Lufthansa Sechs Gründe, warum Carsten Spohr für Alitalia bietet

Lufthansa bietet für die angeschlagene Alitalia. Ganz ernst gemeint ist die Offerte allerdings nicht. Was hinter den Winkelzügen von Airline-Chef Carsten Spohr steckt.

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Carsten Spohr Quelle: dpa

Wenn Lufthansa-Chef Carsten Spohr in Brüssel Politiker trifft, ist das meist eine kühle Angelegenheit. So war es auch, als er am vergangenen Dienstag bei einem Termin des Spitzenverbands Airlines for Europe (A4E) mit den Chefs von Air France-KLM, Easyjet, Norwegian und der British-Airways-Mutter IAG vor Medien und EU-Politikern für die Belange der Flugbranche warb.

Nur mittendrin wurde es auf einmal recht herzlich. Als jemand die Airline CEOs fragte, wer von ihnen für die angeschlagene Alitalia geboten habe, verklärte sich Spohrs Blick kurz. Er legte sanft den Arm um Easyjet-Chefin Carolyn McCall, bevor beide lächelnd und wortlos nickten.

Ansonsten ist Spohr in der Causa Alitalia weniger mit dem Herzen dabei. Zwar hat die Lufthansa ein Angebot für Alitalia bestätigt. Doch Spohr möchte, Offerte hin oder her, Alitalia eigentlich gar nicht, wie die WirtschaftsWoche erfuhr. „Wir haben an der heutigen Alitalia kein Interesse“, sagte Spohr beim A4E-Treffen. Und er stellte auch gleich klar, dass ihn auch eine reformierte Alitalia nicht übermäßig reizt. „Aber wenn es eine Möglichkeit gibt, eine neue reformierte Alitalia zu schaffen, müssen wir als Europas Nummer eins dabei sein“, so Spohr.

Die Lufthansa möchte Alitalia nach Möglichkeit nicht übernehmen. Auch eine restrukturierte Alitalia reizt den Lufthansa-Chef Carsten Spohr nicht allzu sehr.
von Rüdiger Kiani-Kreß

Die Lufthansa hat die ersten und offensichtlichen Vorteile des Bieterprozesses bereits genutzt: Sie hat Einblick in Alitalia-Daten genommen und kennt nun die Kalkulationen für die attraktivsten Strecken sowie einen Teil der attraktivsten Kunden.

Warum Spohr trotzdem mitgeboten hat, erklärt er in vertraulichen Runden. Dafür sprechen nämlich mindestens sechs Gründe.

1. Wenn andere bieten, kann ein Alitalia-Kauf kein Unsinn sein

Beim Kauf von Air Berlin wusste Spohr zumindest die Hälfte der Belegschaft hinter sich. „Bei Alitalia keinen“, beschreibt ein Lufthansa-Mitarbeiter die Stimmung am Morgen nach dem Kaufangebot.

Doch mögen manche mehr oder weniger scherzhaft vermuten, ihr Konzernchef sei nach dem Aufschwung der Aktie und dem Air-Berlin-Kauf in einer Mischung aus Kerosin- und Unfehlbarkeitsrausch – ganz absurd ist ein Angebot schon aus einem ganz banalen Grund nicht: Lufthansa ist nicht der einzige Interessent. Öffentlich eingestanden haben ihre Offerten auch der US-Investmentriese Cerberus und Easyjet. „Beide sind nicht für typischen Größenwahn der Flugbranche bekannt. Sie rechnen knallhart“, erklärt ein Lufthansa-Manager.

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Dazu hält nur eine Teilnahme am Verkaufsprozess der Lufthansa alle Optionen offen. Denn mag ihr Interesse auch nicht übermäßig groß sein: „Als Mitbieter erfahren wir sofort, wenn sich etwas tut“, so der Lufthanseat. „Dann können wir sofort reagieren, falls wider Erwarten doch einer der sechs anderen Interessenten ein ernsthaftes Paket auf den Tisch legt.“

2. Kein Kauf ohne Reform

Jeder ist zu etwas nütze – und sei es nur als schlechtes Beispiel. Dieser klassische Business-Kalauer trifft wohl auf keine europäische Fluglinie besser zu als auf Alitalia. „Selbst Aeroflot hat sich reformiert und bietet immer besseren Service und schnelle Abläufe, nur Alitalia tut sich schwer“, urteilt ein Insider von Air Berlin, bis vor kurzem der engste europäische Verbündete der Italiener. Noch immer prägen Dinge wie Bürokratismus, unzuverlässige Weiterleitung von Umsteiger-Gepäck oder streikfreudige Angestellte das Bild.

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Das RankingDie Auszeichnung für die Airline des Jahres von Skytrax basiert auf einer Fluggastbefragung, die seit 1999 durchgeführt wird. Ausgewertet werden die Daten von rund 18 Millionen Passagieren aus über 160 Ländern. Die Angebote an Bord sowie die Services der Fluggesellschaften an den Flughäfen werden bewertet. Die „Skytrax World Airline Awards “ gelten als angesehenste Auszeichnung für die Luftfahrtbranche. Quelle: dpa
Platz 10: Garuda IndonesiaDie indonesische Airline Garuda arbeitete sich in die Top Ten vor. Im Vorjahr stand sie noch auf Platz 11. Quelle: REUTERS
Platz 9: Hainan AirlinesGleich drei Plätze aufwärts ging es für Hainan. Die Fluggesellschaft erhielt auch den Preis als beste chinesische Airline und erhielt den Award "Best China Airline Staff Service". Quelle: REUTERS
Etihad Airways Quelle: dpa
Lufthansa Quelle: dpa
Eva Air Quelle: dpa
Platz 5: Cathay Pacific Airways Im Vorjahr lag die Fluglinie noch auf Platz 4. In diesem Jahr ist Cathay Pacific Airways um einen Platz abgesackt. Quelle: REUTERS

Doch wie alle Kaufinteressenten will auch Lufthansa nicht nur eine Linie, die wenig oder möglichst gar nichts mit der klassischen Alitalia zu tun hat. „Soweit wir wissen, verlangen alle Bieter neben einer finanziellen Sanierung eine Gesundschrumpfung - inklusive einem Ende der Nutzung als Jobmaschine für Politiker und ihre Angehörigen“, heißt es in Bieterkreisen.

3. Lukrative Langstrecke

In den vergangenen Jahren hätte Lufthansa die gesamte Alitalia bereits schon zwei Mal kaufen können. In 2008 hat sie sich wohl auch die Zahlen schon mal genauer angesehen und führte dem Vernehmen nach auch Gespräche. Doch der damalige Finanzchef Stephen Gemkow legte sein Veto ein. Aus seiner Sicht war Alitalia nicht sanierbar.

Selbst mit einem Schuldenerlass und Einschnitten – bei den Gehältern würde eine Sanierung der gesamten Linie schwer. So widersprachen die Arbeitnehmerverbände auch im vergangenen Jahr mehrfach entscheidenden Reformen, selbst als der damalige Hauptaktionär Etihad seinen Rückzug androhte und die Pleite folgte.

Neben einer harten Sanierung mit Einschnitten wäre bei den kostentreibenden Arbeitsregeln vor allem Sinn eine Aufteilung des Unternehmens sinnvoll. Während sich Lufthansa bei Air Berlin nur für die Kurzstrecke interessierte, ginge es in Italien vor allem um die Langstrecke. Mit ihren 26 aktiven Großraumjets verdient die Linie vor allem bei Zielen in Nord- und Südamerika einigermaßen Geld.

von Rüdiger Kiani-Kreß, Sebastian Schaal

Damit die Flüge allerdings richtig profitabel werden, müsste Lufthansa das ganze Netz von Rom zurück nach Mailand verschieben. Während Rom vor allem für Touristen interessant ist, gäbe es in der Wirtschafts- und Finanzmetropole Mailand mehr gut zahlende Geschäftsreisende. Beim Wechsel wäre allerdings mit Widerstand zu rechnen. Denn die wirtschaftlich widersinnige Verschiebung von Mailand nach Rom vor ein paar Jahren war ein Zugeständnis an die vor allem in der Hauptstadt ansässigen Politiker und die Beschäftigten, die in Rom leben, aber nicht nach Mailand shutteln wollten.
Das regionale Netz hingegen ist bestenfalls als Zubringer zur Langstrecke interessant. „Den normalen inneritalienischen Verkehr hat Alitalia längst an Ryanair und Easyjet verloren. Die Flüge zu den Inseln sind bestenfalls im Sommer profitabel“, urteilt ein Lufthansa-Insider.

4. Norditalien ist eine der lukrativsten Flugmärkte Europas

Angesichts der Schwäche von Alitalia und der insgesamt vergleichsweise labilen italienischen Wirtschaft vergessen viele, dass Norditalien eines der ökonomischen Kraftwerke in Europa ist. „In Sachen Innovation und Wirtschaftskraft kann die Region mit Baden-Württemberg und anderen leicht mithalten“, so ein Lufthanseat. „Aus diesem Grund sind wir auch da sehr präsent.“

So fliegt Lufthansa vor allem aus München gut ein halbes Dutzend Ziele im Norden an. Dabei bietet sie nicht nur besonders kurze Umsteigezeiten. Der Flughafen München hat eine eigene italienische Ecke mit besonderen Restaurant- und Einkaufsangeboten für die Kunden aus Italien. „Italien ist nach den USA unser wichtigster Markt außerhalb unserer Heimatländer“, sagte Spohr denn auch bei seinem Branchentreffen am Dienstag. „Den müssen wir sichern.“

Würde Lufthansa sich nun ganz aus dem Verkaufsprozess raushalten, könnte sich ein anderer Bieter den Markt schnappen. Dann täte sich nicht nur München als nördlichstes Drehkreuz Italiens und Lufthansa schwer. Am Ende könnte eine effiziente Langstreckenlinie sogar Passagiere aus Deutschland anlocken, die statt Lufthansa-Sachlichkeit eine Airline mit Dolce Vita - oder zumindest einer Anmutung davon - suchen.

5. Italien ist Europas letzter nicht vergebener Flugmarkt

Das Interesse an der Region, geht noch mit einem anderen Faktor einher: „Norditalien ist der letzte lukrative Markt in Europa, der noch nicht verteilt ist“, so ein Lufthansa-Insider.

Alle anderen Länder mit einer nennenswerten Nachfrage nach Langstrecken gehören inzwischen mehr oder weniger einer der drei großen Airline-Gruppen: die britischen Inseln und Spanien zu IAG, Frankreich und die Niederlande zu Air France-KLM – und das deutschsprachige Europa sowie Polen und Skandinavien zur Lufthansa oder zumindest zu ihrer Star Alliance. „Aus dem Grund hat Spohr auch klar gemacht, dass wir kein Interesse haben in SAS zu investieren, denn den Markt haben wir ja in den für uns interessanten Teilen“, sagt ein Lufthanseat.

Italien hingegen ist seit der gescheiterten Eingliederung von Alitalia in die Etihad-Gruppe wieder frei. „Doch das gilt nur, solange sich kein anderer mit Alitalia die Region sichert“, so ein Lufthanseat.

6. Ein Verkauf dauert noch Jahre

Das vielleicht beste Argument für ein Angebot an Alitalia ist am Ende, dass Spohr den Worten noch lange keine Taten folgen lassen muss. Zwar haben die italienische Regierung und die Insolvenzverwalter zunächst einen engen Zeitplan vorgelegt und alle Angebote bis zum vergangenen Montag verlangt.

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Für den engen Zeitplan sorgen aber allein die Vorgaben des europäischen Beihilferechts. Nach denen darf eine Fluglinie eigentlich nur einmal Staatshilfen bekommen. „Und Alitalia hat je nach Rechnung eigentlich schon bis zu einer Handvoll Runden hinter sich“, so ein hochrangiger Manager einer großen Airline. Doch andererseits haben Staat und Insolvenzverwalter fast gleichzeitig allzu enge Vorgaben dann wieder kassiert. Als Erstes schoss der Staat neues Geld nach.

Statt einem Verkauf binnen Monaten rechnet nun keiner mehr mit einem Abschluss vor dem nächsten Winter. Und der kann auch noch länger dauern. „Denn eigentlich will Italien Alitalia nicht verkaufen oder umbauen, sondern weiter subventionieren“, heißt es in Lufthansa-Kreisen.

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