Lufthansa-Tarifstreit Nur noch Bachelor an Bord

Die neue Tarifeinigung der Lufthansa mit der Kabinengewerkschaft Ufo setzt Maßstäbe für die Branche. Der Druck auf die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit, auch endlich einem Kompromiss zuzustimmen, wird immer höher.

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Die Tarifeinigung bei den Flugbegleitern setzt die Piloten-Gewerkschaft unter Druck. Quelle: dpa

Ob Autobranche, öffentlicher Dienst oder eben jetzt die Lufthansa: Am Ende haben alle Tarifauseinandersetzungen zwei Dinge gemeinsam. Die Beteiligten geben sich am Ende zerknirscht unter dem Motto „mehr war halt nicht drin“. Und wenn das Ergebnis vorliegt, fragen sich alle Beobachter – und vor allem die Opfer von Streiks – nur eine Sache: Für dieses naheliegende Ergebnis gab es die ganze Aufregung?

Bei der Tarifeinigung zwischen der Lufthansa und der Ufo genannten Gewerkschaft für die Flugbegleiter ist das anders. Zwar liegt hier bei der Frage nach dem Sinn des Tarifstreits die Latte extrem hoch. Denn immerhin liefen die Verhandlungen satte drei Jahre und die Gewerkschaft sorgte im vorigen Jahr mit einem fast einwöchigen Streik für den längsten Ausstand der an Arbeitskämpfen nicht gerade armen Lufthansa-Geschichte.

Doch auch wenn formell noch die Gewerkschaftsmitglieder zustimmen müssen: Mit dem Ergebnis können beide Seiten mehr als zufrieden sein. Noch am Montag hatte Lufthansa-Chef Carsten Spohr eher zurückhaltend geklungen. „Wenn die Tarifparteien eine Einigung bewerten, sollten sie möglichst beide die Note drei geben, sonst ist es kein guter Ausgleich“, so der Konzernlenker.

Wie es bei der Lufthansa besser werden soll

Der Abschluss hingegen verdient für beide Seiten die Note zwei, denn er setzt Maßstäbe weit über die Branche hinaus. Das liegt nicht nur daran, dass das Paket am Ende mehr als 20 Verträge aus allen Bereichen der Arbeitsverträge umfasst. Es schafft das Kunststück, zum einen für die Fluglinie die Kosten um mehr als zehn Prozent deutlich zu senken und fast drei Jahre Ruhe und Planungssicherheit zu geben.

Lufthansa spart Kosten

Zum anderen sichert er der Belegschaft einen Teil ihrer heutigen Besitzstände und wertet den Berufstand Flugbegleiter quasi akademisch auf. Und zu guter Letzt erhöht er den sozialen Druck auf die Piloten, ihrem Arbeitgeber nach ihren Kompromissen bei der Billigtochter Eurowings nun auch im Premiumgeschäft der Lufthansa entgegen zukommen.

Den größten Vorteil hat die Lufthansa: Denn die Einigung bringt ihr in mehreren Bereichen eine überfällige Kostenentlastung von nach Angaben der Airline gut zehn Prozent.

Der stammt zum einen aus der moderaten Gehaltsrunde. Wichtiger ist der größte Streitpunkt: der Übergangsversorgung, falls ein Mitarbeiter vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze arbeitsunfähig wird. Das ist in der Fliegerei ein dringenderes Problem als anderswo, weil ein arbeitsunfähiger Mitarbeiter in der Regel keine außerhalb des Flugzeugs gültige Ausbildung hat. Hier musste die Gewerkschaft hinnehmen, dass die Airline künftig nicht mehr die Rentenhöhe garantiert, sondern die Zahlungen in einen Fonds auf rund fünf Prozent des Grundgehalts begrenzt. Dafür konnte die Gewerkschaft durchsetzen, dass der Mitarbeiter den angesparten Betrag als Zusatzrente bekommt, falls er bis zur Rente durchhält.

Zweiter Nutzen für die Lufthansa ist die offizielle Bestätigung einer Leichtlohngruppe. Zwar sinken die Gehälter nicht offiziell. Doch mehr als 2150 Euro pro Monat sowie Zahlungen für die finanzielle Brücke zur Rente bekommen künftig nur noch Mitarbeiter mit einer Zusatzausbildung.

Dafür richtet die Lufthansa mit den Industrie- und Handelskammern eine 18-monatige Ausbildung „auf Bachelorniveau“ ein. Mit anderen Worten: An Bord der Lufthansa servieren künftig Quasi-Akademiker. Das hebt nicht nur das Selbstbewusstsein der im Volksmund als Saftschubsen abgetanen Flugbegleiter. Es erleichtert auch strengere Ansprüche an den Service bis hin zur Qualitätsnote 5 Sterne, für Spohr ein Pfeiler seiner Strategie: „Wir müssen um das besser sein, was wir als deutsche Linie teurer sein müssen.“

Im Gegenzug kam die Lufthansa ihrer Kabinengewerkschaft gleich mehrfach entgegen. So soll bis 2021 kein Flugbegleiter den Job verlieren. Dazu versprach die Linie, bis 2023 kein Fremdpersonal von Zeitarbeitern oder anderen Linien einzusetzen.

Doch wie viel diese Versprechen Wert sind, zeigt sich erst in der nächsten Krise. Genauer dann: Wenn Spohr angesichts des absehbar schärferen Wettbewerbs oder auch nur wieder steigender Spritkosten weitere Kostensenkungen braucht.

Dann ist das Spiel trotz der Einigung wieder mehr oder weniger offen. Denn bei allem Entgegenkommen hat Spohr sein größtes Druckmittel nicht aus der Hand gegeben. „Wir werden künftig vor allem dort wachsen, wo die Kosten am günstigsten sind“, stellte Spohr einen Tag vor dem Abschluss noch mal klar. Und das heißt dann, im Ernstfall: Ohne weiteres Entgegenkommen gibt es dann zusätzliche Jobs entweder bei den ausländischen Konzerntöchtern oder gleich bei den neuen Gesellschaften im neuen Partnermodell der Eurowings.

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