen Milliardenwert, allein wegen ihrer nach Corona wieder wertvollen Streckenrechte“, so ein Branchenkenner. Weiteres Geld bringen zudem Servicetöchter wie die Kreditkartenfirma Airplus. Lediglich des Bonusprogramm Miles & More ist ohne die Fluglinie fast wertlos.

Trotz der zu erwartenden Profite durch eine Insolvenz mit einer möglichen Zerschlagung hoffen führende Lufthansa-Manager, dass Thiele am Ende doch für den Plan stimmt. „Will er wirklich für ein paar hundert Millionen Euro auf immer der Raffke sein, der die Lufthansa auf dem Gewissen hat?“, fragt ein Insider provokant. Zumal nicht nur ein Ende der Lufthansa, sondern bereits eine geschrumpfte Rumpf-Hansa den Exportstandort Deutschland schwächen würden – und damit auch Thieles andere global aufgestellte Beteiligungen wie den Verkehrstechnikkonzern Vossloh und den Autozulieferer Knorr-Bremse.

Zudem dürfte ihm auch die Bundesregierung klarmachen, dass sie eine Sabotage der Lufthansa-Rettung nicht leichtnehmen würde. „Wahrscheinlich hat Thiele zwar noch keinen Anruf von der Kanzlerin erhalten, aber zumindest ihr Kanzleramtsminister dürfte sich schon avisiert haben, wenn er nicht gleich zu einem Besuch aufgebrochen ist“, meint ein Kenner der Berliner Polit-Szene.

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