Luxus-Seniorenresidenzen Premium-Wohnen für Deluxe-Senioren

Im Alter ziehen mehr und mehr Senioren in betreute Wohnanlagen oder ins Pflegeheim. Manche wollen dabei nicht auf Luxus wie Gourmetküche und privates Fitnessstudio verzichten – und greifen tief ins Portemonnaie.

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Je höher das Stockwerk, desto teurer die Wohnung: In der Tertianum-Residenz in Berlin kostet manche Wohnung mehr als 7.000 Euro pro Monat. Quelle: Tertianum / Nils Hasenau

Der Eintritt in die letzte Phase des Lebens führt über einen roten Teppich, an dessen Ende eine junge Frau in weißer Bluse und schwarzer Weste hinter einem Tresen wartet. Der Boden darunter, wohl aus Marmor oder Granit, glänzt, als sei er gerade erst gebohnert worden. „Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragt sie jeden, der sich nähert. Einige der Besucher tragen Reisetaschen – sie wollen nur ein paar Tage Urlaub machen. Doch die meisten kommen, um hier den Rest ihres Lebens zu verbringen. Mit privatem Schwimmbad, Sauna, Fitnessstudio und mehrgängigen Deluxe-Menüs - und das jeden Tag.

In der „Residenz am Dom“, einer Luxus-Einrichtung für pflegebedürftige Senioren in Köln, wohnen jene, die es gut hatten im Leben – und die es bis zuletzt nicht schlechter haben wollen. Und derlei Deluxe-Senioren werden zahlreicher: „Es gibt deutschlandweit etwa 20.000 Plätze in betreuten Luxus-Wohnanlagen für Senioren“, sagt Thomas Neureuter, Herausgeber des Branchenführers „Residenzen“. Die Zahl der Interessenten liege hingegen bei 30.000 Senioren. Sein Fazit: „Der Markt kann die Nachfrage nicht befriedigen.“ Das zeige sich auch an den langen Wartezeiten von manchmal bis zu fünf Jahren.

Der Überhang dürfte weiter wachsen: Ist derzeit noch jeder fünfte Deutsche über 65 Jahre alt, soll es nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts im Jahr 2060 schon jeder dritte sein. Zwar gingen nach Neureuters Erfahrung 90 Prozent der Menschen erst dann in eine Pflegeeinrichtung, wenn sie gesundheitlich gezwungen seien, die anderen 10 Prozent suchten sich allerdings schon früher einen altersgerechten Ruhesitz – sei es in einer betreuten Wohnanlage, einer Alterswohngemeinschaft oder in einem Mehrgenerationenhaus.

Die Kölner Residenz am Dom von innen

Eine Luxus-Residenz wie jene in Sichtweite des Kölner Doms kommt nur für einen Bruchteil in Frage: Zwischen 35.000 und 40.000 Euro pro Jahr kostet eine mittlere Zwei-Zimmer-Wohnung inklusive weiterer Lebenshaltungskosten pro Jahr. Nur jeder zehnte der rund 17 Millionen Rentner in Deutschland hatte 2015 ein Jahreseinkommen von mehr als 18.000 Euro, also mindestens 1500 Euro pro Monat – selbst das ist noch zu wenig.

Die kleinste Wohnung in der Residenz am Dom, 40 Quadratmeter, schlägt bereits mit 1850 Euro für eine Person zu Buche. Dafür bekommen die „Gäste“, wie Residenzdirektor Peter Neuß die Bewohner gelegentlich nennt, eine komplett eingerichtete Küche, ein altersgerechtes Badezimmer und einen Balkon - Nebenkosten inklusive. Hinzu kommen kostenlose Betreuungsleistungen wie etwa ein Notdienst oder ein Pflegeservice bei vorübergehenden Krankheitsfällen an bis zu 21 Tagen im Jahr.

Besteht Bedürftigkeit in Form eines Pflegegrads übernimmt die Krankenkasse weitergehende Pflegekosten. Diese unterscheiden sich im Deluxe-Seniorenheim nicht von denen im klassisch betreuten Wohnen oder in normalen Pflegeheimen.

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Extra kostet allerdings die Verpflegung: Für 294 Euro pro Monat bekommen jene, die nicht mehr selbst kochen können oder wollen, ein tägliches Drei-Gänge-Mittagsmenü à la carte. Die Empfehlungen der Woche: Port au Feu von Edelfischen mit Wurzelgemüse und Safrankartoffeln. Lammrücken mit Kräuterbutter zu Speckkohl und Kartoffeln. Und: Rotbarschrouladen gefüllt mit Spargel, dazu Brokkoli und Püree. Für weitere 282 Euro gibt es auch Frühstück und Abendessen. Eigentlich ein Schnäppchen: Das Rote Kreuz liefert als Tagesmenü zum Beispiel Milchreis mit Mandarinen. Mit Salat und Dessert kommt das Gericht auf den Tag umgerechnet nur 80 Cent günstiger als das Residenzmenü.

Vorstandsvorsitzende, Künstler und Adlige

Es geht selbstverständlich noch luxuriöser. In der Passauer Straße in der Berliner City West, vis-à-vis des Luxus-Einkaufszentrums KaDeWe, steht die Hauptstadt-Residenz von Tertianum. Gut jeder dritte Name auf den silberpolierten Klingelschildern am Eingang beginnt mit einem Titel, meist ist es ein Doktor, gelegentlich ein Professor. Ein paar Bewohner verzichten darauf, ihre Namen eingravieren zu lassen – um „Anonymität zu wahren“, wie Marketingleiterin Anna Schingen erklärt. Denn auch Prominente entscheiden sich im Alter zuweilen dafür, ihren Lebensabend in einer betreuten Einrichtung zu verbringen. Hinter manchem Klingelschild verbirgt sich ein ehemaliger Vorstandsvorsitzender, ein Künstler oder Adliger.

Die Berliner Tertianum-Residenz von innen

Die angeschlossene Brasserie Colette hat einen eigenen Eingang, lässt sich aber auch aus dem Foyer der Residenz betreten. Für die Konzeptrestaurant-Kette von Tertianum schreibt der Berliner Sternekoch Tim Raue persönlich die Speisekarte. Der Gourmetführer Gault-Millau hat das Colette mit einer Haube ausgezeichnet. Entsprechend sind die Preise: Eine Portion Hummer Thermidor kostet 30 Euro, Austern mit Sauce Verte aigre-doux gibt es im Dutzend für 48 Euro.

Tertianum betreibt Einrichtungen in Berlin, München und Konstanz und ist, wie auch die Residenz am Dom, in Neureuters Führer mit fünf von fünf Sternen bewertet. Im Gespräch setzt der Herausgeber freilich noch ein „Plus“ dahinter – wohl auch wegen der exponierten Lage.

Preislich liegt das Tertianum über der Residenz am Dom: Für das Vier-Zimmer-Penthouse-Apartment, rund 140 Quadratmeter groß, werden mehr als 7000 Euro fällig. Eine vergleichbar große Wohnung im selben Postleitzahlgebiet kostet rund 2400 Euro warm. Im Tertianum-Haus in München, das im trendigen Glockenbach-Viertel liegt, „erreichen die Mieten in der Spitze auch die 10.000-Euro-Marke“, verrät Schingen. Wer es gerne kleiner (und günstiger) hätte, bekommt in Berlin auch ein rund 70 Quadratmeter großes Apartment für etwa 3.800 Euro monatlich.

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Direktor Peter Neuß aus Köln hält Urbanität für ein „wesentliches Entscheidungskriterium“ der Luxus-Seniorenresidenzen. Er erzählt von einem namhaften deutsch-britischen Publizisten, der bis zu seinem Tod in der Residenz am Dom gelebt hat – und dabei vor allem die Nähe zum Bahnhof geschätzt haben soll. Innerhalb von vier Stunden kann man mit Thalys oder Eurostar von Köln nach Paris oder London fahren.

Auch einen bekannten ehemaligen Warenhaus-Manager, der vor anderthalb Jahren mit seiner Frau aus Meerbusch hergezogen ist, überzeugte die gute Lage: „Wenn meine Tochter aus New York zu Besuch ist, hat sie es vom Flughafen nicht weit.“ Übernachten kann sie dann selbstverständlich in der Residenz: Neben den betreuten Wohnungen vermietet das Haus 30 Hotelzimmer.

Auch ohne Flughafen glücklich

Ellen S. hat sich dagegen für eine Residenz im abgelegenen Dortmunder Stadtteil Kirchhörde entschieden. Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Augustinum anreist, muss noch einen knappen Kilometer Waldweg zurücklegen bis hinter einem idyllischen See auf einer Lichtung ein großes Gebäude erscheint. Mit seinen bunt bepflanzten Balkonen erinnert das Haus eher an einen lebendigen Wohnblock als an eine Seniorenresidenz.

Die Augustinum-Gruppe betreibt 23 Residenzen in Deutschland. Mag das Äußere des Dortmunder Hauses auch bescheidener anmuten als das Tertianum in der Berliner City West, der Anspruch ist ähnlich: erstklassiger Service, gehobene Gastronomie und geschmackvolles Kulturprogramm – gepaart mit Pflegeleistungen.

Die Lasten der alternden Gesellschaft

Bevor Ellen S. nach Dortmund zog, bewohnte sie allein ein großes Haus mit eigenem Schwimmbad im südlichen Ruhrgebiet. Im Augustinum zahlt sie nun rund 2500 Euro für 48 Quadratmeter Wohnfläche mit Balkon. „Der Einzug war für mich ein bewusster Neuanfang“, sagt die Pensionärin. Es habe ihr deshalb wenig Schwierigkeiten bereitet, sich von einem Großteil ihrer Einrichtung zu trennen. Wichtig sei vor allem gewesen: „Wie gut gefällt mir das Haus? Fühle ich mich wohl?“ Und: „Kann ich meine Bücher mitnehmen?“ Derzeit liest sie ein Buch des österreichisch-britischen Philosophen Karl Popper. Ellen S. schätzt das Kulturprogramm im Augustinum: „Das zieht auch Publikum aus der Umgebung an.“

Als ehemalige Ärztin hat die Seniorin einen fachkundigen Blick auf die Pflege. Wenn sie Hilfe benötigt, fühle sie sich in guten Händen, sagt sie. „Ein typisches Altenheim wäre für mich nicht in Frage gekommen.“ Oft würden die Menschen dort lediglich verwahrt, so ihr Eindruck. Die Kompetenz und der Wille zur guten Pflege seien ihrer Ansicht nach zwar vorhanden, sagt die Medizinerin. „Aber es gibt oft viel zu wenig Personal.“

Ein selbstbestimmtes Leben ist ihr sehr wichtig – so scheint es den meisten Bewohner der Premium-Residenzen zu gehen. Auch der ehemalige Kaufhaus-Manager, der heute mit seiner Frau in der Kölner Domresidenz lebt, betont: „Mir schreibt hier niemand etwas vor.“

Die liberale Herangehensweise gehöre zum Konzept, erklärt Thomas Neureuter von „Premium-Wohnen im Alter“: „Die Bewohner sollen sich als Gäste fühlen.“ Nicht als Pflegepatienten. Deshalb sei es bei den Residenzen im Premium-Segment auch üblich, dass erfahrene Hoteliers die Geschäfte leiten. „Das Logistikmanagement ist bei Sterne-Hotels und Premium-Residenzen ganz ähnlich. Die Pflegekompetenz bringen dann Fachkräfte ein.“

Auch Peter Neuß von der Domresidenz kommt ursprünglich aus der Fünf-Sterne-Hotellerie. „Der größte Unterschied ist, das Hotelgeschäft ist ein Momentgeschäft“, sagt er. Als Residenzdirektor begleite er Menschen heute nicht mehr nur tage- oder wochenweise, „sondern für den Rest ihres Lebens“.

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