Luxustouren für 50.000 Euro pro Tag Deutschlands Luxusläden werden die reichen Russen fehlen

Gerade das Luxussegment in Städten wie München hat bislang sehr von den zahlungskräftigen Russen profitiert Quelle: imago images

Luxushotels, Yachtbauer, Autotuner: Etliche Unternehmen und Dienstleister im deutschsprachigen Raum leben gut von reichen russischen Kunden. Was passiert, wenn diese Klientel wegen des Krieges nun nicht mehr reisen darf?

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Auf der aktuellen Liste der reichsten Menschen der Welt, zusammengetragen von der US-Zeitschrift Forbes, finden sich 120 Menschen beziehungsweise Familien aus Russland mit einem Milliardenvermögen. Die Liste russischer Milliardäre beginnt bei Stahl-Mann Alexander Mordashov (umgerechnet 26,5 Milliarden Euro Vermögen, Platz 51 weltweit) und Multi-Unternehmer Vladimir Potanin (rund 24,6 Milliarden Euro schwer) und endet bei den ärmeren Milliardären Vadim Yakunin (Pharmabusiness) und Vitaly Orlov (Fischerei). Gemessen an rund 145 Millionen Einwohnern Russlands bilden diese 120 Menschen – sowie die paar Hundert russischen Multimillionäre – eine kleine, aber sehr vermögende Geldelite. Ihr Einfluss im Land gilt als groß. Deshalb ist vielen Ländern daran gelegen, mit Sanktionen seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine auch und gerade diese kleine Gruppe zu treffen.

Eine neue Taskforce von EU-Kommission, USA und Kanada soll etwa Privatjets, Yachten und Luxusapartments der russischen Superreichen aufspüren und gegebenenfalls beschlagnahmen. An der Côte d‘Azur beschlagnahmte der französische Zoll etwa die 86-Meter-Yacht „Amore Vero“ von Rosneft-Chef Igor Setschin. Im Hamburger Hafen könnte es die Yacht „Dilbar“ von Milliardär Alisher Usmanov erwischen. Bereits vergangenen Sonntag wurde der Luftraum der Europäischen Union für Flugzeuge aus Russland gesperrt. Sollte sich die Situation weiter verschärfen und russische Superreiche zunehmend schwerer an ihr Hab und Geld kommen, wird das auch Auswirkungen auf Unternehmen und Dienstleister im deutschsprachigen Raum haben. Denn einige leben ganz gut von vermögenden russischen Touristen.

Tagespreise zwischen 15.000 und 50.000 Euro

Helmut Kugler weiß davon zu berichten. Der Mann leitet seit 1988 im bayerischen Memmingen sein nach ihm benanntes Reisebüro. 2014 gründete er zusammen mit einem Partner Pure Germany: ein Reiseveranstalter, spezialisiert auf individuelle, gehobene Reisen für den deutschsprachigen Raum. Von Wochenendtrip bis zur mehrwöchigen Urlaubsreise – Kugler bietet ein Komplettpaket: Transfer, auf Wunsch in gepanzerter Limousine, Luxusunterkunft, Private Shopping, Museumsbesuche, After-Hour-Drinks. Ein Tagespreis solch einer Tour liegt zwischen 15.000 Euro und 50.000 Euro. In den vergangenen Jahren habe er zunehmend versucht, den russischen Markt anzusprechen. Bislang aber, sagt Kugler, sei Russland noch kein Schwerpunkt: Von den rund 600 Reisen, die er und sein Team pro Jahr organisieren, entfallen rund 30 auf russische Gäste. Wer das ist? „In der Regel Geschäftsmänner, oftmals mit mehreren Firmen in unterschiedlichen Branchen.“

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Besonders beliebt bei Kunden aus Russland sind Berlin, München und Wien; zur Winterzeit natürlich auch die Skigebiete in Österreich und Schweiz. „Die wirklich vermögenden Russen kommen selber mit dem Privatjet“, sagt Kugler. In Deutschland bevorzugt über den Sonderflughafen Oberpfaffenhofen bei München. „Und solange die Visa nicht zurückgenommen werden, können die auch reisen.“ Eigentlich wäre Kugler am Donnerstag nach Moskau geflogen, um dort eine Präsentation zu halten – der Trip fand natürlich nicht statt. Auch die beiden Buchungen von russischen Kunden für dieses Frühjahr wurden nun storniert.

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Kundinnen und Kunden aus Russland machen zwischen zwei und drei Prozent des gesamten Luxusgütermarkts weltweit aus, schätzt Marie-Therese Marek, Luxusmarktexpertin der Unternehmensberatung Bain. Wie sich der Krieg in der Ukraine auf den globalen Luxusmarkt auswirkt, hängt nun stark von der Dauer und der Entwicklung der Ereignisse ab. „Wahrscheinlicher sind unmittelbare und signifikante Auswirkungen auf die persönlichen Luxusausgaben vor Ort in Russland, die stark von der Abwertung der Landeswährung und den aktuell geltenden Beschränkungen getrieben sind“, sagt Marek. „Darüber hinaus werden auch russische Luxusausgaben im Ausland – hauptsächlich in Westeuropa – drastisch einbrechen, solange die Sperrung des europäischen Luftraums für Fluggesellschaften aus Russland in Kraft ist.“

Kurzfristig habe der Rubelverfall in Russland sogar das Geschäft mit Luxusgütern angekurbelt, sagte zumindest Jean-Christophe Babin, Chef des italienischen Schmuck- und Uhrenherstellers Bulgari, gegenüber Bloomberg. Er bezeichnete den Schmuck von Bulgari als „sichere Investition“. Zahlreiche europäische Luxusgüterkonzerne betreiben weiterhin Geschäft in Russland, etwa Cartier, Omega und Rolex.

Swarovski und James Bond

Die Touristik ist hingegen auf die Reisefreiheit der reichen Russen angewiesen. Zu den populärsten Ausflugszielen seiner russischen Klientel, erzählt Kugler, gehören die Swarovski-Kristallwelten in Wattens (Tirol), eine Mischung aus Kunstmuseum und Flagshipstore des österreichischen Strass- und Schmuckherstellers, sowie „007 Elements“ in Sölden, eine sogenannte „Ski-Erlebniswelt“ an den Drehschauplätzen des James-Bond-Films „Spectre“. Zu den beliebtesten Hotels der russischen Gäste zählt laut Kugler das 5-Sterne-Hotel Vier Jahreszeiten Kempinski in München. Dessen Geschäftsführer Holger Schroth bestätigt auf Anfrage, sein Haus „zählt sicherlich zu den präferierten Zielen für touristische und auch medizinische Reisen dieser angesprochenen Gruppe“. Und weiter: „Auch haben uns bereits erste Stornierungen erreicht – aber inwiefern diese auf lange Sicht das Geschäft beeinflussen werden, ist aktuell noch nicht absehbar.“ Auch für das mit fünf Sternen dekorierte Brenners Park-Hotel in Baden-Baden zählen russische Gäste zu den relevantesten. Auf Anfrage mag sich die Hoteldirektion zu den aktuellen Sanktionen aber nicht äußern.

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Im deutschsprachigen Raum, sagt Kugler, sei darüber hinaus vor allem das Sacher-Hotel in Wien bei russischen Touristen beliebt. Hier beginnt der Preis für eine Übernachtung bei 500 Euro. Gewisse Suiten-Kombinationen können auch schon mal 9.000 Euro pro Nacht kosten. Bislang machten Buchungen aus Russland zwar nur unter fünf Prozent der Gesamtbuchungen aus, sagt Sacher-Geschäftsführer Matthias Winkler. Aber: „Wenn wir russische Buchungen haben, sind das eher höhere Kategorien: schätzungsweise 20 bis 25 Prozent teurer im Vergleich zum Durchschnitt.“ Russische Gäste buchen also tendenziell höhere Kategorien, dadurch ergibt sich ein höherer pro-Kopf-Preis. „Nach zwei Jahren Pandemie“, sagt Winkler, „schien die Situation nun wieder hoffnungsfroh zu werden. Womit jedoch niemand gerechnet hat, ist der Krieg in der Ukraine. Der macht einen Großteil dieser Hoffnungen wieder zunichte.“ Nicht nur, dass Buchungen aus Russland „natürlich bei null“ liegen; er bemerke auch, dass Touristen nun generell Europa meiden: „Weil noch niemand einschätzen kann, wie unsicher es ist, 500 oder 1000 Kilometer vom Kriegsschauplatz entfernt.“

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Ein Profiteur vermögender Russen ist auch die Lürssen Werft in Bremen. Das Schiffbauunternehmen baute etwa die Yacht von Roman Abramowitsch. Auch die erwähnte Yacht „Dilbar“ von Alischer Usmanow wurde von Lürssen gefertigt. Inwieweit die Firma von russischen Kunden abhängig ist, und die aktuellen Sanktionen spürt, wollte Lürssen nicht kommentieren.

„Das Geschäft ist jetzt nicht wichtig.“

Anders dagegen Paul Klassen. Der Mann kam einst mit 13 Jahren aus Tadschikistan nach Minden in Westfalen, sprach kein Wort Deutsch. Heute leitet er seine Klassen Automobile GmbH: Die Firma ist Anlaufstelle für mächtige Männer (und selten Frauen) mit tiefen Taschen und dem Wunsch, ein schönes Auto noch schöner zu machen. Klassen veredelt Limousinen und Vans, vorzugsweise Mercedes. Auf Wunsch baut er Spiegel ein, Minibars, Flachbildschirme, Karaoke-Anlagen, Tische und Tresore. Er verpanzert und verlängert Fahrzeuge, baut Fenster ein oder Diamanten. Zwischen 100.000 Euro und 1,5 Millionen Euro kosten die Klassen-Aufrüstungen. Auch Staatsdienste zählen zu seinen Kunden. 30 bis 40 Prozent seines Umsatzes, schätzt Klassen, machte er bislang mit Käufern aus Russland und der Ukraine. In beiden Ländern hat er ein Werk. Aber jetzt übers Geschäft reden? „Das Geschäft ist jetzt nicht wichtig.“

Diese russischen Oligarchen stehen auf der Sanktionsliste der EU
Tui-Großaktionär Alexej Mordaschow ist wohl in Deutschland einer der bekanntesten Namen auf der neusten Sanktionsliste der EU. Quelle: dpa
Auch der russische Multimilliardär Michael Fridman liest seinen Namen auf der Sanktionsliste. Quelle: Imago
Ebenfalls gegen die EU-Sanktionen will Fridmans Geschäftspartner Petr Aven vorgehen. Die EU nennt Aven „einen der engsten Oligarchen von Wladimir Putin“. Quelle: Imago
Nikolai Tokarew ist Chef des Öl-Pipelinebetreibers Transneft. Quelle: REUTERS
Igor Setschin ist unter anderem als Vertrauter von Altkanzler Gerhard Schröder bekannt. Setschin ist Chef des staatlichen Ölkonzerns Rosneft, bei dem Schröder im Aufsichtsrat sitzt. Quelle: dpa
Der 68-jährige Multimilliardär und Medienmogul Alisher Usmanov war einst Großaktionär beim FC Arsenal London. Quelle: Imago

Was ihm dieser Tage wichtig ist, schreibt Paul Klassen auf der eigens eingerichteten Webseite heartforhelp.com: Er biete Unterstützung für Schutzbedürftige aus der Ukraine, Wohnungen mit 120 Betten stünden in Minden bereit. Er ruft zu Geld- und Lebensmittelspenden auf. Klassen hatte damals, als junger Mann in Deutschland, ein Maschinenbau-Fernstudium an der Uni Kiew absolviert. Heute lebt ein Teil seiner Familie in der ukrainischen Stadt Chersons, die mittlerweile von russischen Truppen kontrolliert wird. Am Freitag ist Paul Klassen, zusammen mit Arbeitskollegen, in Richtung Lwiw aufgebrochen, mit Kleinbus und Van. Im Gepäck hat er Lebensmittel und Medikamente. Die will er an das dortige rote Kreuz übergeben. Auf dem Rückweg möchte er rund 25 Ukrainer mitnehmen, nach Deutschland. In Sicherheit.

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