Über ihre eigenen IT-Systeme können die Linien hingegen nicht nur vordefinierte Tickets verkaufen, sondern auch individuelle Extras. Die Airline werde ihre Leistungen künftig "mit maßgeschneiderten Preisangeboten und zusätzlichen Services flexibler und modularer anbieten", heißt das etwa im Sprech des Lufthansa-Konzerns, der zuletzt mit der Staffelung der Economy-Tarife für Aufsehen sorgte.
Die Einnahmen durch Extras wie zusätzliche Gepäckstücke, Sitzplatzreservierungen oder Lounge-Zugang sind für die Airlines eine wichtige Geldquelle. Während die Umsatzrendite der Flugtickets nach jahrelangem Preiskampf wenige Prozent beträgt, liegt sie bei den Zusätzen schon mal bei einem Drittel und mehr.
Die sechs größten Baustellen der Lufthansa
13 Mal haben die Piloten der Lufthansa in den vergangenen gut eineinhalb Jahren gestreikt. Die Vereinigung Cockpit sorgt sich, dass die Piloten unter anderem Abstriche Altersvorsorge hinnehmen müssen - und trotzdem immer mehr Jobs aus dem Tarifvertrag ausgelagert werden. Sie liefern dem Konzern deshalb den härteste Arbeitskampf in seiner Geschichte. Das ist nicht der einzige Knatsch mit dem Personal: Die Flugbegleiter von Ufo sind etwas moderater unterwegs, wollen aber auch ihre tariflichen Besitzstände verteidigen.
Carsten Spohr hat die Lufthansa auf eine Strategie mit zwei sehr unterschiedlichen Plattformen festgelegt, die jetzt gerade erst anlaufen. Die Kernmarke Lufthansa soll bei gleichzeitiger Kostensenkung zur ersten Fünf-Sterne-Airline des Westens aufgewertet werden - eine Luxus-Auszeichnung des Fachmagazins Skytrax, die bislang nur Airlines aus Asien und dem Mittleren Osten erreicht haben. Am anderen Ende der Skala steht künftig „Eurowings“, die nur noch als Plattform für die diversen und möglichst kostengünstigen Flugbetriebe des Lufthansa-Konzerns dienen soll. Die ersten Eurowings-Langstrecken ab Köln werden beispielsweise von der deutsch-türkischen Gesellschaft Sunexpress geflogen. Noch komplizierter wird das Angebot durch die Strategie, auf beiden Plattformen jeweils unterschiedliche Service-Pakete anzubieten.
So richtig gut läuft es für die Lufthansa mit ihrem schwierigen Heimatmarkt Zentraleuropa eigentlich nur in den Neben-Geschäftsbereichen Technik und Verpflegung. In ihrem Kerngeschäft der Passagier- und Frachtbeförderung fliegt die Lufthansa unter dem Strich Verluste ein. Spohrs Plan, Wachstum nur noch in kostengünstigen Segmenten stattfinden zu lassen, bedeutet eigentlich einen Schrumpfkurs für die Kerngesellschaft der Lufthansa Passage. Doch den Mitarbeitern wird Wachstum auch dort versprochen.
Sinkende Ticketpreise sind gut für die Passagiere, knabbern andererseits aber an den schmalen Margen der Fluggesellschaften. Bereits im vergangenen Jahr sind die Erlöse auf breiter Front um drei Prozent zurückgegangen. Der zuletzt stark gesunkene Kerosinpreis begünstigt derzeit Gesellschaften, die sich nicht gegen starke Preisschwankungen abgesichert haben. Lufthansa gehört nicht dazu, sondern hat einen Großteil ihres Spritbedarfs für die kommenden zwei Jahre bereits abgesichert und leidet zudem an der ungünstigen Währungsrelation zwischen Euro und Dollar. Um ihre Tickets zu verkaufen, muss sie aber die Kampfpreise der Konkurrenz halten.
In regelmäßigen Abständen verlangt Lufthansa politischen Schutz vor dem angeblich unfairen Wettbewerb durch Fluggesellschaften vom Arabischen Golf. Zuletzt stimmten auch die großen US-Gesellschaften in den Chor ein. Aber es bleibt dabei: Emirates, Qatar Airways und Etihad lenken mit immer größeren Flugzeugen tausende Fluggäste aus Europa über ihre Wüstendrehkreuze und haben bereits weite Teile des Verkehrs nach Südostasien und Ozeanien fest im Griff. Um streitbare Gewerkschaften, hohe Gebühren und Sozialabgaben oder Nachtflugverbote an ihren Heimatbasen müssen sich die Araber keine Gedanken machen. Zudem ändern die europäischen Billigflieger ihr Geschäftsmodell und werden für Geschäftsleute immer attraktiver. So folgt Ryanair dem Vorbild von Easyjet und verlässt die Provinz-Flughäfen. Am Eurowings-Drehkreuz Köln-Bonn treten die Iren demnächst sogar wieder mit Inlandsflügen nach Berlin an.
Auf Hilfe aus Berlin oder Brüssel hat die Lufthansa in den vergangenen Jahren meist vergeblich gewartet. Die nationale Luftverkehrssteuer verteuert Tickets für Flugreisen von deutschen Flughäfen. Sie bietet zudem der europäischen Konkurrenz Anreize, Umsteiger auf die eigenen Drehkreuze zu locken. Grenznah lebende Passagiere können gleich ganz auf ausländische Flughäfen und Airlines ausweichen. Den häufig angemahnten nationalen Luftverkehrsplan gibt es auch immer noch nicht. Dafür unsinnige Subventionen für Regionalflughäfen, die bislang das Geschäftsmodell der Billigflieger gestützt haben.
Schafft es die Lufthansa, die Kunden ohne nennenswerten Verlust auf die eigene Buchungsseite zu ziehen, bringt ihr das zudem nicht nur mehr Geld. Sie bekäme auch sehr viel mehr Daten über die Passagiere als bislang. Das ließe sich nutzen, um direkt mit Kunden Kontakt aufzunehmen, etwa um ihnen gewinnbringende Extras vor dem Flug leichter verkaufen zu können – per E-Mail zum Beispiel.
Unter anderem Malaysia-Airlines-Chef Christoph Müller spielte bereits öffentlich mit der Idee, die Preise für Tickets künftig auch anhand der bisherigen Buchung festzulegen. Dank der Daten aus den eigenen Buchungssystemen bekämen die Linien ihre Flieger zum für sie besten Preis voll. Das Nachsehen hätten Kunden und Reisebüros, die auf der Suche nach dem Bestpreis verschiedene Anbieter und Portale miteinander vergleichen müssten.
Sonderfall Lufthansa
Kein Wunder also, dass der Kunden-Schreck der Lufthansa für andere Airlines als Vorbild taugt. Doch bis sie einen ähnlichen Schritt gehen, könnte es sich noch eine Weile hinziehen. Zum einen können viele die Gebühr noch gar nicht erheben. "Lufthansa war ein Sonderfall, weil bei den Kollegen die Verträge mit den GDS ausgelaufen sind", erklärt etwa Alexandre de Juniac, Chef von Air-France-KLM. "Unsere hingegen laufen noch und binden uns."
Zum anderen wollen viele Gesellschaften erst mal abwarten, ob sich das System durchsetzt, heißt es aus der Branche. Holt sich Lufthansa mit ihrem Vorstoß keine blutige Nase, dürften fast alle Fluglinien nachziehen.
Allein der Gedanke daran lässt in den Reisebüros die Alarmglocken schrillen. "Unsere Befürchtung ist natürlich, dass das Vorgehen der Lufthansa Schule macht", sagt eine Sprecherin des Deutschen Reiseverbands. "Es wäre Irrsinn, wenn plötzlich jede Fluglinie auf ihr eigenes Buchungssystem setzt und ein Rückschritt in vorsintflutliche Buchungsmethoden von vor Jahrzehnten."