Mobilfunkverträge Wie ein Ingenieur O2 aus dem ewigen Funkloch geholfen hat

O2-Technologiechef Mallick Rao im Serverraum des Unternehmens Quelle: O2 Telefónica

Über Jahre hatte O2 mit Abstand das schlechteste Mobilfunknetz in Deutschland. Doch Ingenieur Rao Mallick verbesserte die Technik so geschickt, das O2 heute zum Bestseller bei Mobilfunkverträgen geworden ist.

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In der Vorweihnachtszeit 2022 herrschte bei O2 regelmäßig schlechte Stimmung. Denn das ist die Zeit der großen Netzvergleiche – und da hagelte es immer wieder schlechte Noten von Fachmagazinen. Noch 2017 stand der Münchner Mobilfunkanbieter kurz davor, ein „Mangelhaft“ zu kassieren – dann wurde es zum Glück wieder eine Vier. In manchen Familien wurde die schlechte Netzabdeckung sogar zum Running Gag: Warum der Onkel mal wieder nicht zur Familienfeier kam? O2-Vertrag! Man hatte ihn schlicht nicht erreicht. 

Noch immer hat O2, die deutsche Marke des spanischen Telekommunikationskonzerns Telefónica, das schlechteste Netz in Deutschland – jetzt aber ist der Qualitätsabstand zu den anderen beiden Netzbetreibern bei weitem nicht mehr so groß. Das verdankt das Unternehmen dem Technologiechef Mallik Rao, der im Herbst 2019 in München aufschlug. In diesem Dezember gab es die Note „Gut“ vom Chip Magazin, vom Connect-Test sogar ein „Sehr Gut“. Der verringerte Abstand zu den anderen beiden Netzen macht den entscheidenden Unterschied: „Unser Ziel ist, vergleichbar gut zu sein“, sagt Rao. „Denn die Netzqualität ist zwar sehr wichtig, aber kein Entscheidungskriterium für die Kunden – wir wollen in anderen Bereichen schneller innovativ sein als der Markt.“

Je schwieriger, desto besser

Der gebürtige Inder versteht sich als Disruptor, der für ein paar Jahre großen Wandel bringt – ehe er sich die nächste Aufgabe sucht, je schwieriger, desto besser. Er trägt einen großen Schnauzbart und einen Zopf – fast ein bisschen wie Frank Zappa. Alle bei O2 nennen Rao einfach nur Mallik, dabei ist sein voller Name, Yelamate Mallikarjuna Rao, denkbar zusammengekürzt. Im Konzern ist er eine Art wandernde Wunderwaffe. Er hat schon in acht anderen Ländern gearbeitet – darunter in Indien, Singapur, Schweden, in der Türkei, in Luxemburg, den Niederlanden und in den USA: „Zu 20 Prozent passe ich mich den Landesgepflogenheiten an, aber zu 80 Prozent bleibe ich genau ich selbst – sonst würde ich ja keine Veränderung mitbringen.“ Im Mai erst verlängerte Telefónica seinen Vertrag um weitere drei Jahre.

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Der interne Codename für das Projekt war Athena, das Ziel, in Wachstum zu investieren. Für Rao war es am wichtigsten, die 1600 Angestellten, für die er Verantwortung trägt, von einem Mindset des Kostensparens wegzubringen: „Das Budget spielt keine Rolle, war meine Botschaft“, so Rao. Telefónica erhöhte die Investitionen ins Mobilfunknetz auf 18 Prozent des Umsatzes – normalerweise geben Telekommunikationsanbieter etwa 13 bis 14 Prozent aus. Das bedeutete, über drei Jahre 500 Millionen Euro zusätzlich auszugeben. In seinen ersten 15 Monaten ließ er 12.000 neue Basisstationen aufstellen – dreimal mehr als in einem normalen Jahr.

Aufräumen mit nationalen Mythen

Und bereits in seinem ersten Monat kündigte er drei Abteilungsleitern – dann stellte er knapp 60 neue Experten ein. Mit diesen Leuten fokussierte er sich auf die strukturelle Veränderung, um klare Anweisungen geben zu können: „Wenn der Prozess richtig definiert ist, kann kein anderes Land ihn so schnell ausführen wie Deutschland.“

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Dennoch brauchte Rao schon gewisse Überzeugungskraft: „Leute lernen gewisse technische Komponenten lieb zu gewinnen – das ist in jedem Land so, nur sind es in jedem Land andere Komponenten.“ Zum Beispiel entschied Rao, viel von den Ressourcen, die auf dem 900 Megahertz-Spektrum, für den alten 2G-Standard, auf dem viele Maschinen kommunizieren, verwendet wurden, umzuwidmen für 4G. „Viele meiner Mitarbeiter hielten das für unmöglich – aber es ging.“

Wie die Mitbewerber schaltete auch er 3G ganz ab und nutzte die freien Frequenzen für 4G. Beim 5G-Ausbau hebt sich Rao bewusst von der Konkurrenz ab. Deutsche Telekom und Telefónica teilen zunächst ihre vorhandenen Frequenzen durch ein Softwareupdate zwischen 4G und 5G, so dass sie schnell ganz Deutschland abdecken. Doch außer, dass das neue 5G-Symbol auf den Telefonen erschien, änderte sich in der Qualität und Geschwindigkeit wenig.

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