Der Mobilfunkriese AT&T will nach Verabschiedung der US-Steuerreform eine Milliarde Dollar zusätzlich in den USA investieren und mehr als 200.000 Mitarbeitern einen Bonus von 1000 Dollar zahlen. Sollte US-Präsident Donald Trump das Gesetz vor Weihnachten unterzeichnen, würden die Sonderzahlungen noch während der Feiertage fließen, teilte der US-Konzern mit.
AT&T-Chef Randall Stephenson begrüßte die Reform. Sie bringe die US-Unternehmen hinsichtlich ihrer Steuerlast auf Augenhöhe mit dem Rest der industrialisierten Welt.
Auch der Kabelkonzern Comcast kündigte an, mehr als 1000 Mitarbeitern je 1000 Dollar Bonus zu zahlen und in den nächsten fünf Jahren in großem Stil in den USA zu investieren. Comcast zählt laut Analysten zu den großen Profiteuren der Steuerreform.
Trumps Steuer-Weihnachtsgeschenk - zu Lasten deutscher Jobs?
Das Paket umfasst Steuersenkungen im Umfang von knapp 1,5 Billionen Dollar (1,27 Billionen Euro). Zu den Kernpunkten gehört eine massive Senkung der Unternehmensteuern von derzeit 35 auf 21 Prozent. Auch die meisten übrigen Steuerzahler können davon ausgehen, dass sie zumindest vorübergehend weniger Geld an den Fiskus abführen müssen. Allerdings profitierten die Reichen entgegen Trumps Ankündigungen deutlich stärker als die Ärmeren und die Mittelschicht, so die Kritik der oppositionellen Demokraten.
Derzeit sind die Steuern für Firmen sehr hoch. Bei einer Senkung auf 21 Prozent läge die größte Volkswirtschaft der Welt knapp unterhalb des Durchschnitts der meisten Wettbewerber (23 Prozent). Innerhalb der EU gibt es Länder, die ihren Unternehmen noch geringere Steuern ermöglichen - darunter Großbritannien und Irland. Die USA lägen nur knapp unter dem EU-Durchschnitt von etwas mehr als 22 Prozent.
Die Risiken sind groß. Die ohnehin riesige Schuldenlast wird durch die enormen Entlastungen von Unternehmen und dadurch bedingte Mindereinnahmen des Staates noch größer. Kritiker merken an, künftige Generationen von Steuerzahlern hätten die Rechnung zu bezahlen. Zuletzt hatte Notenbank-Chefin Janet Yellen ihre Sorgen zum Ausdruck gebracht.
Es droht ferner ein Überhitzen der ohnehin fast auf voller Kapazität fahrenden US-Wirtschaft. Die Anreize könnten verpuffen, weil die Unternehmen sich entscheiden könnten, nicht in die reife heimische Ökonomie zu investieren, sondern anderswo. Viele Ökonomen sprechen deshalb von einer Reform zur «Unzeit», die Trump aus politischen Gründen habe durchboxen wollen.
Sie warnen vor einem «Unterbietungswettbewerb» bei Steuern. Große Sorge hatte außerdem vor allem eine zunächst angedachte Steuer von 20 Prozent auf Zahlungen an Konzernteile außerhalb der USA ausgelöst - eine Art Sonderabgabe. Peter Altmaier (CDU) und vier weitere europäische Finanzminister hatten sogar einen Brief an ihren US-Kollegen geschrieben. Es geht um eine Regelung namens «excise tax», die das Repräsentantenhaus gefordert hatte. Dies würde etwa Autokonzerne mit Produktionsstandorten in den USA treffen, weil sie viele Teile für die Montage etwa aus Deutschland einführen. Allerdings war die «excise tax» schon im Kompromisspapier mit dem Senat nicht mehr enthalten, hieß es etwa aus dem Bundesfinanzministerium sowie aus deutschen Wirtschaftsverbänden.
Das befürchten viele Politiker in Europa, unabhängig von Parteigrenzen, aber auch Wirtschaftsverbände und Ökonomen. Auch ohne eine Sondersteuer auf konzerninterne Zahlungen drohten teilweise große Nachteile für die deutsche Wirtschaft. Die größte Sorge: Durch die Senkung der Unternehmensteuern könnten Investitionen in die USA verlagert werden - und in Deutschland sinken. Dies könnte am Ende auf Kosten deutscher Jobs gehen. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, bezeichnete die US-Reform bereits als «absolute Kampfansage».
Zwar könnten von einer Belebung der US-Konjunktur durch eine Steuerreform indirekt auch deutsche Unternehmen profitieren, denn die USA importieren viele deutsche Produkte. Allerdings: Eine Senkung der US-Unternehmensteuern schaffe Anreize für deutsche Unternehmen, profitable Investitionen in die USA selbst zu verlagern, sagte der Chef des Wirtschaftsforschungs-Instituts Ifo, Clemens Fuest: «Das ist aber schlecht für Deutschland, wir wollen diese Investitionen hier, wir brauchen die Arbeitsplätze und das Steueraufkommen.»
Der Europaabgeordnete Sven Giegold von den Grünen sagte: «Der Steuerwettbewerb wird fulminant angeheizt.» Dies liegt aber auch daran, dass die USA eine neue Methodik zur Steuererhebung anwenden wollen, die mit den mühsam international vereinbarten Grundsätzen - etwa bei den G20 - nur schwer vereinbar ist.
Die deutsche Industrie hat sich schon klar positioniert: Wenn die USA die Steuern für Unternehmen senken, müsse Deutschland nachziehen. Sprich: Auch hier solle dann die Last verringert werden. Hierzulande liegen die Unternehmensteuern derzeit bei mehr als 30 Prozent. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, forderte, Deutschland werde die Steuerbelastungen seiner Wirtschaft überprüfen müssen. Die letzte umfassende Reform der Unternehmensbesteuerung liege schon zehn Jahre zurück. BDI-Präsident Kempf sagte: «Steuerpolitik ist immer auch Standortpolitik.»
Das Verhältnis zwischen AT&T und der Trump-Regierung war indes wegen einer Auseinandersetzung um die geplante Übernahme des Medienkonzerns Time Warner zuletzt eher angespannt. Die Kartellwächter des Justizministeriums wollen den über 85 Milliarden Dollar schweren Mega-Deal wegen wettbewerbsrechtlicher Bedenken verhindern.
Im März soll der Streit vor Gericht gehen. Eigentlich wollten die Unternehmen die Übernahme bis zum 22. April abschließen, daraus dürfte nun jedoch nichts werden. Der Prozess ist auch politisch hochbrisant, da Trump mit Time Warners Nachrichten-Flaggschiff CNN im Clinch liegt und sich gegen die Fusion ausgesprochen hat.
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