Das Problem, dass die Werbung mit dieser Zielgruppe hat, ist aber nicht nur, dass sie deren Bedürfnisse offenbar oft verkennt - oder ignoriert. Es gebe einfach keine Generation 50plus, so Leyhausen. Genauso wenig, wie es eine Zielgruppe u50 gebe. Das ganze sei eine Erfindung von RTL, das die werberelevante Zielgruppe 14 bis 49 ins Leben gerufen habe. Auch Hermann Binkert, Leiter des Instituts für neue soziale Antworten, kommt nach Abschluss der Generationenstudie zu dem Ergebnis: Es gibt keine homogene Generation 50plus. Und Gabriele Bleibst, Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing, an der Fachhochschule Jena ist überzeugt: "Die Unterschiede in den Altersgruppen nehmen mit dem Alter zu, was uns veranlasst, von der „Vielfalt des Alterns“ zu sprechen. Mit zunehmendem Alter sagt die Anzahl der Lebensjahre immer weniger über Fähigkeiten, Fertigkeiten, Verhaltensweisen und Erlebniswelten aus." Tatsächlich weisen heutige Generationen älterer Menschen vielfach ein jüngeres Verhalten als frühere Generationen auf.
Oft erlebt Leyhausen auch, dass ältere Kunden gerade wenn es um Technik geht, nicht richtig ernst genommen werden. "Wir haben einmal bei einem Mystery Shopping einen Herrn, der über 70 war, aber jünger aussah, in einen Handyladen geschickt. Auf die Frage, ob es dort denn auch etwas für ihn als älteren Kunden gäbe, sagte der sehr junge Verkäufer: 'Tut mir leid, Trommeln verkaufen wir hier nicht.'", erzählt Leyhausen. "Viele Industrien scheuen den Aufwand, richtig zu werben und die Kunden auch am Point of Sale richtig zu beraten und zu informieren", sagt er. Es heiße zwar immer, dass die Unternehmen auch die ältere Generation ansprechen wolle, er habe aber nicht den Eindruck, dass sich da etwas tue. "Wenn Deutschland aber so weiter altert, wie vorausgesagt, wird sich etwas ändern müssen." Ältere sollten in den Entwicklungsprozess von Produkten aktiv eingebunden werden, findet Leyhausen. Das Forschungsprojekt Openisa beispielsweise habe das getan und das Innovationspotenzial und die Innovationsfähigkeit älterer Menschen deutlich gemacht.
Das Phänomen der falschen Zielgruppenansprache scheint sich durch viele Branchen zu ziehen. Beworben wird die junge Zielgruppe, auch Werbegesichter sind in der Regel jung. Sind die Models tatsächlich über 50, sind sie berühmt wie das Werbetestimonial George Clooney, oder sie werben in den öffentlich-rechtlichen Sendern für Mittel gegen Blasenschwäche oder Blähungen. So gibt es beispielsweise Werbung für Familienkutschen, für Kleinwagen für junge Singles, für Flitzer für junge Dynamische oder für dicke SUV für die 35-Jährige Zahnarztgattin - aber eben keine für den edlen Viersitzer mit optimaler Sitzhöhe für die älteren Semester. "Im Kfz-Bereich gibt es keine Marke, die explizit Ältere anspricht", bestätigt auch Holger Geißler von Yougov.
Das ist allerdings nicht die Schuld der Unternehmen, deren junge Marketingstrategen einfach die Realität nicht sehen wollen. "Wenn Sie schlau sind, sprechen Sie keinen auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Altersgruppe Senioren an", weiß Leyhausen. "So wie Kinder keinen Kinderteller wollen, wollen Ältere keinen Seniorenteller." Außerdem fühle man sich immer jünger, als man tatsächlich sei. "Menschen um die 60 fühlen sich in der Blüte des Lebens", sagt auch Geißler. Der Zeitpunkt, an dem man sich alt fühle, komme immer später. "Im Schnitt fühlt man sich fünf bis zehn Jahre jünger, als man ist", weiß der Marktforschungsexperte. Wer also ein Produkt bei den Mitfünfzigern an den Mann bringen will, tut gut daran, Mitvierziger als Werbegesichter einzusetzen. Sonst findet schlicht keine Identifikation statt, "der Kunde fühlt sich nicht angesprochen", wie Geißler sagt.