Marketing "Verpackungen haben einen Placebo-Effekt"

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"Selbst die Verpackung von Medikamenten wird designt"

Gibt es auch Produkte, bei denen jede Verpackungspsychologie scheitert?
Nein. Selbst die Verpackung von Medikamenten wird designt. Aspirin soll teurer verkauft werden als bloße Acetylsalecysäure und wird deshalb mit Zitronen und zusätzlichen Wirkungsversprechen auf der Packung angereichert. Darauf fällt praktisch jeder rein. Man darf den Placebo-Effekt einer Verpackung dabei nicht unterschätzen! Das wurde gerade erforscht und selbst für die Industrie ist es fast erschreckend, wie stark die Verpackung die Wirkung eines Medikaments beeinflusst.

Was können Kunden im Supermarkt berücksichtigen, um den Tricks der Verpackungs-Psychologen nicht auf den Leim zu gehen?
Ich würde nicht von Tricks sprechen. Natürlich gibt es Betrüger, die die Sprache der Verpackung für unlautere Zwecke ausnutzen. Prinzipiell gilt: Schalten Sie Ihre Ratio ein! Schauen Sie genau hin! Gerade bei größeren Verpackungen hilft ein Blick auf die Füllmenge und ein Vergleich mit der Füllmenge des günstigeren Anbieters nebendran. Irreführend sind oft auch die Aussagen auf den Störern, also den grafischen Zusatzelementen. Dort lesen Sie dann Sätze wie „hautgesunde Pflege“. Natürlich ist Pflege hautgesund, sonst wäre sie ja keine Pflege.

Oft imitieren diese Störer auch das Siegel der Stiftung Warentest. Allerdings finden sich darauf nur Sätze wie „Wirkung bestätigt“. Diese sinnleeren Wirkungsversprechen finden Sie auf Waren aller Kategorien, egal ob auf Bügeleisen oder Bioprodukte. Auch mit der Farbe lässt sich tricksen: Wenn Produkte in einer grünen Verpackung stecken, soll das oft „Bio“ signalisieren, ohne dass es das wirklich ist. Schalten Sie einfach den Autopilot aus und beobachten Sie sich selbst beim Einkauf. Wenn man sich etwas Zeit nimmt, durchschaut man plötzlich all die sinnleeren Reize, die Sie in die Irre führen.

Setzen Sie in Ihrer Agentur auch auf solche Reize beim Designen der Verpackungen?
Wir setzen nicht auf unehrliches Marketing. Ich bin mir auch sicher, dass der Kunde so etwas früher oder später durchschaut und der Schaden für die Unternehmen, die unehrlich sind, enorm ist. Auch Sie haben mich ja wegen der Verleihung der „Mogelpackung 2017“ angerufen. Da sieht man ja, dass unehrliche Tricksereien hohe Wellen schlagen und die Presse auf den Plan rufen. Es ist aber nicht alles im Verpackungsdesign Betrug. Wenn Sie ein Bioprodukt etwa nicht wie ein Bioprodukt aussehen lassen, wird es auch nicht gekauft. Auch ehrliche Produkte müssen psychologisch richtig verpackt werden. Deshalb arbeiten wir auch nur mit Kunden, die hochwertige Produkte verpacken und diese zu gerechtfertigten Preisen verkaufen.

Wollte man nun ein Billigprodukt möglichst hochwertig verkaufen. Wie müsste man die Verpackung dann designen?
Wie gesagt gibt es Gesetze, die den Tricksereien Grenzen setzen. Wenn Sie ein billiges Produkt hochpreisig verkaufen wollen, imitieren Anbieter etwa gerne teurere Konkurrenzprodukte. Da nähert sich dann etwa der Markenname bis auf wenige Veränderungen an. Oder Sie arbeiten mit Bildern. Auf einen billigen Orangensaft Bilder von frischgepressten Orangen anzubringen, ist nicht verboten. Das löst beim Käufer natürlich sofort die Assoziation frischer Orangen aus. So setzen Sie Signale, die teure Inhalte suggerieren. Und solange der Kunde nicht auf die Rückseite der Packung schaut und sieht, was da eigentlich für ein Mist drin ist, wirkt das auch.

Die Pleite von Air Berlin ist ein Beispiel für das Versagen des Marketings. Falsche Werbesprechen trieben auch die PKW-Hersteller ins Abseits. Werden keine Konsequenzen gezogen, sind bald die nächsten Branchen ruiniert.
von Thomas Koch

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