Inwiefern?
Wenn junge Mitarbeiter in einem Projekt stecken, wollen sie nicht gezwungen werden, nach zehn Stunden nach Hause zu gehen. Engagierte Leute müssen länger arbeiten dürfen, wenn sie das wollen – und dafür dann zu anderen Zeiten früher Schluss machen können. Ebenso wichtig ist uns aber auch weiterhin, dass sich die Mitarbeiter nicht selbst ausbeuten.
Leidet bei so viel Lockerheit nicht das Geschäft?
Es gibt natürlich weiter definierte Ziele und Kennzahlen. Trotzdem darf das Controlling nicht ständig eingreifen und dazwischenreden. Es muss das Vertrauen in die Mannschaft haben, dass sie selbst reagiert, wenn die Zahlen nicht stimmen. Die neue Form der Führung ist auch nötig, um die Digital Natives ins Unternehmen zu bekommen und zu halten.
Die dürften mit Otto hauptsächlich antiquierte Kataloge verbinden.
So antiquiert sind die gar nicht. Immerhin nutzen diese Kataloge inzwischen auch andere, ehemals reine Onlinehändler. Aber auch bei uns hat sich deren Bedeutung gewandelt: 93 Prozent des Umsatzes bei der Einzelgesellschaft Otto erzielen wir online, nur 7 Prozent mit dem Katalog. Sie sind aber ein wichtiges Marketinginstrument und inspirieren Kunden dazu, ins Internet zu gehen, daher halten wir daran fest.
Bei Mode im Internet fällt vielen Menschen heute allerdings zuerst Zalando ein. Wollen die jungen Bewerber nicht auch eher zur Konkurrenz?
Der Bekanntheitsgrad von Otto ist immer noch höher. Und Collins mit dem Shop About You war 2015 das Onlinemodeunternehmen mit dem höchsten Wachstum in Europa. Wir respektieren die Konkurrenz, müssen uns aber nicht verstecken.
About You ist das Start-up Ihres Sohnes Benjamin. Hat er denn nach der Freiheit des Gründerlebens überhaupt noch Lust, irgendwann einen Großkonzern zu leiten?
Sie können ein Familienunternehmen aus dem Vorstand oder Aufsichtsrat heraus führen. Über diese Frage habe ich mit meinem Sohn viele Gespräche geführt. Seine Stärken liegen darin, Strategien zu entwickeln und den Wandel voranzubringen, anstatt sie im Tagesgeschäft umzusetzen. Daher kümmert er sich jetzt als gestaltender Gesellschafter aus dem Aufsichtsrat heraus um die Digitalisierung. Das begrüße ich sehr.
Ist die Ära vorbei, in der Kinder automatisch die Unternehmen der Väter weiterführten?
Eltern sollten Kinder nie in eine Position drängen. Sie müssen selbst den Willen und die Begeisterung haben, in das väterliche oder mütterliche Unternehmen zu gehen. Sonst hat es meist negative Folgen – für alle Beteiligten.
Und wenn Ihr Sohn Musiker geworden wäre?
Dann wäre das für mich auch in Ordnung gewesen. Aber ich freue mich natürlich, dass er Spaß am Unternehmertum hat.