
Seit Mitternacht konzentrieren die Piloten der Lufthansa ihren Streik auf Kurz- und Mittelstrecken. Zuvor hatten sie ihre Arbeitsniederlegung noch auf die weniger zahlreichen Fernflüge beschränkt. Zehntausende Passagiere müssen während des bis Mitternacht (24.00 Uhr) dauernden Streiks mit einem Sonderflugplan vorliebnehmen.
Wenn es nicht ein neues Angebot der Lufthansa gibt, streiken wir weiter", sagte Cockpit-Vorstand Markus Wahl am Mittwoch zu Reuters. Jeder Ausstand werde 24 Stunden vorher angekündigt. Ein Ende der Tarifauseinandersetzung sei derzeit nicht in Sicht. "Wir können jede Woche die Arbeit niederlegen." In dem zähen Arbeitskampf, der sich seit eineinhalb Jahren hinzieht, kämpfen die Piloten für die Beibehaltung ihrer Frührente zu den alten Konditionen und gegen die Verlagerung von Cockpit-Arbeitsplätzen ins Ausland.
Welche Rechte Fluggäste bei Streik haben
Die Verbraucherzentrale NRW erklärt, welche Rechte betroffene Fluggäste haben.
Die Airline muss laut EU-Verordnung einen Ersatzflug zum nächstmöglichen Zeitpunkt anbieten. Alternativ können Fluggäste bei Annullierung des Flugs vom Luftbeförderungsvertrag zurücktreten und sich den Flugpreis erstatten lassen.
Bei Ausgleichszahlungen ist die Lage strittig. Nach bislang überwiegender Ansicht gelten Streiks als "außergewöhnliche Umstände", und dann braucht die Fluggesellschaft nicht zu zahlen.
Findet der Flug verspätet statt, sichert die europäische Fluggastrechte-Verordnung folgende Rechte zu: Anspruch auf kostenlose Betreuung besteht ab zwei Stunden Verzögerung bei Kurzstrecken (bis 1500 km), ab drei Stunden bei Mittelstrecken (bis 3500 km) und ab vier Stunden bei Langstrecken. Die Airline muss dann für Mahlzeiten, Erfrischungen, zwei Telefongespräche, Telexe, Faxe oder E-Mails sowie eventuell notwendige Hotelübernachtungen (falls sich der Flug um einen Tag verschiebt) samt Transfer sorgen.
Wollen die Fluggäste die Reise bei einer mehr als fünfstündigen Verspätung nicht mehr antreten, können sie ihr Geld zurückverlangen.
Der Reiseveranstalter ist der erste Ansprechpartner, wenn der ausfallende Flug Teil einer Pauschalreise ist. Auch der Veranstalter hat die Pflicht, schnellstmöglich für eine Ersatzbeförderung zu sorgen.
Erst, wenn der Flieger mehr als vier Stunden verspätet ist, kann je nach Flugstrecke ein Reisemangel vorliegen. Dann können für jede weitere Verspätungsstunde fünf Prozent des Tagesreisepreises vom Veranstalter zurückverlangt werden.
Wenn durch den Streik Reiseleistungen ausgefallen sind, haben Urlauber die Möglichkeit, nach ihrer Rückkehr den Preis der Reise zu mindern.
Die Fluggesellschaft war zuvor vor den Arbeitsgerichten Frankfurt und Köln mit dem Versuch gescheitert, den Streik per einstweiliger Verfügung verbieten zu lassen. Nach Auffassung der Richter ist der Ausstand verhältnismäßig und verfolgt auch keine streikfremden Ziele. Zwar geht Lufthansa vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht in Berufung. Doch diese Verhandlung wird nach Gerichtsangaben erst am Mittwochvormittag um 10.30 Uhr stattfinden. Der Ausstand am selben Tag dürfte somit zunächst nicht zu stoppen sein.
140.000 Passagiere sind betroffen
Die Lufthansa streicht wegen des mittlerweile 13. Ausstands der Flugzeugführer am Mittwoch 1000 von 3000 Kurz- und Mittelstreckenflügen. Betroffen seien etwa 140.000 von 180.000 gebuchten Passagieren. Passagiere seien per Kurznachricht oder E-Mail über Umbuchungsmöglichkeiten informiert worden, sagte eine Lufthansa-Sprecherin. Der Ausstand trifft vor allem den Frankfurter Flughafen, also die Heimatbasis der Lufthansa. Im Terminal 1 herrscht am Morgen dichtes Gedränge, vor den Umbuchungsschaltern gibt es lange Schlange. Ratlose Passagiere schauen auf die große Anzeigetafel für Abflüge – hinter so gut wie jedem Ziel steht "Annulliert".
Die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) forderte die Lufthansa auf, sich nicht hinter juristischen Positionen zu verstecken. "Der Konzernvorstand muss endlich erkennen, dass ein Dienstleistungsunternehmen nicht gegen das eigene Personal geführt werden kann", sagte VC-Sprecher Markus Wahl. Die Gewerkschaft sei bereit, zukunftsfähige Strukturen mitzugestalten.
Vergangene Woche waren Tarifgespräche zwischen der Lufthansa und den Piloten nach langwierigen Verhandlungen gescheitert. Grund für das Aus war Cockpit zufolge die Tatsache, dass die Lufthansa den Ausbau des Billigfliegers Eurowings in Österreich auch während der Gespräche nicht auf Eis legen wollte. Die Kosten von Eurowings sollen um ein Drittel unter denen der Lufthansa liegen und die Mitarbeiter dementsprechend weniger verdienen. Cockpit wolle Eurowings nicht verhindern, sagte Wahl. "Unser Ziel ist es, Eurowings mit tarifgebundenen Arbeitsplätzen zu besetzen."
Die Lufthansa will nicht einlenken. Wegen der 5000 Piloten, die derzeit von Cockpit zum Streik aufgerufen sind, werde die Lufthansa nicht die Strategie für die restlichen 115.000 Mitarbeiter ändern, sagte eine Konzernsprecherin. "Wir setzen darauf, dass diese 5400 Angestellten dies bald verstehen." Aus Sicht der Lufthansa-Spitze ist der rasche Ausbau von Eurowings aber überlebenswichtig, um den Vormarsch der Billigrivalen Ryanair und Easyjet zu stoppen.