Nachhilfe-Start-ups Die Wette aufs virtuelle Klassenzimmer

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Firmenkunden rücken ins Blickfeld

Investor Ried ist überzeugt davon, dass Platz für mehr als einen Anbieter ist – und lobt, dass Easytutor auch auf zahlende Großkunden setzt. So nutzen eine Reihe von Fußball-Bundesligavereinen die Plattform im Rahmen ihrer Jugendarbeit: Die Nachwuchskicker können so nachholen, was sie durch Trainings verpassen. Weitere Kunden sind der Handelskonzern Otto oder der Versicherer Arag, die Mitarbeitern mit Kindern den Zugang zu der Plattform spendieren.

Auch Simpleclub sucht seine Kundschaft zunehmend bei Unternehmen. Groß geworden ist das Berliner Start-up mit launigen Nachhilfevideos auf Youtube. Inzwischen hat die dazugehörige App mehr als eine Millionen Nutzer und wird immer öfter auch im Schulunterricht genutzt, auch in Berufsschulen. Seit 2019 kooperiert Simpleclub mit Brillux bei der Malerausbildung und mit der DIHK Bildungs GmbH bei Kursen für Bürokaufleute. Nun hat das 2012 von zwei Schülern gegründete Unternehmen auch den Deutschen Sparkassenverlag als Kunden gewonnen. Ab Herbst sollen alle Sparkassen digitale Lerninhalte für die Ausbildung nutzen können.

„Bis zum Ausbildungsstart 2022 wollen wir die wichtigsten Berufe digital abbilden“, kündigt Simpleclub-Mitgründer Alexander Giesecke an. Dieser Markt ist attraktiv: Die langfristig angelegten Kooperationen sichern dem Start-up einen kontinuierlichen Schwung an neuen Nutzern – und verlässliche Einnahmen. Die Bereitschaft von Unternehmen, in Onlineschulungen zu investieren, ist auch vor dem Eindruck zeitweise geschlossener Berufsschulen im vergangenen Jahr stark gestiegen. Und sie können sich mit der Online-Ausbildung als moderne Arbeitgeber präsentieren.

Schulen müssen wieder normal unterrichten, sonst ist eine ganze Generation in Gefahr. Andere Länder zeigen, dass es funktionieren kann.
von Cordula Tutt

GoStudent verspricht das perfekte Match

GoStudent setzt dagegen alles daran, Eltern direkt zu erreichen – und will nun einen Teil der Kapitalspritze in TV-Spots, Briefsendungen und andere Marketingkanäle investieren. Es ist ein gezielter Angriff auf seit Jahrzehnten etablierte Marken wie Schülerhilfe. „Deutschland ist zwar unser stärkster Markt. Aber wenn man Leute auf der Straße fragt, kennt uns kaum jemand“, sagt Ohswald. Er sieht darin vor allem eine Chance: Etwa die Hälfte der gut acht Millionen Schüler in Deutschland bekomme am Nachmittag regelmäßig Extraunterricht. In den meisten Fällen wählten Eltern Bekannte aus – oder folgten Empfehlungen anderer Eltern.

Ohswald verspricht, dass Algorithmen jedem Eltern-Schüler-Gespann nach einem Vorgespräch „perfekt passende Lehrer“ vorschlagen. Dank digitalem Unterricht muss der nicht zufällig in der Nachbarschaft wohnen. In der Datenbank seien inzwischen rund 3000 freiberufliche Tutoren. GoStudent rühmt sich damit, nur fünf bis zehn Prozent der Bewerbungen anzunehmen. Mit jedem Nachhilfelehrer gibt es einen Videocall, geprüft werden fachliche und pädagogische Kompetenzen. Nach den Unterrichtseinheiten geben die Kunden eine Bewertung ab. Nachgehalten wird natürlich auch, ob sich die Noten der Schüler verbessern.

Für die Tutoren sind Plattformen wie GoStudent ein zweischneidiges Schwert: Einerseits bekommen sie Kunden auf dem Silbertablett serviert. Andererseits müssen sie sich den Spielregeln der Plattform beugen – und die vorgegeben Preise akzeptieren. Zwischen zwölf und 15 Euro zahlt das Start-up für 50 Minuten Einzelunterricht. Den Kunden werden 17,50 und 26,90 Euro pro Einheit in Rechnung gestellt – abhängig davon, wie lange sie sich an die Plattform binden.

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Werben um pensionierte Lehrer

Ein Gegenmodell hat ein Gründertrio aus Ludwigshafen aufgebaut: Tutorspace versteht sich als reiner Marktplatz, auf dem Nachhilfelehrer ihre Dienste anbieten können. „Wir mischen uns nicht direkt in die Preisgestaltung ein“, sagt Mitgründer Patrick Nadler. Schaffen wolle das Start-up eine Vergleichbarkeit sowohl für Onlineangebote als auch für den Unterricht vor Ort. Die Vermittlung ist kostenlos für Eltern und freiberufliche Tutoren. Zahlen müssen dagegen Nachhilfeschulen, die sich ebenfalls auf dem Portal registrieren können. Geld verdient das Start-up zudem mit Werbeanzeigen in seinen Smartphone-Applikationen.

Mehr als 1000 Schulen haben die Gründer laut Nadler inzwischen von sich überzeugen können. Mit der Investitionsbank Rheinland-Pfalz hat sich kürzlich ein erster institutioneller Geldgeber an dem erst im Sommer gegründeten Unternehmen beteiligt.

Gemeinsam ist allen digitalen Plattformen: Sie müssen es schaffen, gute Nachhilfelehrer dauerhaft an sich zu binden. Doch es drohen bereits Engpässe. „Die Kundenzahlen wachsen schneller, als wir unsere Tutoren-Basis ausbauen können“, räumt GoStudent-Gründer Ohswald ein. Bisher setzt das Start-up überwiegend auf Studenten, die nach ihrem Abschluss auf den Nebenverdienst meist nicht mehr angewiesen sind. Nun will das Start-up etwa um pensionierte Lehrer werben, die noch Spaß am Unterrichten haben: „Wir müssen da kreativ werden.“

Mehr zum Thema: Corona ließ einige Geschäftsmodelle implodieren, andere erfuhren eine unerwartete Nachfrage. Das gilt auch für Start-ups.

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