Lufthansa Was Sie in der Business Class erwartet

Edle Einrichtung im Lufthansa-Flieger Quelle: Presse

Für ihre neuen Boeing-Langstreckenjets verspricht die Lufthansa den besten Business-Sitz der Branche. Wie der aussehen soll, verrät ein Besuch in der geheimen Sitzwerkstatt des Konzerns.

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Wer Passagiere nach den Vorzügen der Lufthansa fragt, hört viel von Zuverlässigkeit oder Sicherheit. Nur ein Wort fällt zum Ärger von Konzernchef Carsten Spohr eher selten: Top-Service. Schuld daran ist nicht zuletzt die Business Class auf der Langstrecke. Die hat bei Skytrax, dem wichtigsten Qualitätsprüfer der Branche, mit 3,5 Sternen von 5 möglichen die schlechteste Wertung aller Lufthansa-Service-Angebote.

Das soll nicht länger so bleiben, verspricht Andreas Otto. „Wir haben bald den besten Business-Class-Sitz der Branche“, sagt der unter anderem für den Service zuständige Vorstand im Lufthansa-Fluggeschäft. Läuft alles nach Plan, fliegt der neue Sitz in gut zwei Jahren, wenn die Lufthansa die ersten ihrer neuen Großraumjets vom Typ Boeing 777-9 bekommt. Später sollen schnell die anderen Langstreckenmodelle folgen.

Auf den Bildern, die Lufthansa Ende voriger Woche über Twitter verschickte, wirkte der Sitz zwar nicht wie seine Vorgänger schon bei der Einführung veraltet. Er hatte allerdings auch keine offensichtlichen Pluspunkte zu den Sitzen Konkurrenz.

Anders als bei der 2012 gestarteten heutigen Business Class muss nun bei Lufthansa kein Kunde mehr beim Weg zum Gang über einen Mitreisenden klettern. Dazu kommen größere Monitore für die Bordunterhaltung und höhere Trennwände sorgen für mehr Privatsphäre – wie bereits bei fast allen Konkurrenten. Sitzposition, Beleuchtung, Lüftung und Bordunterhaltung können die Kunden nun über einen handgroßen Touchscreen am Platz steuern. Doch das sind lauter Dinge, die außer Lufthansa schon fast alle anderen größeren Fluglinien haben und das teilweise schon seit zehn Jahren.

Allerdings täuscht der Eindruck. Wer sich davon überzeugen will, muss Lufthansa-Servicechef Otto in einer gesichtslosen, braunen Lagerhalle am Ostende von Raunheim treffen.

Der Zweckbau findet sich zwischen S-Bahn-Strecke, Logistikhallen und der Einflugschneise des nahen Frankfurter Flughafens. Hier hat die Lufthansa ihr Mock Up Center genanntes Entwicklungszentrum, „der wahrscheinlich geheimste Ort im Konzern“, scherzt Otto zur Begrüßung. Auf den rund 1000 Quadratmetern entwickelt die Lufthansa seit 12 Jahren sämtliche Serviceneuerungen.

Dazu zählen nicht nur alle Sitze von der Holzklasse bis zur First Class, an denen die Designer und Techniker hier arbeiten. Auch an der Einrichtung von Bordküchen und Toiletten feilt die Lufthansa hier ebenso wie an den Abläufen an Bord. Und wenn die Linie ein neues Flugzeugmodell bekommt, wie in diesem Jahr den Airbus A320neo oder den A350, testet sie hier wie sie die Einrichtung am besten anpasst.

Die Vorzüge des neuen Sitzes

Die Abgeschiedenheit ist in der neuen Business Class auf der Langstrecke erstmals so richtig gerechtfertigt. Das Abteil ist der wichtigste Geldbringer der Lufthansa und bringt pro Quadratmeter etwa doppelt so viel ein wie die Economy Class. Doch angesichts der vielen Konkurrenten und der immer knauserigen Reisevorschriften der Unternehmen gehen die Buchungen für das Premiumabteil zurück. Wer es bucht, erwartet einen besonders hohen Gegenwert.

In der Folge sind Fehler im Design umso teurer. So startete Singapore Airlines vor rund einem Jahrzehnt eine großzügige Business Class. Doch weil besonders Europäern die Liegefläche zu klein war, musste Singapore Airlines sie schneller als geplant wieder ersetzen – ein kostenintensives Unterfangen. Darum arbeitet und testet die Lufthansa hier in Raunheim besonders aufwändig und gründlich und schirmt alles ab, damit die Konkurrenz – besonders jetzt wo die Lufthansa endlich mal ein gutes Design hat – die Ideen nicht klaut.

Wer die Halle betritt, ist dann aber erstmal eher unterwältigt. Keine Spur von den neuen Business-Sesseln und schon gar kein Glamour wie in den Nobelabteilen an Bord. Von oben versucht eine laute Heizung den riesigen und etwas zugigen Raum zu wärmen. Am Eingang stehen ein paar der heutigen Business-Class-Sessel achtlos im fahlen Tageslicht. Weiter hinten sind zwei Sitzreihen der Holzklasse. Sonst nichts. „Wir haben für Sie etwas umgeräumt“, sagt Otto verschmitzt. So steckt alles woran er und sein Team gerade arbeiten, vor neugierigen Blicken geschützt, in neun großen weiß getünchten Sperrholzbauten mit zugehängten Eingängen.

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Bevor Otto die öffnet, beschreibt er erstmal die verborgenen Qualitäten des Sitzes. Jeder Kunde hat mindestens gut zehn Prozent mehr Platz als bisher und findet rund um den Sitz deutlich mehr Staufächer und Ablagen. Es gibt mehrere USB-Anschlüsse, über die Reisende auch die Inhalte des Bordunterhaltungssystems auf ihrem persönlichen Endgerät abspielen können. Wer sein dafür geeignetes Handy neben sich auf die Konsole legt, bekommt es drahtlos über Qi-Standard geladen. Die Matratzen lassen die Schultern von Seitenschläfern so tief einsinken, dass die keinen krummen Rücken bekommen. Damit es noch bequemer wird, belegen die Flugbegleiter die Liegefläche gerne mit einer ein paar Zentimeter dicken Auflage.

Zu guter Letzt verspricht Otto mehr Ruhe an Bord. Wie in der Lufthansa-First-Class sorgen dafür leicht schalldämmende Wandbezüge und Bodenbeläge. Und weil in der Mitte keine Gepäckfächer mehr hängen – ebenfalls wie in der First Class – sollen sich die verbliebenen Geräusche leichter im Raum verlieren.

Klettern sollen die Passagiere nicht

Endlich öffnen Otto und sein Team den Container mit dem neuen Sitz für die Besucher. Sogleich sinkt die Begeisterung der Gäste. Da stehen lediglich in Farbe und Form vier recht unterschiedliche Sessel mit komplett unterschiedlichen Bezügen in einem rund zwölf Quadratmeter kleinen Kabuff. Die Monitore sind ebenso Attrappen wie ein Teil der Halterungen für Flaschen oder Zeitungen und auch die Polster, die sich nicht alle ohne Weiteres verstellen lassen. Und das die Sitzprototypen leicht wackeln, wirkt auch nicht so recht Premium.

Die Skepsis scheint Ottos Mitarbeiter Frank Meier zu spüren. Und sofort versucht der für den Service zuständige Manager gegenzusteuern und erklärt den tieferen Sinn der Vielfalt. Bisher waren bei Lufthansa wie bei fast allen Fluglinien alle Sitze mehr oder weniger gleich. Nun gibt es größere Unterschiede. „Wir gehen hier von Bedürfnistypen zu Bedürfniszonen“, so Maier.

Hinter der leicht missverständlichen Formulierung stehen vier unterschiedlich stark umbaute Sitzplätze. Da ist zum einen der alleinstehende vom Gang kaum einsehbare Fensterplatz, „besonders für Alleinreisende, die ungern neben Fremden sitzen“, erklärt Maier. Sitztyp zwei in der Reihe ist ein zum Gang relativ offener Platz für alle, die Kommunikation und Clubatmosphäre schätzen – und denen es nichts ausmacht, wenn ihnen jemand beim Schlafen zusieht. Variante drei ist eine Art Thron mit breiten Seitenablagen für Geschäftsreisende, die unbedingt viel Platz für die Arbeit an vertraulichen Unterlagen brauchen. Und zu guter Letzt ist da noch eine Art Doppelsitz mit einer absenkbaren Trennwand für alle, die mit Kollegen oder gar mit Partner reisen – auch wenn der Abstand etwas groß ist, um die Köpfe zusammenzustecken.

Womit die Lufthansa ihr Geld verdient

Wer dann ein wenig am Sitz herumspielt, entdeckt noch ein paar weitere Extras. So lassen sich wie beim heutigen Sessel die Armlehnen absenken, was die Liegefläche rund 70 Zentimeter breit macht. Und auch die einzelnen Fächer sind nun fast alle ohne große Verrenkungen erreichbar.

Die Sitze erlangten ihre heutige Form in einem dreistufigen Prozess. Begonnen haben Otto und sein phasenweise 20-köpfiges Team bereits vor drei Jahren – kurz nachdem sie mit dem heutigen Business-Sitz fertig waren. „Nach dem Spiel ist bei uns vor dem Spiel“, kalauert Otto. Seitdem haben sie sich nicht weniger als 107 Varianten von Sitzherstellern und Designern angesehen. Darunter waren eine Menge ungewöhnlicher bis irrer Ideen, etwa eine Variante, bei der die Sitze leicht versetzt übereinander lagen und die Gäste entweder herab- oder hochsteigen mussten. Das hätte zwar viel teuren Platz gespart, aber die Kletterei wollte niemand den Passagieren zumuten.

Auch die Vorstände müssen ran

Die praktikablen Ideen haben die Lufthansadesigner zusammengetragen und allmählich auf fünf Varianten eingeengt. Geholfen hat dabei die Londoner Design-Agentur Pearson Lloyd – und jede Menge Kunden. Die konnten sich die vielen Ideen zunächst auf eigenen Internetseiten und teilweise auch in 3D-Animationen ansehen und bewerten.

Als es dann nur noch ein halbes Dutzend Varianten waren, begann der Job der Lufthansa-eigenen Schreiner. Die bauten die Modelle nach und steckten sie in die kleinen Holzabteile. „Trotz aller Fortschritte beim digitalen Design und virtueller Realität: Ein Sitz lässt sich nur beurteilen, wenn man ihn anfassen und nutzen kann“, so Otto.

Und das tun bei der Lufthansa zunächst die Design-Profis und dann die Vorstände. Immer wieder verbringen Konzernchefs wie Carsten Spohr die Nacht in einem der Modelle. Und sie prüfen nicht nur die Premiumsessel. Um den Economysitz zu testen, kam vor ein paar Jahren der ehemalige Chef Wolfgang Mayrhuber nach einer längeren Dienstreise vorbei mit seinem Postkorb und erledigte im Gestühl mehrere Stunden lang die Korrespondenz.

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Der Kern des Tests sind jedoch die Kunden. Mehr als 10.000 Vielflieger waren in den vergangenen zwölf Jahren bereits hier in Raunheim und haben probegesessen und -gelegen. Doch nie war das Verfahren aufwändiger als dieses Mal. Fast ein Dutzend Mal suchte die Lufthansa aus ihren Miles-&-More-Kunden eine Gruppe aus, die gemessen an Gewicht, Körperbau und Ansprüchen das ganze Spektrum ihrer Passagiere widerspiegelte. Die schickte sie mit einem Tablet und gut 100 Fragen durch die Modelle – und befragte sie was ihnen fehlt. Als dann alle Varianten ausgereizt waren, traf sich schließlich der erweiterte Vorstand in Raunheim und traf eine Entscheidung.

Doch auch wenn es noch gut zwei Jahre bis zum Start sind, herrscht keine Ruhe. Denn fertig ist erstmal nur die Vorstellung der Lufthansa. Nun geht es darum, den Sitz und seine Technik an die Bedingungen an Bord anzupassen. Dabei werden noch jede Menge Kleinarbeiten fällig. Nach den Designern ist nun vor allem der – noch geheim gehaltene – Hersteller dran, zu bestimmen wie genau der Sitz gebaut wird. Denn ebenso wichtig wie das Aussehen ist, dass der Sitz möglichst leicht ist und viel aushält. Dazu sollen die Techniker im Ernstfall alle Teile oder auch den ganze Sitz ohne große Umstände wechseln oder nachrüsten können. „Es soll nicht wie beim letzten Umbau eine Milliarde Euro kosten und drei Jahre dauern bis alle unsere Flugzeuge den Sitz haben“, so Otto.

Auch in Raunheim herrscht keine Ruhe. Denn nun ist nach dem Business-Class-Sessel das Gestühl der Premium Economy und der Economy dran.

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