In der Öffentlichkeit liefern sich Manager von Lufthansa und Etihad gern hitzige Wortgefechte. Im kleinen Kreis hingegen läuft die Zusammenarbeit schon gut. So schaffte es vorige Woche ein Team aus Etihad-Vize Peter Baumgartner und Lufthansa-Verkaufschef Jens Bischof auf einem Branchentreff des Reiseveranstalters L’Tur in einem Wettbewerb als Erste einen Baumstamm durchzusägen. Die beiden stimmten ihre Bewegungen deutlich besser aufeinander ab als die Gegner. „Wir kennen uns mit dicken Brettern eben aus“, scherzten die beiden beim Siegerfoto.
Auf eine ähnlich gute Zusammenarbeit mit Lufthansa hofft die Airline aus Abu Dhabi nun in einer viel drängenderen Frage. Es geht um die Rettung von Etihads größtem Sorgenkind: Air Berlin. Hier bestätigen Insider beider Airlines einen Bericht des Handelsblatts.
Lufthansa und Etihad haben sich demnach unterhalten, unter welchen Umständen Deutschlands größte Airline fast alle Air-Berlin-Flüge abseits der Drehkreuze Berlin und Düsseldorf übernehmen könnte. Es geht um bis zu 40 Flugzeugen und 1500 Mitarbeitern. „Da wird seit Wochen verhandelt“, erklärt einer, der es wissen muss. Doch näher gekommen sind sich die Kontrahenten nicht.
Das ist kein Wunder. Zwar hilft der Deal auf den ersten Blick allen Parteien: Air Berlin bekäme viel Geld und Lufthansa könnte die stockend angelaufene Billigtochter Eurowings günstig vergrößern. Doch tatsächlich wäre ein solcher Deal extrem schwer.
Er brächte nicht nur die größte Neuordnung der deutschen Flugbranche seit Air Berlin in 2006 und 2007 fast alle heimischen Wettbewerber wie DBA und LTU schluckte. „Vor einer Einigung droht ein stellenweise verzweifeltes Pokerspiel, das nicht nur Etihad-Chef James-Hogan, sondern auch Lufthansa-Lenker Carsten Spohr und am Ende auch die Politik zu einer Reihe verdammt unangenehmer Entscheidungen zwingen wird“, sagt ein Branchenkenner.
Skytrax-Ranking: Die besten Airlines der Welt
Hainan Airlines
Vorjahr: Rang 12
Etihad Airways
Vorjahr: Rang 6
Lufthansa
Vorjahr: Rang 10
EVA Air
Vorjahr: Rang 8
Cathay Pacific
Vorjahr: Rang 4
Emirates
Vorjahr: Rang 1
ANA All Nippon Airways
Vorjahr: Rang 5
Singapore Airlines
Vorjahr: Rang 3
Qatar Airways
Vorjahr: Rang 2
1. Die Karten von Air Berlin
Am leichtesten fällt der Deal sicher noch Air Berlin selbst. Zwar spielt die aktuelle Führung selbst offenbar keine große Rolle, denn Strippenzieher ist die Staatslinie aus Abu Dhabi. Der gehören zwar nur knapp 30 Prozent von Air Berlin, „doch de facto hat Etihad in fast allen Bereichen längst das Sagen“, sagt ein Insider.
So führt die Verhandlungen über die Zukunft statt Air Berlin-Chef Stefan Pichler nun großenteils der ehemalige Finanzchef Ulf Hüttmeyer. Der war eigentlich von Pichler in die oberen Etihad-Ränge weggelobt worden.
2. Die Karten von Etihad
Hüttmeyers Blatt ist schlecht, Gründe Air Berlin loszuwerden, gibt es umso mehr: Obwohl die Linie aus Abu Dhabi unter dem Strich weit mehr als eine Milliarde Euro in die deutsche Tochter gepumpt hat, geht es nicht aufwärts. Air Berlin musste bereits fast alles Wertvolle verkaufen. Trotzdem braucht die Linie weiter Geld.
Das Eigenkapital ist seit 2013 negativ, so dass die Linie unterm Strich kein echtes Vermögen mehr besitzt. Sie hat den letzten ihrer einst gut 80 Jets verkauft. Nun muss sie die Jets zurückmieten. Die Investmentbank HSBC prognostizierte Air Berlin schon den für Untote reservierten Aktienkurs von einem Cent.
Dazu läuft das Geschäft trotz aller Sparmaßnahmen immer noch extrem mies. Im ersten Quartal legte die Linie pro Passagier im Schnitt gut 33 Euro drauf. Und wenn Pichler am 11. August die Zahlen für das erste Halbjahr vorlegt, werden die kaum besser ausfallen. Doch die Nachfrage ist zuletzt stark gesunken und trotz einer Welle von Sonderpreisen bleiben die Jets leerer als im Vorjahr. Dabei hatte Pichler das Angebot im ersten Halbjahr das Angebot um fast fünf Prozent gekappt.
Selbst wenn Air Berlin nun in der Hauptreisezeit Sommer wieder Geld verdient, drohen spätestens ab Herbst wieder wachsende Verluste.
So bleibt der Fluglinie nur eine Geldquelle: sich selbst in Teilen zu verkaufen - beziehungsweise sich von Etihad verkaufen zu lassen.
In Frage kommt nur ein Teil. „Da Hauptaktionär Etihad besonderen Wert auf die Langstreckenflüge aus Berlin und Düsseldorf legt, bleibt da nur der dezentraler Verkehr. Es geht also vor allem um die Flüge ab Köln, Hamburg und München“, so ein Konzernkenner. Und eigentlich bleibt wohl auch nur eine echte Verkaufschance. „Da die Verhandlungen mit Easyjet aus Großbritannien gescheitert sind, bleibt jetzt nur noch ein möglicher Käufer: die Lufthansa.“
Das Problem: Ein Teilverkauf würde Air Berlin - wie schon beim Verkaufen und Zurückmieten der Jets - nicht auf Dauer retten. „Das brächte einmal Geld, doch Einnahmen aus dem dezentralen Verkehr fehlen dann und die Verluste steigen“, fürchtet ein Air-Berlin-Insider.
Damit hat Hüttmeyers nur einen Trumpf: Er kann mit dem eigenen Untergang drohen. Wenn Lufthansa nicht kauft, könnte Air Berlin vom Markt verschwinden. Dann würden sofort andere Linien wie Ryanair, Easyjet oder Norwegian in die Lücke stoßen. Weil die mehr Geld auf der hohen Kante haben, könnten sie die heutigen Preise von Lufthansa und Eurowings massiv unterbieten. Einen solchen Preiskampf kann sich Air Berlin schlicht nicht erlauben.
3. Das Blatt von Lufthansa
Die Hand von Lufthansa-Chef Carsten Spohr ist deutlich besser, aber nicht so gut, wie es scheint. Zwar braucht Lufthansa eine Air Berlin mini derzeit nicht. Abseits der Flughäfen Köln, Hamburg und München bringt Air Berlin keine große Ergänzung und in den drei Städten ist Lufthansa stark genug.
Dazu passt eine Übernahme von Air Berlin der Lufthansa derzeit nicht so recht in den Plan. Air Berlin wäre zwar ein idealer Kandidat für den geplanten Ausbau der Billigtochter Eurowings. Die will Spohr zu Europas drittgrößtem Billigflieger erweitern und dafür vor allem andere Airlines in den Unternehmensfarben Brombeer und Himmelblau anmalen. Doch dabei fliegt die Linie hinter Plan. „Bevor wir expandieren, müssen wir zuerst unsere Basis wetterfest machen“, erklärte Garnadt jüngst im Gespräch mit der WirtschaftsWoche.
Gleichzeitig hat eine auf Köln, Hamburg und München gestutzte Air Berlin wenig anzubieten. „Da ihr die Flugzeuge nicht gehören und die Marke wegfiele, wären das nur die Startzeiten und die Besatzung“, so ein führender Manager eines Flughafens. Die Piloten und Flugbegleiter kann Lufthansa zwar gut brauchen. Doch schon bei den Startzeiten wird es eng. „Denn die gehören streng genommen nicht der Linie, sondern werden von staatlichen Flughafen-Koordinatoren etwas mehr als ein Jahr im Vorausvergeben – und auch wieder eingezogen, wenn sie eine Airline nicht nutzt“, so der Airportmanager.“
Dazu brächte ein Deal jede Menge Arbeit mit sich. Da Eurowings kein Interesse an den teuer zurückgemieteten Air-Berlin-Jets hat, müsste sich die Lufthansa-Tochter neue Jets besorgen – oder hoffen, dass die Air-Berlin-Vermieter mit den Raten runtergehen. „Mit einer Lufthansa ins Geschäft zu kommen, müsste denen einen Abschlag wert sein“, lautet die Hoffnung bei Air Berlin.
Aber auch dann ginge die Arbeit weiter. Vor dem Start müsste Garnadt Air Berlin wohl erstmal kräftig umbauen. „Im Augenblick fliegen die zu höheren Kosten als Eurowings“, weiß ein Lufthansa-Insider.
Trotzdem kann Spohr den Deal nicht einfach beiseite wischen. Zum einen muss er nach den vielen Ankündigungen zum Ausbau von Eurowings endlich einen Partner vorweisen, glaubt ein Aufsichtsratsmitglied: „In unserem Gremium werden die Fragen für ihn allmählich etwa unangenehm und andere Partner als Air Berlin sind derzeit nicht in Sicht.“
Wie es bei der Lufthansa besser werden soll
Service: | andere sind besser |
Lösung: | mehr und besser maßgeschneiderte Angebote |
Kosten: | sind zu hoch |
Lösung: | schlankere Abläufe und neue Ansätze |
Veränderungen: | dauern viel zu lange |
Lösung: | Probierkultur statt perfekt geplanter Programme |
Wartungstochter: | Technologievorsprung bröckelt |
Lösung: | neue Geschäftsfelder mit anspruchsvolleren Produkten |
Fracht: | wachsende Billigkonkurrenz |
Lösung: | automatisierte Abfertigung und neuer Hightechservice |
Zudem sorgt die Lufthansa tatsächlich, dass nach dem Ende von Air Berlin vermehrt andere Billiglinien ins Land drängen. Zwar sieht sich Garnadt offiziell zumindest mittelfristig gut gewappnet. „Doch unsere Kosten sind leider erst wettbewerbsfähig, wenn wir den Umbau hinter uns haben“, räumt ein Lufthansa-Insider ein. „Bis dahin wäre es gut, wenn wir eine Air Berlin hätten - bei uns oder als selbständiges Unternehmen, auch wenn da jetzt so einiges dagegen spricht.“
Für einen solchen Deal brauchen Lufthansa und Etihad freilich die Hilfe der Politik. Dazu gehört eine Erlaubnis einen Teil von Air Berlin trotz aller kartellrechtlichen Fragen übernehmen zu dürfen und die Augen zudrücken, wenn die staatliche Etihad den unprofitablen Rest noch eine Weile am Leben hält.
4. Die Hand der Politik
Sollte Lufthansa am Ende Air Berlin zum Teil übernehmen wollen, erweckt das eine Diskussion, die vor der Bundestagswahl keiner Partei so recht in den Plan passt. „Das ginge am Ende nur mit einer sehr pragmatischen Auslegung des Rechts“, ahnt ein Lufthansa-Insider.
Die erste Hürde wäre das Kartellrecht. Hier setzen Lufthansa und Etihad darauf, dass auch bei einem Zusammengehen noch genug Wettbewerb in Form ausländischer Billigflieger da wäre.
Doch das kann täuschen. In München und Köln sowie mit Abstrichen in Hamburg wäre ein Verbund Lufthansa/Eurowings/Air Berlin klar der Marktführer. Auf Routen wie Hamburg-München wäre die Gruppe sogar Monopolist. „Was das für die Preise heißt, konnten wir auf der Route Hamburg-Frankfurt sehen. Nach dem Ausstieg von Air Berlin hatte Lufthansa fast keine Sonderangebote mehr“, so ein führender Flughafen-Manager.
Das könnten auch die Wettbewerbshüter so sehen. „Warum sollte es besser laufen als bei der Übernahme von Tengelmann durch Edeka. Da ging um viel geringer Marktanteile“, sagt ein Kenner der Lufthansa.
Ähnlich wackelig könnte es in der Frage Staatshilfen aus Abu Dhabi für die Rest-Air-Berlin werden. Allerdings werben besonders die Länderchefs von den Air-Berlin-Hochburgen, Berlin und Nordrhein-Westfalen, für mehr Großzügigkeit.
Schließlich fielen mit einem Ende von Air Berlin nicht nur jede Menge Langstreckenflüge in den Rest der Welt weg. Das Aus der zweitgrößten Linie könnte auch bis zu 15.000 Jobs kosten. „Daran will keiner Schuld sein“, so ein Air-Berlin-Insider.
Somit traut sich am Ende keiner ein endgültiges Urteil zu, ob der Deal nun klappt oder nicht. „Wie bei jedem Pokerspiel kommt es darauf an, ob einer nun zur falschen Zeit blinzelt oder nicht“, sagt einer der Insider. „Und hier gibt es viele Momente, um falsch zu blinzeln.“