In Deutschland wird das Sensitive Protect in den dm-Filialen 1,75 Euro kosten. Beiersdorf gibt keine Gewinnzahlen für einzelne Produkte bekannt, ein ehemaliger hochrangiger Mitarbeiter des Unternehmens aber schätzt, der Konzern erwirtschafte mit jedem verkauften Deodorant etwa 20 Cent Gewinn, im Durchschnitt, weltweit. 18 Millionen Stück, das würde bedeuten: rund vier Millionen Euro Gewinn.
"Also, es geht darum, möglichst große Aufmerksamkeit für das neue Deo zu erzeugen", sagt einer der Werbeleute im Konferenzraum Amazonas. Gleich danach ist am Tisch von viralem Marketing und gekaperten Internetseiten die Rede, von kreativen Routen und wichtigen Consumer Insights.
Um zu begreifen, was sich hinter diesen Wörtern verbirgt, ist es nötig, den Konferenzraum für einen Moment zu verlassen und sich bewusst zu machen, was es ist, das da jeden Tag in großer Stückzahl auf dem weitläufigen Firmengelände von Beiersdorf hergestellt wird. Es sind zwei Arten von Produkten: Es ist allerlei, womit sich der Mensch reinigen, beduften oder eincremen kann. Und es ist etwas, das nicht in Labors entsteht, sondern in Computern und Köpfen. Um Zahlen geht es, um Daten und Messgrößen, tausendfach ermittelt durch Interviews in Privatwohnungen und Einkaufsstraßen, durch Videoaufnahmen in Geschäften und Badezimmern, durch Aufzeichnungen von Supermarkt- und Drogeriekassen. Auch hier entsteht am Ende ein Produkt, aber eines, das sich nicht anfassen lässt: Es ist das Psychogramm desjenigen, der all die Dosen, Flaschen und Tuben kaufen soll, des Verbrauchers.
Im Falle des neuen Nivea-for-Men-Deodorants ist das: der Mann.
Er hat sich verändert in den vergangenen Jahren, das hat die Marktforschung herausgefunden. Der traditionelle Mann ging arbeiten, nicht einkaufen. Betrat er doch einmal ein Geschäft, dann als Begleiter seiner Frau. Die traditionelle Frau verdiente kein eigenes Geld, aber sie entschied, welche Margarine und welche Zahnpasta gekauft wurde. Sie legte ihrem Mann am Abend die Wäsche raus.
Die Frauen haben jetzt eigenes Geld, die Männer eigene Augencremes
Der traditionelle Mann benutzte kein Deodorant. Er benutzte Seife. Die Seife kaufte seine Frau. Ein Unternehmen, das in der traditionellen Welt Erfolg haben wollte, musste die Frauen ansprechen. Der Mann war ökonomisch bedeutsam als Arbeiter, als Chef. Als Kunde war er ziemlich unwichtig, wenn es nicht gerade um Autos oder Rasenmäher ging.
Auch heute gibt es traditionelle Männer und Frauen, aber es sind wenige. Sie stammen aus einer Zeit, als Nivea vor allem eine Hautcreme war.
Die Nivea-Creme gibt es immer noch, aber es gibt jetzt auch Nivea-Reinigungstücher, Nivea-Haarshampoo, Nivea-Duschgel, Nivea-Gesichtswasser. Nivea ist heute die größte Körperpflegemarke der Welt, mit 60 Produkten, die speziell für Männer gedacht sind.
Es hat sich viel verändert in Deutschland. Die Frauen haben eigenes Geld, die Männer eigene Augencremes.
Dem traditionellen Mann war sein Aussehen egal. Mehr als achtzig Prozent der heutigen Männer aber sagen, ihre äußere Erscheinung sei ihnen wichtig. Sie wollen attraktiv wirken. Sie haben Angst, schlecht zu riechen. Sie rasieren sich die Achselhaare, so wie der Mann im Beiersdorf-Badezimmer, sie fahren sich zehnmal mit dem Deoroller über die Haut.
Im Konferenzraum Amazonas nennen sie eine solche Beobachtung einen Consumer Insight, einen Einblick in die Seele des Verbrauchers.