Michael O´Leary Ryanair-Chef sagt weitere Airline-Pleiten voraus

Der Chef des irischen Billigfliegers macht deutliche Ansagen: Er prognostiziert, dass weitere Fluggesellschaften in Europa pleitegehen werden. Ryanair meint er aber nicht – trotz der Schwierigkeiten der vergangenen Monate.

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Der Ryanair-Chef ist immer für einen Spaß zu haben, hat dieses Mal aber eine ernste Botschaft. Quelle: Reuters

London Die Bilder des letzten Air-Berlin-Flugs sind noch frisch in Erinnerung, da warnt der Chef einer Fluglinie bereits vor der nächsten Pleite einer europäischen Gesellschaft. Neben Air Berlin, Alitalia und der britischen Monarch gebe es „noch andere Airlines, die in finanziellen Schwierigkeiten stecken“, erklärte Ryanair-Chef Michael O´Leary am Dienstag. Diese dürften dem Beispiel der drei kollabierten Airlines folgen. Welche Fluggesellschaft oder gar Fluggesellschaften das sein könnte, ließ er offen. Sein eigenes Unternehmen wird er nicht meinen, und das erwarten auch Branchenexperten nicht. Den aktuell veröffentlichten Zahlen zufolge verbuchte Ryanair im vergangenen Halbjahr einen Gewinnanstieg von elf Prozent auf 1,29 Milliarden Euro.

In der Branche tobt ein heftiger Konkurrenzkampf – nicht zuletzt wegen O´Leary, der mit seiner Low-Cost-Strategie bei Ryanair einen Preiskrieg in Gang gesetzt hatte. Immer mehr Gesellschaften versuchen, immer günstigere Tickets anzubieten – und verkalkulieren sich dabei. Die Branche ist noch nicht aus den Schwierigkeiten raus, prognostiziert auch Aktienexperte Neil Wilson von ETX Capital und stimmt damit der Einschätzung von O´Leary zu. Aber Ryanair werde davon profitieren.

Seit einiger Zeit liefert sich der Ryanair-Chef O´Leary einen heftigen Schlagabtausch mit dem Konkurrenten Norwegian Air. Vor kurzem hatte der Ire erklärt, es sei „ein offenes Geheimnis, dass Monarch und Norwegian derzeit knapp bei Kasse sind und diesen Winter vielleicht nicht überleben werden“, sagte er, „sie haben vier Milliarden Schulden und sie verbrennen in unglaublichem Tempo Barmittel“. Norwegian wies diese Vorwürfe zurück. Bei Monarch aber bewahrheitete sich diese Prognose: Die britische Fluggesellschaft, einst die fünftgrößte Airline des Landes, musste vor gut vier Wochen den Betrieb einstellen.

Aber auch für Ryanair liefen die letzten Wochen keineswegs erfreulich. Rund 20.000 Flüge hatten die Iren in diesem Sommer kurzfristig abgesagt und damit viele Passagiere vor den Kopf gestoßen. Nach Aussage des Managements hatte die irische Luftverkehrsaufsicht IAA verlangt, dass Piloten ihren Jahresurlaub innerhalb des Kalenderjahres und nicht im Geschäftsjahr nehmen. Zudem, so erklärte O´Leary nun, sei die Ausbildung vieler neu eingestellter Piloten noch nicht abgeschlossen gewesen. Die Folge: Viele der gelb-blauen Flugzeuge von Ryanair blieben am Boden, Passagiere waren wütend. Er bedaure die Absagen und die dadurch entstandenen Schwierigkeiten für die rund betroffenen 700.000 Ryanair-Passagiere zutiefst, sagte O´Leary.

Dieser Vorfall hat Ryanair bislang gut 25 Millionen Euro gekostet – und wird wohl auch in Zukunft Folgen haben. Denn die Gesellschaft hat in Reaktion auf die vergangenen Wochen das Gehalt für seine Piloten angehoben und wolle nun nicht nur „wettbewerbsfähige“ Gehälter, sondern „deutlich höhere Gehälter (mehr als 20 Prozent) zahlen mit besseren Karriereaussichten, besseren Einsatzplänen und einer viel größeren Arbeitsplatzsicherheit als andere Fluggesellschaften wie unter anderem Norwegian bieten können“, verkündete O´Leary.

Noch liegt dieses Angebot auf dem Tisch, es laufen Verhandlungen. Sollten die Piloten das Angebot annehmen, würden die Kosten von Ryanair pro Jahr etwa 100 Millionen Euro höher ausfallen als bisher. Das ist keine Maßnahme, die dem für seine Sparpolitik berühmt-berüchtigte Manager leicht gefallen sein dürfte. Aber sie war wohl notwendig. Seit langem wird Ryanair vorgeworfen, Mitarbeiter über Subunternehmen zu beschäftigen, zu schlechten Konditionen und niedrigen Löhnen und die Bildung von Gewerkschaften zu verhindern. Es war deswegen auch gemutmaßt worden, dass viele Piloten zur Konkurrenz wechselten und dass das der Grund für die massiven Flugausfälle war.


Kunden bleiben Ryanair treu

Nun könnte ein Ryanair-Kapitän aus Dublin, so rechnet O´Leary vor, 156.150 Euro pro Jahr verdienen – basierend auf einem Grundgehalt von 84.650 Euro. Norwegian muss wieder als Vergleichsmaßstab herhalten: Wie Ryanair-Chef O´Leary aufaddiert, bekommt der Pilot der norwegischen Gesellschaft demnach zwar ein höheres Grundgehalt von 92.400 Euro, dafür aber keine Kosten erstattet und keinen Bonus, und so am Ende auf 128.000 Euro.

Ob diese Maßnahmen ausreichen, um die Ryanair-Mitarbeiter zu überzeugen, wird sich zeigen. Viele Ryanair-Kunden haben sich jedenfalls von den Nachrichten über Flugausfälle und Streitereien mit dem Personal nicht davon abhalten lassen, ein Ticket bei Ryanair zu buchen.

Die Zahl der Passagiere stieg im vergangenen Halbjahr um elf Prozent auf 72,1 Millionen. Im gesamten Geschäftsjahr von Ryanair – das bis Ende März geht – dürften 129 Millionen Passagiere mit Ryanair fliegen, erwartet O´Leary. Das ist etwas weniger als bisher prognostiziert. Die Zahl der Buchungen liege derzeit zwei Prozent über denen des Vorjahres, doch die Ticketpreise seien gesunken, sagt O´Leary. Und sie werden auch weiter fallen, sagt er voraus, wenngleich nicht mehr so deutlich wie bislang erwartet: Tickets werden seinen Aussagen zufolge in dem Jahr um vier bis sechs Prozent günstiger.

Den Investoren versprach er, an seinen Prognosen für den Nachsteuergewinn festzuhalten. Am Jahresende sollen es 1,4 bis 1,45 Milliarden Euro sein. Den Börsianern gefällt das offenbar. Die Aktie stieg an der Heimatbörse in Dublin deutlich.

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