
Nach einem Jahr im Rampenlicht gedenkt Malaysia Airlines des verschollenen Fluges MH 370 abseits der Weltöffentlichkeit. Öffentlich trauerte dagegen die Regierung. Regierungschef Najib Razak sagte am Sonntag, sein Land wolle weiter nach der Maschine suchen: „Es gibt keine Worte, um den Schmerz der Familien der Insassen zu beschreiben“, sagte Najib. „Dass es keine Antworten gibt und keinen definitiven Beweis (für den Absturz) macht es umso schwerer zu ertragen.“
In Einkaufszentren des Landes hingen am Sonntag Tafeln mit Fotos der verschwundenen Boeing aus. Auf den Plakaten konnten Trauernde ihre Gedanken niederschreiben. Bei Sonntagsgottesdiensten wurde ebenfalls der 239 Passagiere und Crew-Mitglieder gedacht
Polizisten in Chinas Hauptstadt Peking haben eine Kundgebung der Angehörigen zum MH370-Jahrestag dagegen verboten. Dutzende Polizisten riegelten am Sonntag die Straßenzüge rund um die malaysische Botschaft ab. Mehrere Angehörige erzählten, dass Polizisten bei ihnen zu Hause erschienen seien, und ihnen verboten hätten, ihr Haus zu verlassen. Andere Angehörige schafften es zum buddhistischen Lama-Tempel in der Pekinger Innenstadt, wurden dort aber von Polizisten bedrängt.
Die Unternehmensleitung von Malaysia Airlines hat Angehörige und Mitarbeiter für Sonntag, dem Jahrestag des Unglücks, zum privaten Treffen an einen geheimen Ort am Rande Kuala Lumpurs eingeladen. Familienmitglieder hätten darauf bestanden, von der Presse verschont zu bleiben, heißt es aus dem Unternehmen. Das Wohlergehen der Angehörigen habe in den vergangenen zwölf Monaten immer im Mittelpunkt gestanden, sagt Airline-Chef Ahmad Jauhari Yahya. „Diese Unterstützung geht auch über den Jahrestag hinaus.”
Für Ahmad Jauhari, der den Konzern durch das schwerste Jahr seiner Geschichte manövrierte, nähert sich Die Aufgabe bei Malaysia Airlines jedoch ihrem Ende: Die Krisen-Fluglinie, die im vergangenen Juli auch noch den Absturz von Flug MH 17 in der Ukraine zu verkraften hatte, muss sich neu erfinden, um Überleben zu können.
Ahmad Jauhari, dessen Vertrag im Sommer endet, weicht von der Spitze. Der deutsche Manager Christoph Müller, der den angeschlagenen Konzern sanieren soll, ist als Nachfolger bereits gesetzt. Er leitet schon seit Anfang des Monats eine neue Malaysia-Airlines-Gesellschaft, die den Luftfahrtkonzern im Zuge der Restrukturierung vollständig übernehmen soll.
Wie wahrscheinlich sind die MH370-Theorien?
Flug MH370 bleibt verschwunden. Niemand weiß, was sich in den letzten Stunden an Bord abgespielt hat. Die Theorien reichen von unglaublich bis absurd. Ermittler und Experten, Wichtigtuer und Wahrsager bieten ihre Expertise in Sachen MH370 an. Was geschah mit dem Flug der Malaysia Airlines, der am 8. März 2014 mit 239 Menschen an Bord spurlos verschwand?
Quelle: dpa
An Bord war zwar eine Ladung mit gut 200 Kilogramm hoch brennbaren Batterien. Ein Brand hätte womöglich die beiden Kommunikationssysteme zerstören können - aber die Piloten hätten zuvor im Cockpit Alarm gehört und über Funk eine Notsituation gemeldet, sagen Piloten. Hätten toxische Dämpfe oder ein Druckabfall Passagiere und Crew bewusstlos gemacht, hätte die Maschine nach dem letzten Radarkontakt nicht zwei abrupte Kursänderungen nehmen können.
Als die Kursänderungen eine Woche nach dem Verschwinden enthüllt wurden, sagte Malaysias Regierungschef Najib Razak: „Diese Bewegungen deuten auf absichtliches Eingreifen durch jemanden an Bord hin.“ Die Ermittler haben alle Passagiere und Besatzungsmitglieder unter die Lupe genommen. Niemand hatte Terror-Sympathien oder -Verbindungen, auch die beiden Iraner nicht, die mit gefälschten europäischen Pässen an Bord waren. Sie träumten vom besseren Leben in Europa. Keine Terrororganisation hat sich je zu einem Anschlag bekannt.
Kann ein Schurkenstaat dahinterstecken? Das behauptet der Amerikaner Christopher Green in einem auf YouTube populären Video, allerdings ohne jedwede Indizien. Ein Schurkenstaat habe die Maschine gekapert, wolle sie mit Atomwaffen ausstatten und eines Tages auf eine US-Stadt lenken. Der US-Autor Jeff Wise vermutet die Maschine dagegen in russischen Händen und spekuliert wild über abwegige Motive.
Das FBI taucht immer bei Verschwörungstheorien auf: Die USA seien hinter etwas her gewesen, das an Bord war, meint der chinesische Blogger He Xin. Die US-Botschaft in Kuala Lumpur sah sich sogar genötigt zu dementieren, dass das Flugzeug auf dem US-Stützpunkt Diego Garcia im Indischen Ozean landete. Ex-Airline-Chef und Buchautor Marc Dugain kombiniert diese Theorien zu seiner Version: Hacker manipulierten die Bordcomputer von außen und lenkten die Maschine auf den US-Stützpunkt, vor dem das US-Militär die Maschine abschoss.
Kann die Maschine aus Versehen abgeschossen worden sein? Das behauptet der britische Autor Nigel Cawthorne in einem Buch. Bei einer damals stattfindenden thailändisch-amerikanischen Militärübung im Südchinesischen Meer sei scharfe Munition verwendet worden. Die Geschichte vom stundenlangen Flug in Richtung Süden sei erfunden worden, um sicherzustellen, dass das Wrack an falscher Stelle gesucht und nie gefunden wird. Seriöse Experten zweifeln nicht an den Angaben der Satellitenfirma Inmarsat, die Stunden nach dem Verschwinden Daten von der Maschine auffing.
Hat der Pilot selbst die Maschine ins Verderben gelenkt? Das halten mehrere erfahrene Unfallermittler für die wahrscheinlichste Variante. Sie äußern sich in einer Dokumentation des Senders National Geographic: Der Pilot dirigiert den Kopiloten unter einem Vorwand aus dem Cockpit, nimmt eine Sauerstoffmaske, löst in der Kabine einen Druckabfall aus, der alle ins Koma versetzt und fliegt Richtung Süden, bis die Maschine mit leeren Tanks abstürzt. Warum würde aber jemand auf Suizid-Mission die Maschine so lange fliegen lassen?
Müller, der noch bis vor kurzem Chef bei der irischen Fluglinie Aer Lingus war, befindet sich nach einer Woche im Amt noch mitten in der Bestandsaufnahme. Wie groß die wirtschaftlichen Probleme von Malaysia Airlines nach dem Katastrophenjahr sind, ist öffentlich nicht bekannt. Der malaysische Staatsfonds Khazanah nahm das Unternehmen im vergangenen Jahr von der Börse und machte sich vom Hauptaktionär zum Alleineigentümer, um den Konzernumbau voranzutreiben. Seither muss die Fluglinie keine Zahlen mehr vorlegen.
Der jüngste Finanzbericht von Ende November zeichnete ein düsteres Bild: Der Quartalsverlust stieg im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent auf umgerechnet rund 140 Millionen Euro, weil verschreckte Passagiere massenhaft fernblieben. In Turbulenzen war Malaysia Airlines aber schon zuvor: Allein seit 2011 häufte sich vor allem wegen zu hoher Kosten für Personal und Zuliefererverträge ein Verlust von 1,2 Milliarden Euro an.