Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) setzt auf eine stärkere Unterstützung der Milchbauern in der akuten Preiskrise gemeinsam mit den Ländern. Sein Ziel sei es, weitere EU-Gelder durch einen nationalen Beitrag von Bund und Ländern zu einem großen Hilfspaket zusammenzuführen, sagte Schmidt am Dienstag nach einem Treffen mit seinen Länderkollegen in Berlin. Dabei sollten weitere Hilfen an eine Begrenzung der Milchmenge gekoppelt werden. Modelle für die nötigen rechtlichen Grundlagen wollten die Länder nun bis zu einer Sonder-Agrarministerkonferenz am 15. Juli vorstellen.
Für den Bund hatte Schmidt bei einem „Milchgipfel“ mit Vertretern von Bauern, Molkereien und Handel Ende Mai bereits Nothilfen von „100 Millionen plus X“ zugesagt. Dabei geht es zum großen Teil um weitere Bundeszuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Die Größenordnung des X soll noch unter anderem mit der Unionsfraktion und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geklärt werden.
Schmidt betonte mit Blick auf ein Koppeln weiterer Hilfen an eine Begrenzung der Mengen: „Das ist keine staatliche Milchquote, sondern ein finanzieller Anreiz für eine bessere Mengenregulierung innerhalb des Marktes.“ Wie dies konkret umgesetzt werden könnte, ist vorerst offen. Zu große Milchmengen auf den Märkten sind die zentrale Ursache des seit Monaten andauernden Preistiefs. Die Preise für die Milchbauern sind teils unter 20 Cent je Liter gefallen. Um die Kosten decken zu können, gelten mindestens 35 Cent als nötig.
Der komplizierte Milchmarkt
Die Produktion in den führenden Milcherzeugerländern ist weltweit überproportional gewachsen. Der Hauptgrund dafür sind die hohen Preise der Vergangenheit.
Bei mehr als 40 Cent pro Liter, die die Bauern zwischenzeitlich einheimsten, war die Milchproduktion ein durchaus profitables Geschäft. Also haben sie Kühe gekauft, um mehr zu produzieren und mehr Geld zu verdienen. Aus Sicht jedes einzelnen Bauern ein logisches Verhalten. Wenn aber sehr viel Bauern so handeln, gibt es irgendwann insgesamt zu viel Milch auf dem Markt - und wenn sich die Nachfrage nicht im gleichen Maß erhöht, sinkt der Preis wieder. Für die sinkende Nachfrage gibt es ebenfalls benennbare Gründe.
Zum einen sorgen das Russland-Embargo für einen Rückgang im Milchexport. Zum anderen sorgt die dauerhaft geringe Milchpulver-Nachfrage Chinas, als größtem Abnehmer der deutschen Milch, für Überkapazitäten am Markt. Zusätzlich sinkt die Kaufkraft der Erdöl exportierenden Staaten, die ein Drittel der weltweit gehandelten Milchprodukte importieren, aufgrund des gefallenen Ölpreises.
Die Milchquote wurde 1984 von der damaligen Europäischen Gemeinschaft eingeführt, um die Milchproduktion in den Mitgliedsstaaten zu beschränken. Sie war eine Reaktion auf die steigende Agrarproduktion, die bereits Ende der 1970er-Jahre zu den sprichwörtlichen Milchseen und Butterbergen geführt hatte. Die Überschüsse wurden teuer vom Markt gekauft. Ursprünglich nur für fünf Jahre geplant, wurde die Quote immer und immer wieder verlängert. Wer mehr Milch als vereinbart produzierte, musste eine sogenannte Superabgabe zahlen. Bis zum April 2015. Ab jetzt durften die Erzeuger soviel Milch produzieren wie sie wollen und können. Die Quote wird vor allem wegen anhaltender Erfolgslosigkeit abgeschafft. Butterberge und Milchseen wurden zwar kleiner. Die Preise schwankten allerdings trotzdem.
In den 50er Jahren war schon ein großer Milchbauer, wer zehn Kühe besaß. Um zu existieren, müsste ein Betrieb in dieser Größe heute Milchpreise von mehreren Euro pro Liter verlangen. Das geht nicht. In Deutschland gab es 1996 noch 186.000 Milchbauern, heute liegt ihre Zahl etwa bei 101.000. Sie sinkt jährlich um etwa fünf Prozent. Im bundesweiten Durchschnitt hält ein deutscher Milchbauer bis zu 60 Tiere. Aber fast die Hälfte aller Betriebe besteht aus 100 und mehr Kühen.
Der Vorsitzende der Länder-Agrarminister, Till Backhaus (SPD) aus Mecklenburg-Vorpommern, zeigte sich zufrieden mit dem Gespräch. Er betonte die Einigkeit von Bund und Ländern, Krisenhilfen an eine Reduzierung der Milchmenge zu knüpfen. Angebot und Nachfrage müssten ins Gleichgewicht gebracht werden. Die Länder dringen seit längerem darauf, dass der Staat eine Reduzierung der Milchmengen unterstützt. Der Bund solle Geld für Bonuszahlungen geben oder bei der EU einwerben, hatten die Agrarminister im April beschlossen.
Schleswig-Holsteins Ressortchef Robert Habeck (Grüne) äußerte sich nach dem Treffen ernüchtert und hielt Schmidt „Verhaltensstarre“ vor. „Es gibt kein Angebot und kein Programm, jetzt kurzfristig mit konkreten Maßnahmen die Mengen zu reduzieren.“ Er erwarte nun beim Treffen im Juli eine klare Entscheidung für eine tatsächliche Mengenreduktion, unterlegt von konkreten Maßnahmen. „Der Markt muss stabilisiert werden, im Interesse der Bauern. Wir dürfen nicht zusehen, wie reihenweise Existenzen draufgehen.“
Schmidt sagte, staatliche Unterstützung entbinde die Branche nicht von ihrer Verantwortung. Die Marktbeteiligten müssten zu einer Mengenreduzierung kommen und Schritte für Strukturanpassungen auf den Weg bringen. „Wir können nicht mit Steuergeldern die gesamten Verluste in der Landwirtschaft kompensieren.“