Wie leicht sich die Fantasiewelt umbauen lässt. Schaut Markus Langes-Swarovski aus seinem Bürofenster im österreichischen Wattens, kann der Vorstandssprecher und wichtigste Kopf der Glitzerdynastie verfolgen, wie emsig Bauarbeiter die Swarovski Kristallwelten zu einem noch beeindruckenderen Märchenkomplex formen. Schon im nächsten Sommer soll die Besucherattraktion mit neuen Glanzpunkten, kristallinem Park und weiteren Wunderkammern unter dem grün bewachsenen Riesen am Eingang brillieren. Wenn es doch überall im Konzern so schnell voranginge wie im 1995 von Multimediakünstler André Heller entworfenen Kristallwunderland.
In der Wirtschaftsrealität quält die Richtungssuche für das über 100 Jahre alte Unternehmen die neue Generation der Swarovskis. Der Erfolgskonzern mit weltweit mehr als 30 000 Mitarbeitern verliert an Glanz, leidet unter einem offen ausgetragenen Familienzwist. Seit Jahren lässt das Wachstum rapide nach. 2013 sank der Umsatz sogar erstmals um zwei Prozent auf 3,7 Milliarden Franken, nur ein Sparkurs stabilisierte den Gewinn.
Die wertvollsten Marken der Welt (Stand: Mai 2014)
Amazon
Markenwert: 64,3 Milliarden Dollar
Veränderung zum Vorjahr (in Prozent): plus 41 Prozent
Marlboro
Markenwert: 67,3 Milliarden Dollar
Veränderung zum Vorjahr (in Prozent): minus 3 Prozent
AT&T
Markenwert: 77,9 Milliarden Dollar
Veränderung zum Vorjahr (in Prozent): plus 3 Prozent
Visa
Markenwert: 79,2 Milliarden Dollar
Veränderung zum Vorjahr (in Prozent): plus 41 Prozent
Coca Cola
Markenwert: 80,7 Milliarden Dollar
Veränderung zum Vorjahr (in Prozent): plus 3 Prozent
McDonald's
Markenwert: 85,7 Milliarden Dollar
Veränderung zum Vorjahr (in Prozent): minus 5 Prozent
Microsoft
Markenwert: 90,2 Milliarden Dollar
Veränderung zum Vorjahr (in Prozent): plus 29 Prozent
IBM
Markenwert: 107,5 Milliarden Dollar
Veränderung zum Vorjahr (in Prozent): minus 4 Prozent
Apple
Markenwert: 147,9 Milliarden Dollar
Veränderung zum Vorjahr (in Prozent): minus 20 Prozent
Markenwert: 158,8 Milliarden Dollar
Veränderung zum Vorjahr (in Prozent): plus 40 Prozent
BrandZ
Die Konkurrenz hat aufgeholt, selbst Angehörige des Clans können Swarovski-Kristalle nicht mehr von denen der Rivalen unterscheiden, wichtige Weichenstellungen wurden verschlafen. Die Führungscrew aus Familienmitgliedern arbeitet seit Monaten an einer schlagkräftigeren Konzernstruktur. Doch manches Vorhaben scheitert am Veto der Familie, etwa die geplante Übergabe des Kerngeschäfts an einen externen Manager.
Hoffnungsschimmer
Einen Lichtblick kann Markus Langes-Swarovski immerhin ausmachen, der von Wattens in Tirol aus das Industriegeschäft mit Kristallkomponenten für Fremdfirmen steuert und aus Männedorf am Zürichsee in der Schweiz die Konsumgütersparte mit Schmuck und Accessoires. Hauchzart lief das Geschäft im ersten Quartal wieder an. „Wir hatten drei Prozent Wachstum“, sagt der Sohn des langjährigen Konzernchefs Gernot Langes-Swarovski. „Sicher, wir hatten uns etwas mehr vorgenommen“, räumt der 40-Jährige ein. Swarovski bleibe daher auf Sparkurs, müsse sich „auf die neuen Realitäten einstellen“. Und die sind ernüchternd.
Der Glanz vergangener Zeiten verblasst. Mit der ersten Schleifmaschine für Kristalle, die das Glas bestechend funkeln ließ, gelang Gründer Daniel Swarovski von 1895 an der märchenhafte Aufstieg zum Weltkonzern. Früher wuchs Swarovski locker zweistellig pro Jahr. Doch das gelang zuletzt 2010 (siehe Grafik).
„Wir waren ein Stück weit verwöhnt“, sagt Markus Langes-Swarovski. Darben muss die Familie allerdings noch lange nicht; ihr Vermögen liegt bei umgerechnet etwa 2,46 Milliarden Euro. Doch der Druck steigt: Die aggressive Konkurrenz aus Asien, Osteuropa und dem Mittleren Osten setzt Swarovski mit einer Flut deutlich günstigerer Kristalle zu.
Sparkurs angeordnet
Warnungen gab es genug. Schon im November 2012 sandte Robert Buchbauer, Vorstandsvorsitzender und Chef des Konsumgütergeschäfts, eine E-Mail an seine wichtigsten Managerkollegen. „Wir sind auf Status Orange“, stand darin. „Wir müssen unsere Kostenbasis und unsere Ambitionen justieren.“
Die Reaktion war drastisch: Produktionskapazität und viele Expansionspläne zurückfahren, die Reisekosten um ein Viertel senken, weniger Projekte, die Modernisierung der Shops zurückstellen und neue extrem selektiv eröffnen. Swarovskis Gewinn blieb 2013 nur dank dieses Sparkurses stabil.
Der Konzern gibt keine Gewinnzahlen preis, doch intern heißt es, er liege im mittleren dreistelligen Millionenbereich. „Wir sind kein Sanierungsfall, sondern ein gut funktionierendes Unternehmen. Ein Konzern, der derzeit zwar kein zehnprozentiges Wachstum zustande bringt, aber sich auch das wieder vornimmt“, betont Markus Langes-Swarovski. Die Marke besitzt noch Strahlkraft. Und die fünfte Generation der Swarovskis versucht, das Geschäft herumzureißen. Noch hat sie die Chance.
Neue Struktur für das Familienunternehmen
In der zweiten Aprilwoche zog sich die Unternehmensspitze für mehrere Tage zur Klausur in die USA zurück. Diese Treffen, die sonst zweimal pro Jahr – einmal in Tirol und einmal in Amerika – stattfinden, sind jetzt häufiger angesetzt. Die Swarovskis suchen neue Wachstumsideen und Strategien, sie wollen Produktion und Vertrieb moderner und agiler aufstellen.
Und, noch wichtiger: Swarovski soll eine neue Struktur erhalten. Eine, in der die Macht der drei Stämme der Gründersöhne Alfred, Fritz und Wilhelm mit ihren teilweise unterschiedlichen Ansichten kanalisiert und der Konzern leichter steuerbar wird.
„Die Rolle zwischen Führung, Aufsicht und Familie müssen wir optimieren. Die drei Kreise überschneiden sich stark“, sagt Langes-Swarovski. „Erfolgreiche Familienunternehmen strukturieren den Einfluss der Familie und das Management klarer. Bei der Größe des Unternehmens und der Familie geht es ohne strukturiertes Management nicht mehr.“
Die vier C und ein Z: Was den perfekten Diamanten ausmacht
Die Zertifikate sind wichtig, um den Wert der Steine und deren Herkunft belegen zu können. Solche Zertifikate vergeben unter anderem das Deutsche Diamanteninstitut, das Gemological Institute of America, dem International Gemological Institute, dem Hoge Raad voor Diamant oder dem Diamant Prüf Labor in Idar-Oberstein. „Da muss man sehr darauf achten, mittlerweile gibt es einen richtigen Markt für Zertifikate. Nachher ist der Stein nicht so schön, wie es auf dem Papier steht“, weiß Dieter Hahn, Inhaber der ältesten Diamantschleiferei Deutschlands, der Diamantschleiferei und –handlung Ph. HahnSöhne.
„Generell verkaufen sich die weißen Steine am besten“, sagt Diamantär Dieter Hahn. „Steine mit einem gelblichen oder bräunlichen Einschlag sind billiger, weil sie häufiger vorkommen“. Man geht davon aus das 90 Prozent aller Diamanten gelbliche Verfärbungen haben. „Dann gibt es noch die Fantasiefarben, die sogenannten fancy colours, also orange, rosa, pink. Das sind die Van Goghs, die sind sehr, sehr selten.“ Dementsprechend erzielen solche Steine astronomische Preise.
Außerdem hängt der Wert des Steins von dessen Reinheit ab. Verunreinigungen und Einschlüsse mindern den Preis. Ein lupenreiner Diamant hat dementsprechend den höchsten Wert.
Auch der Schliff spielt eine Rolle. Es gibt zehn verschiedene Schliffarten: Asscher, Brillant, Cushion, Emerald, Herz, Marquise, Oval, Prinzess, Radiant und Tropfen. Je ungewöhnlicher der Schliff, desto schlechter lässt sich der Stein wieder verkaufen. „Am besten verkaufen sich klassische, runde Stein, also der klassische Brillant in den Farben feines weiß und besser“, erklärt Diamantär Hahn.
Das Gewicht von Diamanten wird in Karat gemessen, ein Karat entspricht 0,2 Gramm. Grundsätzlich muss ein großer Stein aber nicht wertvoller sein, als ein kleiner.
Bei der Struktur prüft die Führungsspitze auch, was sich von Aktiengesellschaften übernehmen ließe. „Es wäre ein Organisationsmodell nötig, in dem am Schluss einer die Entscheidungen treffen kann“, sagt Alexander Rehm, der 2013 sein Amt als Führungskräfteentwickler aufgab und Swarovski verließ. Man könne einen Konzern nicht demokratisch führen.
Im Zusammenspiel von Familie und Unternehmen knirscht es oft. Kein Wunder, entscheidende Beschlüsse verlangen fast Einstimmigkeit, andere 75 Prozent Zustimmung der mehr als 70 Gesellschafter, hinter denen gut 200 Familienmitglieder stehen. Langes-Swarovski, Buchbauer und Finanzchef Mathias Margreiter, ebenfalls ein Clanmitglied, brachte das im vergangenen Jahr eine herbe Niederlage ein.
Unter dem Titel „DNA 2014“ planten die wichtigsten Köpfe der fünften Generation, Industriegeschäft und Konsumgütersparte unter eine Führung zu stellen – unter die eines externen Chefs. Im Frühjahr verkündeten sie ihren Plan schon groß intern. Der Rückzug folgte nach dem Sommer. Die Idee war an der ablehnenden Mehrheit in der Familie gescheitert. „Es ist vernünftiger, beide Geschäfte unabhängig zu managen“, sagt nun auch Langes-Swarovski.
Die Familie scheut einen externen Chef wohl auch, weil solch ein Schritt die feine Machtbalance zwischen den drei Clan-Stämmen gefährden könnte (siehe Grafik links). So ist Markus Langes-Swarovski aus dem Alfred-Clan, der mit 35 Prozent die meisten Anteile hält, Sprecher des Vorstands und Buchbauer aus dem Fritz-Stamm Vorstandschef.
Seit vor zwei Jahren Nadja Swarovski-Adams für ihren Vater Helmut als Design- und Kommunikationschefin in die Führung einzog, sitzt die fünfte Generation quer durch die Familienstämme in der Geschäftsleitung: Buchbauer als Konsumgüterchef, Langes-Swarovski als Leiter der Komponentensparte, Margreiter führt die Finanzen, Daniel Cohen die Edelsteinsparte. Drei von ihnen sitzen zudem mit drei Vertretern der fünften Generation im Beirat, dem Aufsichtsorgan.
Wenig familiärer Umgang
Streit vor Gericht
Dagegen demonstriert Swarovski, wie die Familie sich mit operativ arbeitenden Clanmitgliedern aufreiben kann. Erstmals in der Firmengeschichte zog ein Familienmitglied gegen Swarovski vor Gericht. Paul Swarovski war 2013 vom Beirat als Chef des ein Jahr jungen Tochterunternehmens Swarovski Energy entlassen worden, der Titel des persönlich haftenden Gesellschafters wurde ihm aberkannt.
Ihm wurde vorgeworfen, statt eines geplanten Innovationszentrums ein Unternehmen für neue Geschäftsideen aufgebaut zu haben. „Das ist etwas anderes und bringt ein viel höheres Risiko mit sich. Die Einstellung der Familie dazu war eher konservativ und passte nicht“, sagt Markus Langes-Swarovski. Und das, obwohl Paul Swarovski erfolgreich etwa einen Deal mit Mercedes festzurrte, um die Scheinwerfer des neuen S-Klasse-Coupés mit Swarovski-Kristallen zu verzieren. Eigentlich ein Imagegewinn erster Güte.
Um einen Gerichtsprozess abzuwenden, verhandelt der Konzern über einen Vergleich. Zugleich setzte er aber Manager aus Paul Swarovskis Dunstkreis so unsanft vor die Tür, dass mehrere von ihnen nun ebenfalls gegen das Unternehmen klagen.
Buchbauer immerhin hat einen Teilrückzug aus der operativen Führung vollbracht. Er bleibt zwar CEO der Konsumgütersparte, übergab aber 2013 die Verantwortung für das dortige Kerngeschäft an Roland Möcke. Das zuvor von Buchbauer geführte Schmuck- und Accessoires-Geschäft kämpft mit vielen Problemen.
Im Oktober 2013 deklinierte Möcke die Defizite der Sparte per Brief an die Mitarbeiter durch. Sparen allein reichte da nicht. Oft konnte Swarovski die Nachfrage nicht bedienen, weil die Marktforschung unpräzise war. Andere Produkte wurden zu Ladenhütern. Die Kunden müssten Swarovski wieder als Trendsetter erleben, befand Möcke. Er will den Umsatz im Kerngeschäft dieses Jahr um vier Prozent steigern. Es muss klappen: Die Sparte trug einst die Hälfte der Erlöse, in diesem Jahr werden es zwei Drittel sein.
Zum Verwechseln ähnlich
Denn beim von Markus Langes-Swarovski geführten Geschäft mit Einzelkristallen für Fremdfirmen sackte der Umsatz seit 2007 um 40 Prozent ab. Das Geschäft leidet unter harter Konkurrenz. Swarovski hätte längst das Volumensegment verlassen müssen, urteilen Branchenexperten. Ex-Manager Rehm sagt, Swarovski hätte „in margenstarken Nischen bleiben oder die Produktion konsequent in günstigere Standorte verlagern sollen“.
Sammler von Swarovski-Figuren besitzen oft Hunderte der kristallenen Wesen. Schwäne, Delfine, Bärchen – fast alles schleift Swarovski zu Glitzerglas.
Doch selbst der Erlös dieses alten Geschäfts rutscht weg. Als Wertanlage wollen die Glastierchen nicht mehr taugen. Noch schlimmer: Rivalen fertigen zum Verwechseln ähnliche Kristalle. Im Konsumgütergeschäft sollen deshalb neue Labels wie Lola & Grace für jüngere Kunden oder die gerade gestarteten Cadenza-Designer-Schmuckshops neue Käufer anlocken.
An die schon eingestielte Expansion aber traut sich das Management erst, wenn die neuen Strategien greifen. Einen Mega-store wollte Swarovski aufziehen und erstmals auch in China einen Glitzertempel wie die kristallene Märchenwelt in Wattens aufbauen – alles gestoppt, um den Konzern zunächst auf Kurs zu bringen. Die Pläne liegen parat. Fraglich ist nur, wann aus der Fantasie Wirklichkeit wird.