Marketing Deo Nummer 79 - Die Geschichte eines neuen Sprays

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Künstliche Gerüche

Hoffentlich benutzt dieser Junge ein hautschonendes Deodorant - Ansonsten wird er sich, zumindest laut der Werbeindustrie, gleich unter Qualen winden.

Der Hauptdarsteller hebt seinen Arm, jetzt ohne Bademantel. Die Marketingmanagerin kontrolliert seine Achseln. Auch hier: ein Kompromiss. Die Haare nicht naturlang, weil lange Achselhaare vielen deutschen Männern inzwischen als unhygienisch gelten, aber auch nicht abrasiert. Brasilianer halten rasierte Achseln für weibisch.

Der Hauptdarsteller hat die korrekte Kürze getroffen, die Managerin ist zufrieden, der Regieassistent ruft: "Und bitte!" Die Kamera läuft.

Drei Stunden später hat sich der Hauptdarsteller etwa 25-mal die Achsel eingesprüht. Der Duft des Deos hängt im Raum. Pflegend und unaufdringlich soll er sein, aber auch frisch und männlich, das war die Vorgabe. Das Ergebnis setzt sich aus 31 Substanzen zusammen, Ambra zum Beispiel, ein tabakartig riechender Stoff aus dem Darm des Pottwals, und Moschus, viel Moschus, ein Sekret aus der Bauchdrüse des in Asien lebenden Moschushirschs. Dem Hirsch dient es dazu, Weibchen anzulocken. Dem modernen Mann auch, wenn es gut läuft. Zumindest wird der Duft von Moschus allgemein als männlich empfunden, weshalb es, genau wie Ambra, längst synthetisch hergestellt wird, weil es sonst keine Moschushirsche und keine Pottwale mehr auf der Welt gäbe. Parfüm steckt heute ja nicht nur in Deos, sondern auch in Haarshampoo, Rasierschaum und Duschbädern, in Taschentüchern, Zahnpasta und Waschmittel. Supermärkte beduften ihre Fleischtheken mit Brathähnchenaroma, und wer in ein fabrikneues Auto steigt und glaubt, das Leder der Sitze zu riechen, der irrt. Es sind künstliche Geruchsmoleküle, produziert von Unternehmen wie der deutschen Symrise AG in Holzminden, einem der weltgrößten Produzenten von Riechstoffen und wichtigsten Lieferanten von Beiersdorf.

Bissige Deodorants

Der erste Nebendarsteller steht in dem falschen Bad, die Fliesen sind jetzt gelb. Auch er wurde unter Dutzenden Bewerbern ausgewählt, aber nach anderen Kriterien: Er hat bleiche Haut und wenig Muskeln, man sieht gleich den Unterschied zum Hauptdarsteller. Auch er greift zum Deodorant, aber es steht nicht "Nivea" auf der Dose, sondern gar nichts. Mit dem anonymen Deo sprüht er sich ein, und im selben Moment schlägt ihm jemand mit einem Hammer auf den Fuß.

So jedenfalls hört sich sein Schrei an. Der Nebendarsteller wedelt mit den Armen, greift zum Föhn, bläst Luft dorthin, wo der Schmerz sitzt: in der Achselhöhle, die vom bissigen Deostrahl getroffen wurde.

Es kommen drei weitere Nebendarsteller, sie brüllen, jaulen, kreischen, reiben sich die Wangen, kratzen sich die Achseln, spielen entsetzliche Qualen vor, ausgelöst von hautunfreundlichen Deosprays.

Das ist die Idee des Werbespots: den Leuten klarmachen, dass Deodorants wehtun, mit Ausnahme des Sensitive Protect. Außerdem: laut sein, schrill sein, damit der Film auffällt unter all den anderen.

Der deutsche Mann kann nicht nur zwischen 78 Deodorants auswählen. Er sieht auch mehrere Tausend Werbespots im Jahr. Jetzt kommt noch einer dazu.

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