Marketing Deo Nummer 79 - Die Geschichte eines neuen Sprays

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Keiner will das neue Deo

Die Qual der Wahl - In der Regel bietet eine typische Drogerie rund 12.500 Artikel an. Quelle: dpa

Der Durchschnittsmann kommt mit schnellen Schritten, er hat es eilig, auch modernen Männern ist Einkaufen lästig. Es besteht die Gefahr, dass der Mann an den Waren vorbeiläuft, die nahe am Eingang stehen. Deshalb platziert dm im Türbereich das, was niemand haben will: nichts. Dm-Mitarbeiter bezeichnen die leeren ersten Quadratmeter der Filialen als Abbremszone.

Das neue Deo verkauft sich schlecht. Ist es ein Spray für Schwächlinge?

Der Tag beginnt mit Körperpflege, der Laden auch, das ist das Prinzip bei dm. Das Deoregal steht gleich am Anfang, oben die Roller und Stifte, unten die Sprays. Das Sensitive Protect ist mit einem kleinen roten Schild markiert: "Neu bei dm" steht darauf. Das weckt Aufmerksamkeit. Allerdings hängt das Schild auch bei dem Deodorant X-Treme Ice von Garnier, beim Sportblast von Axe, dem Beast von 8x4 sowie bei vier weiteren Deos. Bei 16 Produkten hängt kein rotes Schild, aber es prangt groß "Neu" auf der Packung.

Alles, was sich das Männerherz wünscht

Womöglich geht der Durchschnittsmann an diesem Tag am Deoregal vorbei, womöglich kauft er nur eine von 57 Zahnbürsten, oder eines von 30 Haarshampoos, speziell für Männer. Elf Euro wird er am Ende ausgeben, mehr nicht, das ist der Durchschnitt in Drogerien, verteilt auf fünf Artikel, fünf von 12.500, die eine durchschnittliche dm-Filiale dem Kunden anbietet.

Mehrere Tausend Neuheiten nimmt dm jedes Jahr ins Sortiment, monatelang erdacht und entwickelt von den Wissenschaftlern der Konsumgüterindustrie. Etwa siebzig Prozent der Produkte verschwinden innerhalb von zwölf Monaten wieder, verdrängt vom mangelnden Erfolg und von den nächsten vielversprechenden Neuheiten, die Platz in den Regalen brauchen.

Irgendwann auf seinem Weg zur Kasse kommt der Mann an einer Tür in der Wand vorbei, sie ist leicht zu übersehen. Die Tür führt in das Büro des Filialleiters. Auf seinem Schreibtisch steht ein Computer, in den er den Namen jedes einzelnen Artikels im dm-Sortiment eingeben kann. Er erhält dann die aktuellen Verkaufszahlen aus allen Filialen. Er kann zum Beispiel nachsehen, ob das neue Deodorant ein Erfolg ist.

Jetzt, Mitte Februar, steht dort die Zahl zwei. Sie bezeichnet den durchschnittlichen Verkauf pro Woche und Filiale. Zwei Stück. Das ist sehr wenig, aber das muss nichts heißen. Die Werbekampagne hat gerade begonnen, und die Leute kaufen ein neues Deo erst, wenn das alte verbraucht ist. Erst dann wechseln sie zu einem neuen Produkt. Vielleicht steigen die Zahlen bald.

Vielleicht aber halten die modernen Männer ihre Haut zwar für empfindlich, wollen das aber nicht zugeben. Vielleicht wollen sie im Fitnessstudio lieber mit einem Rennfahrerdeo gesehen werden als mit einem Spray für Sensibelchen. Vielleicht ist das Sensitive Protect ein Deo für Schwächlinge.

Wenn es so ist, wird am Ende das Jahres ein klein gedrucktes "A" auf dem Preisschild des neuen Nivea-Deos stehen. Es ist ein interner Hinweis für dm-Angestellte. Das "A" steht für "Ausgelistet". Es bedeutet, dass dieses Produkt im Sterben liegt. Es werden nur noch die Restposten verkauft, dann verschwindet es aus dem Regal.

Spätestens dann wäre es Zeit. Für das Deo Nummer 80.

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