Beim Ausblick auf 2016 war Carsten Spohr im vorigen Oktober für seine Verhältnisse ungewohnt verhalten. „Das wird kein ganz leichtes Jahr für Fluglinien“, prophezeite der Lufthansa-Chef.
Spohr irrte sich. 2016 wird für die Flugbranche nicht nur schwierig, sondern deutlich schlechter als erwartet. Rechnete Lufthansa zum Jahreswechsel noch mit etwas mehr Umsatz, musste Spohr diese Woche – genauso wie zuvor bereits Easyjet, Air France und die British-Airways-Mutter IAG – einen Umsatzrückgang und eine Verfehlung des Gewinnziels melden.
Weitere werden folgen, glaubt Andrew Lobbenberg, Analyst der Investmentbank HSBC, in einer aktuellen Studie: „Selbst bei Ryanair ist eine Gewinnwarnung wahrscheinlich.“ Air Berlin sieht Lobbenberg nahe der Insolvenz, die Aktie sieht er auf einen Cent Restwert abschmieren.
Die Nebeneinkünfte der Airlines abseits des Ticketverkaufs
Alaska Air Group
Jahresergebnis 2014: 921 Millionen US-Dollar
Vorjahr: -
Quelle: „Yearbook of Ancillary Revenue 2015” der IdeaWorksCompany
Qantas Airways
Jahresergebnis 2014: 1,4 Milliarden US-Dollar
Vorjahr: Platz 09, 1,3 Milliarden US-Dollar
easyJet
Jahresergebnis 2014: 1,5 Milliarden US-Dollar
Vorjahr: Platz 07, 1,4 Milliarden US-Dollar
Lufthansa
Jahresergebnis 2014: 1,6 Milliarden US-Dollar
Vorjahr: Platz 08, 1,3 Milliarden US-Dollar
Southwest
Jahresergebnis 2014: 1,9 Milliarden US-Dollar
Vorjahr: Platz 06, 1,6 Milliarden US-Dollar
Ryanair
Jahresergebnis 2014: 1,9 Milliarden US-Dollar
Vorjahr: Platz 05, 1,7 Milliarden US-Dollar
Air France/KLM
Jahresergebnis 2014: 2 Milliarden US-Dollar
Vorjahr: Platz 04: 1,7 Milliarden US-Dollar
Delta
Jahresergebnis 2014: 3,2 Milliarden US-Dollar
Vorjahr: Platz 02, 2,5 Milliarden US-Dollar
AirwaysAmerican/US Airways
Jahresergebnis 2014 (Vorjahr): 4,7 Milliarden US-Dollar
Vorjahr: Platz 03, 2 Milliarden US-Dollar (American)/ Platz 10, 1,1 Milliarden US-Dollar (US Airways)
United
Jahresergebnis 2014: 5,9 Milliarden US-Dollar
Vorjahr: Platz 01, 5,7 Milliarden US-Dollar
Lufthansa oder der ungarische Ultrabilligflieger Wizz Air machten zwischen April und Juni zwar noch mehr Gewinn als im selben Quartal des Vorjahres. Doch das ist nur dem guten Geschäft bis April und dem niedrigen Spritpreis geschuldet. Seit Juni füllen die Linien ihre Flieger immer häufiger nur mithilfe von Sonderangeboten. „Im Sommerquartal könnten die Einnahmen pro Passagier noch mal um zehn Prozent sinken und die Kosten um bis zu fünf Prozent klettern“, so eine Studie des auf die Branche spezialisierten Marktforschers Capa.
Ende der fetten Jahre
Die Flugbranche sieht sich dabei als Opfer höherer Gewalt. „Die vielen Streiks und die Angst vor Terror oder dem Brexit lassen ungewöhnlich viele Kunden beim Urlaub zögern“, begründet etwa Easyjet-Chefin Carolyn McCall das Ende ihrer fast sieben fetten Jahre im Cockpit des Billigfliegers.
Dabei vergisst die Managerin einen entscheidenden Punkt: die hausgemachten Probleme der Branche.
Die starre Firmenkultur mit zu wenigen Neuerungen. Wegen ihrer alten Computersysteme etwa hinkt die Branche beim Einsatz neuer Technologien anderen Industrien hinterher. Extras zum Ticket, zum Beispiel kürzere Wartezeiten bei Sicherheitskontrollen am Flughafen, werden zu selten oder auch gar nicht verkauft.
Besonders bei Traditionslinien gibt es zu viele Hierarchieebenen. Deren Verwaltungskosten liegen bis zu 20 Prozent über denen von Billigfliegern wie Ryanair. Überdeckt wurde das bisher dadurch, dass die Zahl der Passagiere stärker wuchs als die Belegschaft. Nun, da das Wachstum fehlt, schlagen die schleichend gestiegenen Kosten auf den Gewinn durch.
Alle Aktien auf Verkaufen
Hinzu kommen Überkapazitäten. Die vier größten Linien Europas haben 200 neue Jets bestellt – aus Angst, im scheinbar endlosen Aufschwung nicht genug neue Maschinen zu bekommen. Weil die Kaufverträge, anders als bei US-Linien, ein Verschieben der Auslieferung kaum zulassen, vergrößern sie die Flotten, obwohl sie die alten Flieger schon nicht voll bekommen.
Dazu wächst das Angebot, weil die neuen Maschinen in der Regel größer sind als die alten. So lässt die Lufthansa-Billigtochter Eurowings die Zahl der Flieger zwar gleich. Doch sie ersetzt ihre Bombardier-Regionaljets mit bis zu 100 Plätzen durch Airbus-Maschinen mit gut 150 Sitzen, die für viele kleinere Routen wie Düsseldorf–Birmingham oder Hamburg–Oslo zu groß sind, um sie profitabel zu füllen.
Zu guter Letzt plagt die Branche ein Herdentrieb. So setzen derzeit alle Linien auf Billigflieger. Kaum einer sucht nach Nischen wie Air Baltic aus Lettland, der mit einem breiten Angebot längerer Strecken und der Möglichkeit, schnell im Baltikum umzusteigen, eine unerwartete Wiedergeburt gelang.
Skytrax-Ranking: Die besten Airlines der Welt
Hainan Airlines
Vorjahr: Rang 12
Etihad Airways
Vorjahr: Rang 6
Lufthansa
Vorjahr: Rang 10
EVA Air
Vorjahr: Rang 8
Cathay Pacific
Vorjahr: Rang 4
Emirates
Vorjahr: Rang 1
ANA All Nippon Airways
Vorjahr: Rang 5
Singapore Airlines
Vorjahr: Rang 3
Qatar Airways
Vorjahr: Rang 2
Wie im Gleichschritt reagierte die Branche auch auf den Nachfragerückgang nach der Entscheidung der Briten, aus der EU auszusteigen, der die Buchungen etwa bei Easyjet um zehn Prozent sinken ließ. Statt ihre Expansion zu stoppen, bauen sie ihre Kapazitäten aus und schicken ihre Flieger einfach vermehrt nach Mitteleuropa und besonders nach Deutschland, wo sie mangels Nachfrage nicht profitabel gefüllt werden können.
Ein schnelles Ende der Krise ist nicht in Sicht. Zwar richten erste Linien zaghaft ihr Netz neu aus. Norwegian will einige ihrer gut 200 bestellten Flugzeuge außerhalb Europas bei einer neuen Billigtochter auf den niederländischen und französischen Karibikinseln fliegen lassen.
Doch das ist zu wenig. „Die Wende zum Besseren kommt garantiert nicht in ein paar Wochen“, so Analyst Lobbenberg – und rät daher seinen Kunden, alle europäischen Airline-Aktien zu verkaufen.