Flugreisende im innerdeutschen Verkehr haben schon bald mehr Auswahl als vor der Air-Berlin-Pleite. In diesem Sommer wird das Flugangebot nach Prognose des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) größer sein als vor einem Jahr. Air Berlin hatte den Flugbetrieb Ende Oktober eingestellt. Für die Gläubiger der insolventen Air Berlin endete am Donnerstag die offizielle Frist, um Forderungen anzumelden. Für die rund 3200 Flugbegleiter nahm der Insolvenzverwalter Lucas Flöther Gespräche über einen Sozialplan auf.
Nach der Aufgabe von Air Berlin waren Lufthansa oder ihre Tochter Eurowings auf manchen Strecken vorübergehend konkurrenzlos. Das führte teils zu starken Preiserhöhungen und veranlasste das Bundeskartellamt zu einer Prüfung.
Von Oktober bis Dezember 2017 seien für die Passagiere innerdeutsch 21 Prozent weniger Sitzplätze im Angebot gewesen als im Vorjahreszeitraum, sagte BDL-Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow am Donnerstag in Berlin. „Seit Januar erhöht sich das Angebot aber wieder, im März wird die Kapazitätslücke fast vollständig kompensiert sein.“ Besonders Easyjet, Lufthansa und Eurowings stießen in die Lücke, die Air Berlin hinterlassen habe.
Die Chronik von Air Berlin
Vor 38 Jahren hob der erste Air-Berlin-Flieger ab. Alles begann mit alliierten Sonderrechten zur Landung im geteilten Berlin. Nach der Wende wuchs Air Berlin zur Nummer Zwei am Himmel über Deutschland heran, doch dann folgte eine jahrelange Krise.
1978: Gründung als Chartergesellschaft durch den Ex-Pan-Am-Pilot Kim Lundgren. Erstflug am 28. April 1979 von Berlin-Tegel nach Mallorca. Die Flotte umfasst zwei Maschinen.
1991: Im April kauft der LTU-Manager Joachim Hunold die Mehrheit der Anteile. Es gibt kurz darauf 15 Flüge pro Tag. Air Berlin expandiert und stationiert zunehmend auch Flugzeuge auf Regionalflughäfen.
1998: Mit dem Mallorca Shuttle Einstieg ins Linienfluggeschäft.
Einstieg zu 25 Prozent bei der österreichischen Fluggesellschaft Niki des früheren Rennfahrers Niki Lauda.
Börsengang und Kauf der Fluggesellschaft dba.
Kauf des Ferienfliegers LTU, damit auch Interkontinentalflüge.
Air Berlin rutscht in die roten Zahlen, legt das erste Sparprogramm auf: Strecken fallen weg, Flugzeuge werden ausgemustert. Die Übernahme des Ferienfliegers Condor scheitert.
Air Berlin kündigt für 2012 den Eintritt in das Luftfahrtbündnis Oneworld an.
Hunold wirft das Handtuch, Hartmut Mehdorn übernimmt. Ein weiteres Sparprogramm soll das operative Ergebnis um 200 Millionen Euro verbessern. 18 der 170 Maschinen werden verkauft.
Die arabische Staatsairline Etihad erhöht ihren Anteil von knapp 3 auf 29,2 Prozent und stützt die Airline mit einem 255-Millionen-Dollar-Kredit. Ein neues Sparprogramm beginnt. Der Verkauf des Vielfliegerprogramms an Großaktionär Etihad bringt nur vorübergehend wieder schwarze Zahlen.
Wolfgang Prock-Schauer wird Vorstandschef und verschärft das von Mehdorn im Vorjahr aufgelegte neue Sparprogramm. Jeder zehnte Arbeitsplatz fällt weg, die Flotte schrumpft auf 142 Maschinen.
Im Februar löst Stefan Pichler den glücklosen Prock-Schauer ab. Air Berlin macht 447 Millionen Euro Verlust - so viel wie nie.
Nach einem juristischen Tauziehen kann Air Berlin den größten Teil der wichtigen Gemeinschaftsflüge mit Etihad weiter anbieten. Die Zahlen bessern sich nicht. Gespräche mit Lufthansa über einen Verkauf von Geschäftsteilen beginnen. Mit einem tiefgreifenden Umbau und der Streichung von bis zu 1200 Arbeitsplätzen will Air Berlin seine Krise überwinden.
Air Berlin bekommt einen neuen Chef. Der Lufthansa-Manager und früheren Germanwings-Chef Thomas Winkelmann wird Vorstandschef. Air Berlin führt ihren Flugbetrieb in zwei getrennten Geschäftsfeldern weiter: Langstreckenflüge und Städteverbindungen in Europa werden zusammengefasst, Urlaubsflüge unter der Marke Niki geführt. Lufthansa erklärt sich bereit, Air Berlin zu übernehmen, wenn der Großaktionär Etihad zuvor die Schulden übernähme.
Air Berlin meldet Insolvenz an. Zuvor hatte Etihad seine finanzielle Unterstützung eingestellt. Ein 150-Millionen-Euro-Kredit des Bundes soll den Flugbetrieb zunächst sichern.
Fast 40 Jahre nach dem Start der ersten Air-Berlin-Maschine in Berlin-Tegel landet am 27. Oktober 2017 um 23.45 Uhr der letzte Air-Berlin-Flieger dort. Die Zukunft der Angestellten und vieler Unternehmensteile ist zu diesem Zeitpunkt noch ungewiss.
Deren Flugbegleiter erhielten erst in der vergangenen Woche die Kündigung. Zuvor hatte es einen längeren Rechtsstreit um den Kündigungsschutz gegeben. Nun seien die ersten Gespräche mit der Personalvertretung und der Tarifkommission über einen Sozialplan geführt worden, teilte Flöter mit. „Unser Ziel ist, die Hängepartie für die Mitarbeiter zu beenden und eine für alle Seiten akzeptable Lösung zu finden.“
Die Insolvenzmasse ist allerdings so gering, dass nicht viel Geld für das Kabinenpersonal herausspringen dürfte. Der Umfang des Sozialplans sei „gesetzlich genau definiert und wird insbesondere durch die verfügbare Insolvenzmasse begrenzt“, stellte Flöther fest. Für einen Sozialplan innerhalb eines Insolvenzverfahrens erlaubt die Insolvenzordnung eine Ausgleichszahlung von maximal zweieinhalb Monatsgehältern für entlassene Arbeitnehmer.
Die Gewerkschaft Verdi kritisierte, dass erst die Kündigungen ausgesprochen worden seien und dann verhandelt werde. Sie teilte jedoch die Einschätzung, dass von einem Sozialplan für die Mitarbeiter letztlich nicht viel zu erwarten sei. Unabhängig davon dürfte ein Großteil der Flugbegleiter bei anderen Airlines unterkommen. Allein Easyjet will rund 1000 von ihnen beschäftigen.
Beim Hamburger Auktionshaus Wilhelm Dechow ging am Donnerstag eine 17-tägige Online-Auktion zu Ende, bei der Inventar von Air Berlin versteigert wurde. Über das Ergebnis will Dechow am 6. Februar informieren. Im Angebot waren zum Beispiel Ledersitze, Servierwagen und Schokoherzen. Die Erinnerungsstücke wurden in einer Lagerhalle in Essen zusammengetragen.