Lufthansa Was Spohr mit Brussels Airlines und SAS vorhat

Warum Lufthansa-Chef Spohr die belgische Brussels Airlines trotz der gegenwärtigen Probleme kaufen will – aber von der skandinavischen SAS vorerst lieber die Finger lässt.

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Lufthansa-Logo auf einer Check-In-Maschine. Quelle: REUTERS

Wenn es um den Kauf anderer Fluglinien geht, gilt Lufthansa-Aufsichtsrats-Chef Wolfgang Mayrhuber als extrem vorsichtig. „Man darf nie mit hungrigem Magen einkaufen gehen“, beschrieb der heute 69-jährige mal seine Erfahrungen mit dem problematischen Kauf von Austrian Airlines im Jahr 2009. Österreichs größte Fluglinie übernahm Mayrhuber, weil auch andere Linien wie Air France KLM mitboten. Außerdem war die Übernahme der Swiss im Jahr 2005 gut gelungen. Doch erst 2015 - nach sechs Jahren Sanierung - erwirtschaftete AUA wieder einen bescheidenen Gewinn.

Umso überraschender waren für Branchenkenner zuletzt von Meldungen wie „Lufthansa auf Einkaufstour“. Demnach wollten Mayrhuber und seine Leitungsgremium auf ihrer nächsten Sitzung am kommenden Mittwoch den Kauf von gleich zwei Fluglinien beschließen: Brussels Airlines aus Belgien und die skandinavische SAS.

Der Verdacht lag nahe, denn die beiden Airlines sind für Mayrhuber und Konzernchef Carsten Spohr alte Bekannte. Lufthansa und SAS waren 1997 Gründer des Flugbündnis Star Alliance und betrieben lange Jahre einen Teil ihrer Strecken als Joint Ventures mit gemeinsamer Kasse. An Brussels hält die deutsche Linie seit 2008 sogar 45 Prozent der Anteile. Und laut einem Vertrag darf die Lufthansa die von belgischen Investoren gehaltenen restlichen 55 Prozent übernehmen.

Die sechs größten Baustellen der Lufthansa

Doch jetzt ist klar: die beiden Übernahmen werden so schnell nicht kommen. „Zu Brussels es gibt jetzt noch keine Entscheidung“, sagt ein hochrangiger Insider. „Wie auf fast jeder seiner Sitzungen in den vergangenen Jahren wird der Aufsichtsrat auch auf der Runde am Mittwoch über den Kauf von Brussels reden, aber er wird fast sicher nichts beschließen.“ Die Übernahme von SAS steht sogar überhaupt nicht auf der Agenda. „Die sehen wir weniger als Tochter, sondern eher als eine Art Franchise-Partner, den wir beim Ausbau unserer Low-Cost-Tochter Eurowings andocken könnten“, heißt es bei der Lufthansa.

„Wir arbeiten klar in Richtung Kauf“

Zumindest bei Brussels Airlines wird die aktuelle Zurückhaltung nicht bleiben. „Wir arbeiten klar in Richtung Kauf“, so ein hochrangiger Lufthanseat. „Schließlich macht eine vollständige Übernahme nach wie vor Sinn.“

Finanziell ist Brussels einigermaßen gut im Schuss. Zwar schrieb die Linie bis 2014 Verluste „Doch nach dem Ende der Sanierung arbeitet Brussels so effizient wie eine Low-Cost-Airline“, sagt René Steinhaus, Berater bei A.T. Kearney. „Und sie bietet Lufthansa für einen relativ geringen Einsatz einen interessanten Markt.“

Die Nachfolge-Airline der früheren belgischen Staatslinie verfügt über ein gutes Flugnetz in Afrika. Brussels hat auch in unsicheren oder politisch instabilen Ländern jede Menge Strecken mit überdurchschnittlich hohen Preisen im Programm, die der Lufthansa entweder zu klein oder zu riskant sind. Dazu zählen Ouagadougou in Burkina Faso oder Bujumbura in Burundi.

Auch wo sich die Netze von Brussels und Lufthansa überschneiden wie in der angolanischen Hauptstadt Luanda, Nairobi (Kenia), New York oder Toronto, profitiert die deutsche Linie von einer Komplettübernahme. Dank der zusätzlichen Flüge kann die Lufthansa gerade ihren Vielfliegern mehr Auswahl bei den Umsteigeverbindungen bieten.

Zwar könnte die Lufthansa auf Gemeinschaftsflügen bereits heute ihre Tickets verkaufen. „Doch die Routen vollständig in das Netzwerk und die Vermarktung der Lufthansa Group zu integrieren, ist ein großer Wettbewerbsvorteil“, so Berater Steinhaus.

Zudem ist der Flughafen Brüssel auch bei Vielfliegern  beliebt. Laufwege und Umsteigezeiten  fallen im Vergleich zum Lufthansa-Drehkreuz Frankfurt deutlich kürzer aus. Und die Brussels- Business-Lounge ist mit einem halben Dutzend bester belgischer Bier-Sorten ausgestattet. Fast ebenso reizt die Lufthansa an Brussels der Geschäftsreiseverkehr auf der Kurzstrecke in die Hauptstadt Europas.

Was Lufthansa mit SAS vorhat

Die aktuelle Verzögerung bei der Übernahme kommt nicht daher, dass Mayrhuber und Spohr grundsätzliche Bedenken haben. Die verspätete Landung des Kranichkonzerns in Brüssel ist eine Folge der Terroranschläge, die Europas Hauptstadt am 22. März erschütterte. „Bevor wir da über die Details reden wie wir Brussels in den Lufthansakonzern integrieren, müssen die Abläufe am Flughafen wieder normal laufen“, heißt es in der Lufthansa.

Zwar funktioniert der Flugbetrieb am Brüsseler Hauptflughafen Zaventem wieder einigermaßen. Doch rund ums Terminal läuft es noch ein wenig chaotisch. Einchecken und Kontrollen ziehen sich oft Stunden hin.

Dafür sorgen verschärfte Sicherheitsmaßnahmen. So müssen die Koffer etwa bereits beim Betreten der Fluggastgebäude durchleuchtet werden. Dazu ist die Anreise nach Zaventem beschwerlich. Der Zugverkehr ruht noch und auf der Zufahrt vom Brüsseler Autobahnring werden Autos einzeln kontrolliert.

Das kostet gerade Brussels viele Passagiere. Damit leiden die eher mageren Erträge der Belgier und das drückt auf den Kaufpreis, den Lufthansa für die verbliebenen Anteile zahlen müsste. Der könnte laut der 2008 geschlossenen Vereinbarung zwischen der LH und den belgischen Eigentümern bei bis zu 190 Millionen Euro liegen. „Aber nur wenn Brussels wirklich rund läuft“, so ein Lufthanseat.

Bei der skandinavischen SAS, immerhin der zweite kolportierte Übernahme-Kandidat, liegen die Dinge aus Sicht der Lufthansa anders. Nach einer längeren Sanierung meldete die Airline, an der die Staaten Dänemark, Norwegen und Schweden zusammen die Hälfte der Anteile halten, für 2015 zwar ebenfalls schwarze Zahlen. Doch das führen Branchenkenner wie der Analyst Andrew Lobbenberg von der Investmentbank HSBC nicht zuletzt auf den gefallenen Ölpreis zurück.

SAS spürt reichlich lokalen Gegenwind

Gleichzeitig hat die Drei-Länder-Linie keine Strecken, die beim Ertrag mit den Brussels-Routen nach Afrika mithalten können. Dagegen spürt SAS reichlich lokalen Gegenwind. Auf den kurzen Routen leidet sie nicht nur wie Brussels unter den großen Billigkonkurrenten wie Ryanair, sondern auch unter den Angeboten lokaler Low-Coster wie Norwegian und der ebenfalls extrem effizienten Finnair aus Helsinki. Die Gewerkschaften gelten als überdurchschnittlich streikfreudig  und Norwegen sowie Schweden planen neue Abgaben auf Flugtickets, was die Nachfrage und die Einnahmen der Linie gefährdet.

Darum will Lufthansa-Chef Spohr von einer Übernahme derzeit nichts wissen. „Unsere Mittel für die Übernahme und das Aufpäppeln anderer Fluglinien sind begrenzt", sagt ein Insider.

Trotzdem will Spohr seine skandinavische Allianz-Schwester nicht völlig links liegen lassen. Damit die SAS nicht am Ende doch bei einem der Wettbewerber landet, hat Spohr einen anderen Plan. „Wir sehen die SAS eher als eine Art Franchise-Partner, den wir beim Ausbau unserer Low-Cost-Tochter Eurowings andocken könnten“, heißt es bei der Lufthansa.

Spohr weiß, dass Eurowings trotz erster Erfolge auf Dauer zu klein ist, um gegen die effizienteren Billiggiganten wie Ryanair und Easyjet zu bestehen. Dafür müssten er seinen mit rund 90 Jets relativ kleinen Discounter kräftig ausbauen - auf deutlich über 200 Jets. Doch Spohr scheut nicht nur die Ausgaben für den Kauf von Jets oder neuen Fluglinien. Ihm graust noch mehr vor dem finanziellen Risiko im Betrieb sowie den dann unumgänglichen Rangeleien mit den Mitarbeitern und der Öffentlichkeit in den Heimatländern der übernommenen Linie. „Schließlich gibt es in der Schweiz auch noch heute einen kräftige Bewegung, die glaubt, wir hätten die Swiss viel zu billig bekommen und nicht richtig wachsen lassen“, so ein Lufthanseat.

Also sieht Spohr Eurowings als eine Art Vermarktungsplattform. Hier will er nach eigenen Worten „wie bei einer Steckleiste“, Linien anderer Länder als Dienstleister andocken und so ein europaweites Netz aufbauen. „Dafür ist SAS ideal“, sagt ein Lufthansa-Insider. Aber es kommen auch nach auch andere Partner in Frage, die allein zu klein sind wie Lot aus Polen oder Tap aus Portugal.

Schulterschluss mit Condor

Interesse hat die Kranich-Linie offenbar auch an einer alten Bekannten: Unter Berufung auf drei Insider berichtet die Nachrichtenagentur Reuters, dass die Lufthansa seit Monaten mit dem britischen Reisekonzern Thomas Cook über Condor verhandelt. Lufthansa, Condor und Thomas Cook wollten sich dazu nicht äußern.

Die 46 Flieger große Fluggesellschaft, die lange Jahre selbst zum Lufthansa-Konzern gehörte, könnte Eurowings deutlich stärken. Im Ergebnis könnten die Verhandlungen zu einer Marketing-Kooperation führen, bei der die Lufthansa Flugkapazitäten von Condor einkaufe, so die Insider. Möglich sei am Ende aber auch eine Kapitalbeteiligung oder eine komplette Übernahme der 4000 Mitarbeiter starken Airline.

Der mögliche Condor-Deal ist noch in der Schwebe. Bei einem Kauf der verschuldeten Airline will die Lufthansa offenbar kaum Geld auf den Tisch legen. Zudem drohen hohe Investitionskosten: Condor müsse bald seine Boeing-Langstreckenflotte erneuern. Die Verhandlungen, die schon mindestens seit Januar laufen, könnten auch noch scheitern. Ein erster Anlauf sei im vergangenen Sommer wegen unterschiedlicher Preisvorstellungen abgesagt worden.

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