Lufthansa-Streik So verhärtet sind die Fronten zwischen Piloten und Konzern

Der Lufthansa-Streik geht weiter. Wochenlange Gespräche haben zwar offenbar einiges erreicht, aber nichts am Kern des Konflikts geändert. Der Konzern hat Angst, seine Zukunft zu verspielen - die Piloten sorgen sich um ihren Einfluss.

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Flugreisende müssen sich auf Turbulenzen einstellen. Die Piloten haben zum wiederholten Mal einen Streik bei der Lufthansa angekündigt. Quelle: dpa

Gong! Runde 13. Der Kampf zwischen Lufthansa und der Piloten-Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) geht am Dienstag mit einer neuen Streikrunde weiter. Anders als beim Boxen wirkt auch nach dieser Dauer keine der Parteien müde. Zumindest der verbale Schlagabtausch wirkt aggressiver denn je. Leidtragende sind ohnehin vor allem die Passagiere - und andere Lufthansa-Mitarbeiter.

Der neue Streik ist ein Doppelschlag: Ab Dienstag den 8. September von acht bis Mitternacht werden die Piloten der Lufthansa auf Langstreckenflügen aus Deutschland heraus die Arbeit niederlegen. Zudem werden alle Abflüge der Frachtsparte LH Cargo bestreikt. Ein ähnlicher Streik auf der Langstrecke im März traf 18.000 Passagiere.

Piloten-Streiks bei der Lufthansa

Lufthansa selbst hat sich bereits in den mittlerweile gut erprobten Streik-Modus begeben: Von den rund 170 Langstreckenflüge am Dienstag können nach Angaben des Konzerns 90 verkehren. 84 werden gestrichen. Schon am Montag müssen allerdings einzelne Interkontinentalflüge annuliert werden. "Fluggäste, deren Flug streikbedingt gestrichen wird, haben die Möglichkeit, ihren Flug kostenfrei umzubuchen oder den Flug kostenfrei zu stornieren", teilte das Unternehmen mit.

Nach Konzern-Angaben fällt am Dienstag zumindest kein Frachtflug aus. Die sieben Flugzeuge verkehrten wie geplant, sagte ein Sprecher der 100-prozentigen Lufthansa-Tochter am Montag in Frankfurt. Es sei dem Unternehmen gelungen, die notwendigen Ersatz-Crews zu finden.

Dass das Luftfahrt-Unternehmen den Forderungen der Piloten nicht einfach nachgeben wird, hatte dessen Chef bereits vergangene Woche klar gemacht. “Ich hoffe, es wird keine neuen Streiks geben”, sagte Carsten Spohr nach den ersten Drohungen der VC. “Aber wenn wir das durchstehen müssen, um das Unternehmen fit für die Zukunft zu machen, dann werden wir das tun", sagte er am Mittwoch, wissend, dass die zwölf Streikrunden seit April 2014 sein Unternehmen mehr als 330 Millionen Euro gekostet und dem Image geschadet haben.

Umfassendes Paket weckte Hoffnungen

Die Haltung der Geschäftsleitung sei unverständlich, "als die weitreichenden Zugeständnisse des Cockpitpersonals in die Zeit eines prognostizierten Rekordergebnisses von mehr als 1,75 Milliarden Euro im laufenden Geschäftsjahr und des wirtschaftlich besten Sommers in der Unternehmensgeschichte fallen", kontert derweil VC-Sprecher Markus Wahl.

Zwei Sätze, die deutlich machen, wie verhärtet die Fronten zwischen Unternehmen und Lufthansa noch immer sind - trotz wochenlanger Gespräche. Dabei waren die lange positiv gelaufen. Der Ansatz, alle Streitpunkte in einem umfassenden Paket zu klären, schien aufzugehen. Pilotengewerkschafter und Unternehmens-Vertreter freuten sich gleichermaßen über Fortschritte. Es gebe neue gemeinsame Schnittmengen, hieß es in der Branche.

Nach eigenen Angaben hat die Vereinigung Cockpit der Lufthansa “ein Gesamtpaket mit weitreichenden Zugeständnissen im Wert von über 500 Millionen Euro” angeboten. Bei dem Ringen um Personalkosten und Alterssicherung für die Piloten war eine Einigung offenbar so nahe wie lange nicht.

Welche Rechte Fluggäste bei Streik haben

Doch der Kernkonflikt hat sich verschoben. Ein Stück weit weg von den Einzelschicksalen der Piloten, die vorzeitig in den Ruhestand gehen wollen, hin zum Ringen um die Grundausrichtung von Europas größter Airline.

Vor dem für Herbst anvisierten Start der Billigtochter Eurowings hat die Lufthansa begonnen, Flieger auszuflaggen - zum Beispiel nach Wien. Der Konzern verschiebt die Flugzeuge zur Low-Cost-Linie ins Ausland. Und mit ihnen die Arbeitsplätze der Piloten.

Das Problem aus VC-Sicht: Eurowings-Piloten werden deutlich schlechter bezahlt als die Lufthansa-Kapitäne. Kleines Rechenbeispiel: Ein Pilot der Lufthansa-Passage stieg bislang mit 136.000 Euro Grundgehalt ein, nach zehn Jahren stieg es auf 189.000 Euro. Bei Eurowings verdient ein Flugkapitän zunächst 78.000 Euro und nach sechs Jahren 102.000 Euro.

Vereinigung Cockpit in der Kritik

Und ganz grundsätzlich gilt bei Eurowings nicht mehr der - sehr gute - Lufthansa-Tarif. Und so erhebt die Vereinigung Cockpit den Konflikt denn auch zur Grundsatzdebatte über die Zukunft des Personals. "Lufthansa beherrscht als Fast-Monopolist den Arbeitsmarkt für Piloten in Deutschland, Österreich und der Schweiz", sagt VC-Sprecher Wahl. "Um nicht einem Tarifdiktat unterworfen zu sein, sind entsprechend starke Gewerkschaften notwendig."

Doch was die Vereinigung Cockpit als “aggressive Tarifflucht” bezeichnet, ist Kernbestandteil von Spohrs Strategie, die Lufthansa zukunftssicher zu machen. Obwohl der Lufthansa-Chef noch in der vergangenen Woche den  "besten Sommer überhaupt" bejubelte, ist klar, dass er das Unternehmen neu aufstellen muss.

Die einst stolze Kranichlinie ist eingekeilt im Wettbewerb mit den Airlines vom Golf auf der Lang- und den Billigfliegern auf der Kurzstrecke. Einen aggressiven Preiskampf mit den Angreifern kann sich der Konzern kaum erlauben, unter anderem weil die Personalkosten höher sind.

An einem Sparkonzept - und dessen Weiterdreh, der Billigtochter Eurowings führt aus Spohrs Sicht kein Weg vorbei. "Es geht nicht anders", erklärte er noch vor wenigen Tagen. "Wir müssen, um die Führungsrolle zu erhalten und nicht von Low-Cost-Carriern verdrängt zu werden, unsere Kostensituation auf das Niveau der Wettbewerber bringen."

Die Personalkosten der Fluggesellschaften

Die Äußerung lässt wenig Platz für Spielraum. Schon in der Vergangenheit hatte die Lufthansa kein Interesse daran gezeigt, das Konzept “Eurowings” mit der Gewerkschaft zu diskutieren. Das sei Unternehmensstrategie und nicht Teil der Tarifverhandlungen, hieß es stets ziemlich deutlich.

Dass die Lufthansa im Punkt Eurowings also nicht mit sich reden lassen wird, ist eigentlich klar. Die Gewerkschaft des Kabinenpersonals, UFO, hatte in der vergangenen Woche erklärt, dass man die Einstellung des Eurowings-Projekts als Bedingung für Verhandlungen "guten Gewissens als unrealistisch bezeichnen" könne.

UFO warf den Piloten vor, sogar vor mit ihren starren Forderungen und unnötigen Eskalationen Arbeitsplätze in Gefahr zu bringen. "Auch UFO hat die Erfahrung gemacht, dass es momentan schwierig ist, tragfähige und dauerhafte Ergebnisse mit der Lufthansa zu finden”, heißt es in einem Schreiben. Die Kabinengewerkschaft sei allerdings davon überzeugt, “dass der Versuch am Verhandlungstisch und nicht nur auf der Straße unternommen werden muss".

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