Lufthansa-Rettung Das gefährliche Kalkül des Milliardärs

Heinz Hermann Thiele Quelle: dpa

Aus Ärger über die Staatshilfe für die Lufthansa droht der größte Aktionär Heinz Hermann Thiele den mühsamen Kompromiss in letzter Minute zu verhindern. Die Fluglinie ist in Alarmstimmung. Dem machtbewussten Milliardär hilft die aktuelle Aktionärsstruktur – und dass er an einer Insolvenz ebenso verdienen könnte wie an einer Rettung.

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In den Pressemeldungen der Lufthansa war die Welt am Mittwochnachmittag in bester Ordnung. „Sicher in die Sommerferien“ zeigte, wie die Linie ihre Kunden in Coronazeiten gesund in den Urlaub bringt. Zuvor hatte die Linie bereits ein „Rundum-Sorglos-Paket“ mit einer Rückfluggarantie zugesagt, damit „unsere Gäste ihren Sommerurlaub in Europa so unbeschwert wie möglich verbringen können“, wie die für den Kundendienst zuständige Vorständin Christina Foerster zusagte.

In den Fluren der Hauptverwaltung am Frankfurter Flughafen herrscht hingegen seit Dienstagabend spürbare Aufregung über Heinz-Hermann Thiele. Der größte Aktionär der Linie hatte in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ verkündet, er habe seinen Anteil am Unternehmen entgegen früherer Versprechen von zehn auf 15 Prozent der Aktien erhöht. Dabei ließ er offen, ob er auf der außerordentlichen Hauptversammlung der Linie am Donnerstag kommender Woche dem staatlichen Rettungspaket zustimmen werde.

„Die Aufstockung ist kein Signal, auf der Hauptversammlung gegen irgendetwas zu stimmen“, beruhigte der Selfmade-Unternehmer, der unter anderem Anteile am Verkehrstechnikkonzern Vossloh und dem Autozulieferer Knorr-Bremse hält. Doch dann stellte er klar: „Sie werden zum jetzigen Zeitpunkt von mir keine Aussage erwarten können, wie ich mich entscheide.“ Für ihn sei die Zeit zu kurz gewesen, um die Einzelheiten des Rettungsdeals zu studieren. Der Staat habe über seinen Anteil von 20 Prozent zu viele Möglichkeiten, die Sanierung zu erschweren. Darum wolle er nachverhandeln und mehr Einzelheiten zu den Alternativen der Staatshilfe wissen. Und als ob das nicht ausgereicht hätte, die Lufthansa in Aufruhr zu versetzen, stellte er klar, dass er auch eine Insolvenz geprüft wissen wolle. „Das darf man doch nicht ausschließen“, mahnt der Milliardär.

„Das war Thiele live“, sagt einer, der ihn geschäftlich kennt. „Wenn ihm etwas widerstrebt, ist er schwer zu stoppen und stellt dann schon mal Eigeninteressen vor Unternehmensinteressen.“ Das könnte auch bei der Lufthansa der Fall sein. Zwar schwört Thiele, nur im Sinne der Airline zu handeln. „Doch er könnte auch auf eine Insolvenz setzen, weil er daran mehr verdienen könnte als an einer Sanierung“, so ein insolvenzerfahrener Branchenkenner.

Mit seiner unklaren Haltung sorgte Thiele im Konzern für Alarmstimmung. Denn ohne seine Stimmen auf der Hauptversammlung droht das in wochenlangen Verhandlungen mühsam zwischen der Lufthansa, der Bundesregierung und den EU-Wettbewerbshütern austarierte Rettungspaket zu kippen. Zwar hat Thiele nur 15 Prozent der Stimmrechte. Doch das Aktienrecht arbeitet für ihn. Danach zählt auf einer Hauptversammlung nicht der Anteil am Gesellschaftskapital insgesamt, sondern an dem Teil der anwesend oder – bei einer Onlineversammlung wie bei Lufthansa – angemeldet ist. Ist weniger als die Hälfte der Stimmrechte da, brauchen Anträge wie der zur Annahme des Rettungspakets zwei Drittel der Stimmen. Sonst reicht die einfache Mehrheit. Damit kann Thiele mit seinen 15 Prozent am Ende mehr als ein Drittel der anwesenden Stimmrechte vertreten, wenn möglichst wenige Aktionäre kommen.

Normalerweise hätte der Lufthansavorstand um Konzernchef Spohr da wenig zu befürchten. Bei Großunternehmen dominieren meist institutionelle Anleger, die in großer Zahl zu den Hauptversammlungen kommen und meist im Sinne des Vorstands abstimmen, „wenn der sie gut informiert und die Gewinnprognosen einhält“, erklärt ein Fondsmanager.

Doch bei der Lufthansa sind diese Großanleger nach den Kursverlusten und dem bevorstehenden Dax-Abstieg ausgestiegen und haben nur noch rund 20 Prozent der Anteile. Stattdessen halten die Kleinanleger nun rund 60 Prozent und die Belegschaft weitere rund fünf Prozent.

Die Kleinanleger stimmen zwar in der Regel auch im Sinne des Vorstands. Doch anders als die Fonds kommt meist nur ein kleiner Teil zur Hauptversammlung – „und das auch nur, wenn es sicher Currywurst gibt“, soll Ex-Lufthansachef Wolfgang Mayrhuber mal gesagt haben. Weil die Linie nun nur eine virtuelle Versammlung – ohne Wurst – halten kann, dürfte der Anteil der Privaten klein sein. Bei der letzten Online-Versammlung kam nicht mal jeder zehnte Privatanleger. „Selbst, wenn die Institutionellen und die Belegschaftsaktionäre fast komplett da wären, hätte Herr Thiele ein Drittel der Stimmen und könnte den Rettungsdeal verhindern. „Das würde bedeuten, dass die Lufthansa möglicherweise zeitnah ein insolvenzrechtliches Schutzschirmverfahren beantragen muss“, warnte das Unternehmen am Mittwoch ihre Kleinaktionäre in einem ungewöhnlichen und eindringlichen Appell, inklusive dem internetoptimierten Slogan #everyvotecounts (jede Stimme zählt).

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