Marketing Deo Nummer 79 - Die Geschichte eines neuen Sprays

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"Schluss mit dem Autsch"

Längst haben Unternehmen die Werbemöglichkeiten des Internets erkannt. Quelle: gms

Die Grenzbeamten am Flughafen von Melbourne haben einen harten Job. Sie jagen Kokainschmuggler und Flugzeugentführer, und manchmal müssen sie die Dienstwaffe ziehen. Guter Stoff für DMAX, das Fernsehprogramm für Männer. Achtung, Zoll! Willkommen in Australien heißt die Sendung, die am Morgen des 16. Januar läuft, zwischen neun und zehn Uhr.

Um 9.42 Uhr ist Werbepause, zum ersten Mal ist der Spot für das Sensitive Protect zu sehen. Am Ende des Films steht das neue Deo in Großaufnahme im Bild, eine Männerstimme sagt: "Schluss mit dem Autsch – mit der Sensitive-Pflegeserie von Nivea for Men." Dann kommt der nächste Spot, eine Werbung für die neue Ausgabe der Zeitschrift Men’s Health. Titelthema: Weg mit der Wampe.

Beiersdorf hat eine Agentur dafür bezahlt, die richtigen Sendeplätze für den Werbespot zu finden. Programme, bei denen vor allem Männer einschalten. Allein in der ersten Woche ist der Spot 80-mal zu sehen. Er läuft morgens, mittags und abends, er läuft in Nachrichtensendungen und Unterhaltungsserien, in der Telebörse auf n-tv, in der Comicserie Die Simpsons auf ProSieben, in der ARD-Sportschau.

Omnipräsentes Deo

Jeder Mann im Alter zwischen 25 und 40 Jahren, der regelmäßig den Fernsehapparat einschaltet, muss den Spot mindestens zweimal sehen, das ist das Kalkül. Jeder muss wissen, dass es das neue Deo gibt. Wenn er es nicht im Fernsehen sieht, dann eben im Internet. Bei den kostenlosen E-Mail-Anbietern GMX, MSN oder WEB.DE vielleicht, oder auf den Seiten von RTL, Viva oder MTV.

Der Film ist dort als sogenanntes Pre-Roll-Ad zu sehen, als kurzer Werbespot, der vor anderen, längeren Videos eingeblendet wird. Marketingmanager mögen diese Werbeform. Wenn der moderne Mann eigens auf eine Internetseite geklickt hat, um E-Mails zu lesen oder ein Musikvideo anzuschauen, schaltet er nicht gleich wieder um wie manchmal beim Fernsehen, wenn die Werbung anfängt. Es ist ja nur ein einziger Spot zu sehen, zwanzig oder dreißig Sekunden lang, zu wenig, um auf die Toilette zu gehen, zu kurz, um ein Bier zu holen.

Also bleibt der Mann vor dem Monitor sitzen und sieht das neue Deo, und wenn er kurz mit der Maus klickt, absichtlich oder aus Versehen, dann landet er auf der Internetseite von Nivea for Men und der Aufforderung "Mixe Dein eigenes Remix-Video". Das ist der Virus.

Er verbirgt sich in einer Art virtuellem Mischpult, der "Autsch-Beatbox", mit der sich der Werbespot neu zusammensetzen lässt. Der Mann vor dem Monitor kann die Schmerzensschreie der Nebendarsteller mit Schlagzeugrhythmen und Melodien unterlegen. Der Computer mischt die Klänge mit Bildschnipseln aus dem Werbefilm.

Im Internet versorgen sich die Leute selber mit Werbung

So wird der Kunde zum Regisseur und kann ein immer wieder neues Musikvideo erschaffen, bei dem sich ulkige Gestalten zum Takt der Töne jaulend die Achseln kühlen.

Mit dem eigentlichen Produkt hat das nicht mehr viel zu tun. Soll es auch nicht. Es geht jetzt darum, dass das Deo in den Köpfen der Männer mehr wird als ein Deo. An ein witziges Spielzeug sollen sie denken, wenn sie das Sensitive Protect sehen, an das lustige Filmchen, das sie unbedingt ihren Freunden zeigen müssen. Dazu nämlich dient der Facebook-Button, der erscheint, wann immer die "Autsch-Beatbox" ein neues Video erstellt hat. Die Männer können es an ihre Facebook-Freunde schicken, damit die daraus ein neues Video basteln, das sie an ihre Facebook-Freunde schicken.

Fachleute bezeichnen diese Methode als virales Marketing, weil sich die Botschaft vom neuen Produkt wie ein Virus durch die Welt verbreitet.

"Das ist cool, weil es sehr cool ist", hatte der Senior Art Director von Neteye im Konferenzraum Amazonas gesagt, als die Agentur ihr Konzept erklärte. Es ist auch sehr billig. Den zwanzig Sekunden langen Werbespot in der ARD-Sportschau laufen zu lassen kostet rund 40.000 Euro. Den Remix über Facebook zu verbreiten kostet gar nichts.

Das ist das Praktische am Internet. Die Leute versorgen sich selbst mit Werbung.

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