Mobilfunktarife vom Discounter Wie Aldi Talk der Konkurrenz davonrennt

Einkaufswagen vor einer Aldi-Filiale mit Werbeflächen für den Mobilfunktarif Aldi Talk Quelle: imago images

Fast jeder deutsche Discounter oder Supermarkt bietet neben Obst und Gemüse auch eigene Mobilfunktarife an. Obwohl sich diese kaum unterscheiden, hat Aldi Talk viel mehr Kunden als die Wettbewerber. Woran liegt das?

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An den Kassen der deutschen Supermärkte findet man zwischen Kaugummis, Schokoriegeln und Sammelstickern auch SIM-Karten für Smartphones und Guthaben für Prepaid-Karten. Kunden lieben dieses Angebot: kein dauerhafter Vertrag, keine Kündigungsfristen, keine Abbuchungen und volle Kostenkontrolle. Penny Mobil, Aldi Talk oder Lidl Connect – fast jeder Händler bietet einen eigenen Mobilfunktarif.

Die Auswahl ist dementsprechend groß. Trotzdem hat Discounter Aldi mit dem Mobilfunktarif Aldi Talk viel mehr Prepaid-Kunden als die Konkurrenz von Lidl, Rewe und Co. Wie viele es genau sind, das lässt sich nicht beziffern. Denn die Discounter und Supermärkte veröffentlichen allesamt keine Zahlen zu den Kunden der eigenen Mobilfunktarife – aus wettbewerbstechnischen Gründen, wie die meisten mitteilen. Allerdings gibt es Schätzungen von Branchenexperten. Zwischen sechs und acht Millionen Kunden soll Aldi Talk in Deutschland haben – und sei damit unangefochtener Marktführer.

Naheliegendes Argument für den großen Erfolg von Aldi Talk wäre, dass es das erste Angebot einer Discounter-SIM-Karte war. Denn die Tarife unterscheiden sich kaum von der Konkurrenz. „Aldi hat sehr früh damit begonnen, Dienstleistungen als „Non-Food-Angebote“ zu etablieren: Einen Musik-Streamingdienst, den hauseigenen Reiseanbieter und eben bereits 2005 Aldi Talk“, sagt Boris Planer, Deutschlandchef des renommierten Marktforschungsinstituts Planet Retail RNG. Aldi habe sich durch solche Angebote zur richtigen Zeit an veränderte Verbraucherbedürfnisse angepasst.

Der Marktforscher hat beobachtet, dass „die Verbraucher einen wachsenden Anteil ihres Einkommens für Freizeit und Erlebnisse ausgeben“. Dazu gehören laut Planer eben auch die Mobilfunktarife der Discounter. Dass Aldi so früh in den Markt eingestiegen sei, habe dem Unternehmen einen deutlichen Startvorteil gegenüber der Konkurrenz verschafft.

Der erste Lebensmittelhändler mit eigenem Tarif

Aber das allein erklärt noch nicht den dauerhaften Erfolg. Der erste Einzelhändler, der den Kunden einen eigenen Mobilfunktarif angeboten hat, war Aldi ohnehin nicht: Bereits 2004 hat sich der damalige Netzbetreiber O2 mit Tchibo zusammengetan – es entstand Tchibo Mobil. Erst ein Jahr später startete Aldi Talk, damals noch mit E-Plus-Netz. Aber Aldi war der erste Händler aus dem Lebensmitteleinzelhandel, wo heutzutage die meisten SIM-Karten verkauft werden.

Für Torsten Gerpott liegt Aldis Rolle als Marktführer bei Discounter-Tarifen nicht nur am frühen Start von Aldi Talk. Gerpott ist Professor an der Universität Duisburg-Essen und Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmens- und Technologieplanung mit dem Schwerpunkt Telekommunikationswirtschaft. „Mit Aldi Talk kam dieser Trend ins Rollen und immer mehr Supermärkte und Discounter wurden zu Absatzkanälen für Prepaid-Karten der großen Netzbetreiber.“ Es gab also innerhalb kurzer Zeit konkurrenzfähige Angebote. 

Neben dem guten Timing sei die Marktposition des Unternehmens daher ein weiterer wichtiger Grund für den Erfolg von Aldi Talk: „Aldi ist hierzulande vor Lidl der größte Discounter im Lebensmittelhandel und nutzt diese Position aus“, sagt Gerpott. Rund 30,5 Milliarden Euro Bruttoumsatz erwirtschaftete die Aldi-Gruppe im vergangenen Jahr. Knapp sieben Milliarden mehr als Discounter-Konkurrent Lidl. Die Starter-Pakete von Aldi Talk werden also von extrem vielen Kunden in den Filialen wahrgenommen. Der umsatzstärkste Händler im Lebensmitteleinzelhandel ist Aldi jedoch nicht: Die Rewe-Gruppe erwirtschaftete vergangenes Jahr mehr als acht Milliarden Euro mehr als die Aldi-Gruppe, Edeka sogar mehr als 25 Milliarden Euro mehr.

Aldi Talk punktet bei Kundenvertrauen und Preis-Leistungsverhältnis

Damit die Aldi-Talk-Karten in den Filialen nicht nur gesehen, sondern auch verkauft werden, braucht es mehr als hohe Kundenzahlen und guten Umsatz. Für Marktforscher Planer hilft Aldi dabei das große Vertrauen der Kunden: Aldi genieße hierzulande einen hohen Vertrauensvorschuss, den sich die Marke über Jahrzehnte erarbeitet hat. Im Vertrauensranking 2017, einer Studie des Marktforschungsunternehmens ServiceValue in Kooperation mit der WirtschaftsWoche, belegen Aldi Süd und Aldi Nord die Plätze zwei und drei. Zwar liegen die beiden Regionalgesellschaften von Aldi damit auf guten Plätzen. Allerdings liegen sie auch hinter Discounter-Konkurrent Lidl, der im Lebensmitteleinzelhandel bei den deutschen Verbrauchern das größte Vertrauen genießt.

Durch den höheren Umsatz oder das größere Vertrauen sind die Voraussetzungen für den Erfolg von Tarifen wie Edeka Mobil oder Lidl Connect also prinzipiell gegeben. In der Kombination bleibt also einzig der Startvorteil von Aldi Talk durch die frühe Einführung der Prepaid-Angebote. Der sichert Aldi Talk derzeit noch die Rolle als Marktführer.

Wettlauf um den besten Prepaid-Tarif

Um den Vorsprung vor den Wettbewerbern zu behaupten, wurden die Aldi-Talk-Tarife vor kurzem überarbeitet. Aldis Topseller war bis Anfang Juni 2018 das „Aldi Talk Paket 300“ für 7,99 Euro: 300 Freieinheiten zum Telefonieren oder SMS verschicken und 1,5 GB Highspeed-Internet mit LTE. Den exakt gleichen Tarif gibt es aber auch bei Kaufland, das ebenso zur Schwarz-Gruppe gehört wie Lidl. Auch Aldis direkter Discounter-Konkurrent Lidl bietet daher einen gleichwertigen Tarif zum gleichen Preis an.

Tarife der Discounter und Supermärkte im Vergleich

Nun hat Aldi aufgewertet und sich so von der Konkurrenz abgesetzt: Das neue „Aldi Talk Paket S“ bietet Prepaid-Kunden jetzt auch unbegrenztes telefonieren in alle deutschen Netze mit einer All-Net-Flatrate - und damit mehr als die übrigen Discounter-Prepaid-Tarife. Da aber am Preis relativ leicht gedreht werden könne, ist sich Torsten Gerpott sicher, dass die Konkurrenz bald mit ähnlichen Angeboten nachziehen wird.

Welche Angebote das sein werden, das entscheiden aber nicht Lidl, Rewe oder Edeka. Die Discounter und Supermärkte vertreiben die Tarife lediglich im Auftrag der Deutschen Telekom, Vodafone oder Telefónica mit seiner Marke O2. Das sind hierzulande die drei Netzbetreiber, die das Mobilfunknetz unter sich aufteilen. Die SIM-Karten von Kaufland, Netto und Norma sowie von Aldi Talk nutzen das Telefónica-Netz. Mit dem Marktführer für Discounter-Tarife hat Telefónica in Deutschland die meisten Prepaid-Kunden gewonnen – insgesamt 21,3 Millionen.

So viele Kunden haben die Netzbetreiber

Mobilfunk ist das täglich Brot

Für die Mobilfunkanbieter sind die Lebensmittelhändlern also ein zentraler Vertriebskanal. „Supermärkte und Discounter haben eine hohe Kundenfrequenz und sind somit für die Netzbetreiber besonders interessant“, sagt Gerpott. Außerdem sei der Verkauf der SIM-Karten oder des Guthabens simpel: „Der Kunde legt sie bloß aufs Kassenband neben die herkömmlichen Einkäufe und kauft sie so quasi als Beifang ein.“

Laut Marktforscher Planer ist der Verkauf von SIM-Karten und Guthaben im Lebensmittelhandel sogar zwingend notwendig: „Für manche sind Brot und Wasser die Grundversorgung. Heutzutage gehört Datenvolumen aber für einige Verbraucher ebenso zur Grundversorgung.“ Und eine Grundversorgung sei immerhin das mindeste, was die Verbraucher von den Supermärkten und Discountern erwarten.

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