Marketing Wie Airlines die Generation Z überzeugen wollen

Die unter 21-Jährigen sind für Fluglinien die schwierigste Kundengruppe. Sie reisen mehr als andere Altersklassen, fordern aber gleichzeitig höhere Umweltabgaben. Helfen will sich die Branche mit einer neuen Art von Marketing und Investitionen nach dem Motto Wohnmobil statt Taj Mahal.

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Kenny Jacobs verabredet sich mit Geschäftspartnern gern in Coffeeshops. Der Marketingvorstand des Billigfliegers Ryanair trinkt zwar als echter Ire lieber Tee oder wie heute im Starbucks an der Düsseldorfer Königsallee eine Apfelschorle. Doch in den Kaffeeläden kann der Manager mit der hohen Stirn seine schwierigsten Kunden in Ruhe beobachten. „Fast nirgendwo ist die Generation Z in allen Schattierungen so gut vertreten“, meint Jacobs.

Noch bevor der Mittvierziger sein Sportsakko über die Armlehne des abgewetzten Ledersofas gelegt hat, sieht er bereits alle drei Typen, auf die er und sein Team die Generation Z herunterbrechen: markenbewusste Konsumenten, Ökos und Voll-Digitale. Drei Oberschüler in Jacken mit sehr sichtbaren Markenzeichen, eine junge Frau mit hellblauen Strähnen und einem „There is no Planet B“-Aufkleber auf der Tasche und ein vielleicht 20-Jähriger mit dicken Kopfhörern und einem gelangweilten Gesicht, der sein Handy an ein Lesegerät hält und sich seinen Tall Latte holt, ohne mit einem Menschen hinter dem Tresen ein Wort zu wechseln.

Konsumfreudig, ökologisch, technikverliebt – diese widersprüchlichen Eigenschaften machen die Generation Z für Jacobs und alle anderen Flugmanager schwieriger als frühere Generationen wie X, Y oder die Millennials. Um die Z-Gruppe zu gewinnen, setzen die Airlines auf andere Marketingstrategien und eine andere Organisation im Unternehmen. Selbst die Hersteller wie Airbus treibt die jüngste Generation um. So verkündete Grazia Vittadini, Technik-Vorstand des Airbus-Konzerns, vergangene Woche das Ziel: „In den nächsten zehn Jahren soll Greta in ein Null-Emissionen-Modell von uns einsteigen.“

von Peter Steinkirchner, Rüdiger Kiani-Kreß

Der Aufwand ist verständlich. Denn eigentlich sind die 15- bis 21-Jährigen ein Traum für Airlines. Die Gruppe ist sehr reisefreudig. „Unsere Kunden in dieser Altersklasse sind reiseaffiner als der Durchschnitt und auch mehr als die Millennials zwischen Anfang 20 und Mitte 30“, sagt Lufthansa-Marketing-Chefin Benita Struve.

Dazu kommt eine Vorliebe für ungewöhnliche Orte. „Während schon 25-Jährige und erst recht deren Eltern solche Orte eher meiden, sagt die Generation Z: Unbekanntes Ziel und keinen den wir kennen? Wie aufregend“, beschreibt Jacobs das Ergebnis seiner Kundenumfragen. Das gefällt der Reisebranche. Denn in Kroatien oder der französischen Provinz kann der Touristenverkehr anders als an Massenzielen wie Mallorca oder Thailand noch fast ohne Probleme wachsen.

Doch die Umfragen der Airlines erzählen leider auch etwas anderes: Die Generation Z ist stärker bereit, ihr Verhalten zu ändern. Das könnte die Branche härter treffen als andere. Denn Flugfreude hin oder her – die Schüler und jüngsten Erwachsenen der von der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg angestoßenen Bewegung Fridays For Future sieht Reisen kritischer als fast alle anderen Formen des Konsums und hält Fliegen für die verzichtbarste aller Umweltbelastungen. Also sollte jeder Passagier Tickets entweder gar nicht buchen oder zumindest „Flugscham“ empfinden.

Die Haltung kollidiert zwar im Alltag oft damit, dass Fliegen viel Zeit spart und richtig gebucht auch deutlich billiger ist als andere Verkehrsmittel. „Meine Tochter wollte mit der Schule von Schweden ins Baltikum reisen und aus Umweltgründen unbedingt den Zug nehmen“, erzählt Lufthansa-Finanzvorstand Ulrik Svensson. Doch die Eisenbahn-Fahrt sei mit 300 Euro pro Person nicht nur rund zehnmal so teuer gewesen wie ein Flug. Sie hätte mit rund 30 Stunden auch zehnmal so lange gedauert. „Also sind sie mit schlechtem Gewissen geflogen“, berichtet Svensson. Aber die Gruppe habe beschlossen, die zusätzliche Klimabelastung anderweitig wett zu machen.



Damit der Unterschied zumindest bei den Preisen verschwindet, fordern die Fridays-Aktivisten in einer Resolution im April für jeden Konsum eine Abgabe von 180 Euro pro Tonne des Klimagases Kohlendioxid. Und das bald, weil der Klimawandel kein langes Warten verträgt.

Damit treffen sie vor allem die Fliegerei. Zwei Euro mehr für ein Kilo Rindfleisch oder ein T-Shirt – das lässt sich leicht verschmerzen. Aber 60 Euro mehr für einen Inlandsflug oder 1000 Euro mehr für eine Reise in die USA oder nach Asien? „Die Themen Wachstum und Fernreise für alle wären dann erledigt“, fürchtet ein führender Flugmanager.

Bisher reagierte die Branche auf die Fridays-Vorschläge mit Schock und dem Gefühl, ungerechtfertigt am Pranger zu stehen. „Der Luftverkehr ist als einziger Verkehrsträger bereits seit sieben Jahren in den Europäischen Emissionshandel einbezogen“, sagt Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. „Mit diesem Instrument wächst der innereuropäische Luftverkehr seit 2012 CO2-neutral und ab dem kommenden Jahr gibt es dann mit der Klimaabgabe Corsia auch ein Instrument für internationale Flüge.“

Daher macht der Branche auch weniger die Höhe der vorgeschlagenen Klimaabgaben Sorgen. Es grämt sie, dass sie die Generation Z kaum erreicht mit ihrer eingespielten Botschaft vom Fliegen als umweltbewusstem Bringer von Wohlstand und Völkerverständigung. Das liegt vor allem am anderen Medienkonsum. „Von den bisherigen Wegen erreicht selbst Online-Marketing fast keinen mehr“, so Jacobs. „Das einzige klassische Medium, das die Generation Z noch nutzt, ist das Radio.“

Generation Z bewirkt gewaltigen Sinneswandel in Deutschland

Entschärfen will die Branche die gefährliche Kombination aus flugkritischer Stimmung und schwieriger Erreichbarkeit nun durch eine neue Kundenansprache. Dafür setzt sie auf drei Mittel: den Preis, sowie zwei neue Wege im Marketing. Für jede der drei Z-Untergruppen konsumorientiert, öko und digital mixen Jacobs oder Struve die Zutaten etwas anders.

Am einfachsten ist das bei der konsumfreudigen Zielgruppe. Die reist ohnehin und ist für alle Linien problemlos zu erreichen. „Sie will im Prinzip nicht mehr als ein paar Anregungen und die Garantie, dass sie sicher und zuverlässig ankommt“, so Jacobs.

Für ökologisch denkende, flugkritische Greta-Fans setzen Ryanair und Lufthansa zunächst auf Fakten. Sichtbarer denn je dokumentieren sie in dicken Berichten oder Webseiten zur Nachhaltigkeit wie sehr sie die Umweltbelastung senken - etwa durch sparsamere Jets, mehr klimaneutral erzeugte Kraftstoffe und durch den Abbau von Kurzstreckenflügen wie gerade die niederländische KLM.

Ein gewaltiger Sinneswandel: Denn noch vor wenigen Jahren wollte Ryanair-Chef Michael O’Leary gewohnt provokant Umweltaktivisten am liebsten „erschießen“. Und das Gros seiner Kollegen bei anderen Linien dachte vielleicht weniger gewalttätig, aber kaum verständnisvoller.

Lockt die Ökobotschaft die Flugskeptiker auf die Airline-Seiten, finden sie dort eine Art Ablasshandel: eine Spende, mit der Passagiere ihre Umweltschäden ausgleichen können. Die bieten die Linien nun direkt im Anschluss an die Buchung – statt versteckt mit einem Link nach außen. Dazu gibt es dann Informationen, wie die Airlines oder die Organisationen mit Geld Gutes tun.

Das wichtigste Mittel für die voll-digitalen Zler ist eine eher indirekte Werbung rund um die Erlebnisse beim Reisen. „Die Generation sucht nach authentischen Erfahrungen und Momenten, wo sie sich selbst besser kennen lernt“, so Struve. Die Lufthansa etwa nutzt das – natürlich Hashtag-bewehrte – Motto „LifeChangingPlaces“ auf Basis des Kampagnenclaims „Say Yes to the World“, der für Weltoffenheit plädiert. Dort erzählen Personen, wie sie auf den Lofoten die Schönheit der Natur wiederentdecken oder aus Südfrankreich den Sinn für Wein nach China tragen. Ryanair verspricht im Newsletter „Try Something New“ die besten Motive für Instagram. Das alles ergänzen sollen eigene Foren, wo sich die Kunden mit anderen Reisenden austauschen können über ihre Erfahrungen mit neuen Zielen. Wenn es passt, streuen dann die Onlinevermarkter der Airline Links ein zu den passenden Flügen und Hotels – natürlich auf Ryanair.com.

Die neuen Wege haben bislang noch recht unterschiedlichen Erfolg. Am besten klappt nach wie vor das Mittel Preis. „Die Generation reagiert schneller und spontaner etwa auf Wochenendangebote“, so Lufthanseatin Struve. Die Erlebniswerbung zeigt immerhin positive Resonanzen und zieht viele Klicks an sich. Noch keinen sichtbaren Ausschlag nach oben gibt es dagegen bei den Angeboten zum Ausgleich der Umweltbelastung.

Darum sehen sich die Flugvermarkter auch noch am Anfang auf ihrem Weg ins Herz und das Bewusstsein der neuen Kunden. Dafür setzt Ryanair-Marketingvorstand Jacobs bei sich auf drei Dinge. So will der Konzern nicht nur agiler und flexibler arbeiten. Er verzichtet auch auf zu viele große und langfristige Investitionen. „Wir müssen so beweglich bleiben wie die Wünsche und Werte der Generation“, so Jacobs. „Also brauchen wir besonders in der IT keinen Taj Mahal mehr, sondern ein Wohnmobil.“

Zweiter Punkt ist ein realistischer der Blick in andere Branchen. „Wir können zwar viel vom Handel und Amazon lernen“, so Ryanair-Marketingvorstand Jacobs, der vor dem Billigflieger beim Metrokonzern gearbeitet hat. Doch bei allen Vorbildern will er nicht besessen abkupfern, sondern seinen eigenen Weg finden. „Es ist dein Geschäft und funktioniert nach deinen Regeln“, so Jacobs.

Zu guter Letzt kommt es für ihn auf den richtigen Mix der Mitarbeiter an. Dazu zählt nicht nur, die vielen jungen Leute im Unternehmen in die Sitzungen von Vorstand oder Fachbereiche zu holen. Ebenso wichtig sind eigene Gremien aus der Generation Z. Und zwar nicht nur solche, wo die Zler unter sich sind. „Die Erfahrung zeigt, dass Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen oder Regionen sowie reine Frauen- oder Männergruppen offener reden und für ihre Klientel bessere Lösungen finden“, so Jacobs.

Doch trotz aller Anstrengungen macht er sich keine Hoffnung, die Generation Z jemals wirklich zu verstehen. „Wir können die nicht einholen, nur alles tun, dass nicht zu groß wird.“

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