Nachtflugverbot Nachtflugverbot bleibt und birgt Gefahren

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen bestätigt. Das Urteil könnte Signalwirkung haben - eine weitere Verschärfung wäre eine Gefahr für die deutsche Luftverkehrsbranche.

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Ungeliebte Donnervögel
Fluglärm belastet die Gesundheit, das haben wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt. Wer etwa über Jahre hinweg einem hohen Fluglärm-Pegel ausgesetzt ist, hat ein höheres Herzinfarkt-Risiko als Menschen ohne diese Schallbelastung. Doch wie entsteht Fluglärm eigentlich? Und was tun Hersteller und Flughafenbetreiber, um die Belastungen zu reduzieren? Ein Überblick. Quelle: dpa
StartHauptlärmquelle beim Start sind die Triebwerke des Flugzeugs. Je nach Triebwerksart sind der Motor selbst oder die Abgase für die Geräuschentwicklung verantwortlich. Bei Turboprop-Maschinen entsteht Lärm vor allem an den Propellerblättern, bei Jettriebwerken kommt es bei der Vermischung der Austrittsgase mit der umgebenden Luft zur Lärmentwicklung. Quelle: ap
TriebwerkeDurch neu entwickelte Strahltriebwerke versuchen Hersteller, den Lärmpegel beim Start zu senken. Im Zentrum des Interesses steht dabei der Fan, ein Gebläse zur Beschleunigung des Luftstroms. Experten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben einen neuen, langsam drehenden Fan entwickelt, der nicht nur deutlich leiser arbeitet, sondern auch Triebwerke mit höherer Leistung ermöglicht. In die gleiche Richtung geht ein Gemeinschaftsprojekt des amerikanischen Herstellers Pratt & Whitney und der deutschen MTU, das es bis 2013 zur Marktreife bringen soll. Quelle: dpa
Zero-SpliceUntersuchungen des DLR haben ergeben, dass ein Drittel des Triebwerklärms nach vorne abgestrahlt wird. Ein Grund dafür sind baubedingte Nähte und Lücken an Teilen im Lufteinlass des Triebwerks. Mit dem Zero-Splice-Verfahren, bei dem der Lufteinlass lückenlos umkleidet wird, lässt sich diese Lärmquelle beseitigen. Zum Einsatz kommt das Verfahren etwa beim Super-Airbus A380. Quelle: dapd
BrennstoffzellenAuch der Weg zur Start- oder Parkposition geht nicht ohne Lärm ab – müssen die Flugzeuge doch auch für die Fahrt über das Rollfeld ihre Triebwerke einsetzen. Abhilfe verspricht hier eine neue Entwicklung des DLR: Brennstoffzellen im Bugrad der Maschine liefern Energie für zwei Elektromotoren, die das Flugzeug ohne Lärm und Abgase über das Rollfeld befördern. Quelle: dpa
LandungBei der Landung sind weniger die Triebwerke als vielmehr Tragflächen und Fahrwerk für die Lärmentwicklung verantwortlich. Das ausgefahrene Fahrwerk und die geöffneten Klappen, hinter denen die Räder während des Fluges verborgen liegen, erhöhen den aerodynamischen Widerstand und bremsen das Flugzeug ab. Gleichzeitig macht sich die Luftströmung an den Rädern sowie an den zur Landung ausgefahrenen Vorflügeln und Landeklappen unangenehm laut bemerkbar. Quelle: dpa
Frankfurter VerfahrenZur Vermeidung von Anfluglärm wurde am Frankfurter Flughafen das sogenannte „Frankfurter Verfahren“ entwickelt. Kern dieser mittlerweile weltweit zum Standard gewordenen Methode ist ein möglichst spätes Ausfahren von Vorflügeln, Landeklappen und Fahrwerk. Gleichzeitig ist der Pilot angehalten, das Flugzeug in einem gleichmäßigen Gleitflug ohne übermäßigen Triebwerkseinsatz sinken zu lassen. Quelle: dapd

Wohl kaum einen Termin haben Lufthansa-Chef Christoph Franz und der Chef der Frachtabteilung Karl Garnadt so sehr erwartet wie den heute vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Mit der Entscheidung, dass am Frankfurter Flughafen zwischen 23 Uhr nachts und fünf Uhr morgens keine Flugzeuge mehr starten und landen dürfen, geht es aus Sicht der beiden um nicht weniger als den Bestand wesentlicher Teile des Logistikgeschäfts. Dazu gehört auch die die Frage, ob die Lufthansa nicht ihre ganze Frachterflotte mit ihren derzeit 18 Maschinen und fünf Neubestellungen still legt, weil die sich nur rechnen, wenn sie Nachts nach Produktionsschluss der Fabriken fliegen dürfen.

Internationales Drehkreuz

Dabei geht es für Franz und Garnadt nicht nur um den profitabelsten Teil von Europas größter Fluglinie. Für alle deutschen High-tech-Unternehmen mit eiligen Lieferungen ist es auch die wichtigste Verbindung zur Welt. Nun brechen die Lieferketten ab, die Arbeitsplätze vor allem der vielen Hundert Verlader an Deutschlands größtem Flughafen gehen verloren, weil die Güter dann künftig über Amsterdam, Paris oder gar Dubai in die Welt gebracht werden.

Passagier- und Frachtaufkommen, Starts und Landungen sowie Nachtflugverbote auf Deutschlands größten Flughäfen.

Die Erlaubnis, den Frankfurter Flughafen in seiner Kapazität um fast die Hälfte auszubauen, war ein fester Teil des sogenannten Mediationskompromisses. Bei dieser in jahrelangen Verhandlungen ausgehandelten Vereinbarung zwischen der Luftfahrtbranche, den Kommunen und den Anwohnern mussten alle Seiten Opfer bringen. Lufthansa und der Flughafen Frankfurt verzichteten auf einen Teil der Flüge und damit auf Umsatz und Gewinn. Die Anwohner  hingegen opferten einen Teil ihrer Nachtruhe gegen die Zusage, statt nachts wie bisher im Schnitt alle gut fünf Minuten überflogen zu werden  zumindest in der sogenannten Mediationsnacht zwischen 23 und 5 Uhr Ruhe zu haben – und dafür weiterhin in einer Wachstumsregion mit sicheren Arbeitsplätzen zu leben.

Darum war es mehr als fahrlässig, an dem Nachtflugkompromiss zu rütteln. Denn wenn die Lufthansa und der Flughafen glaubten, sich um einen Teil des Kompromisses drücken zu können, warum sollten die Anwohner nicht auch ihr Entgegenkommen zurückziehen und eine Schließung des Flughafens zwischen 22 und sechs Uhr morgens fordern. Zudem gilt: die Folgen eines Nachtflugverbots in der heutigen Form sind sicher unangenehm. Aber ein Drama sind sie nicht. Nicht für die Lufthansa und schon gar nicht für den Frankfurter Flughafen.

Ein gutes Geschäft für die Lufthansa

Die größten Flughäfen Europas
Platz 8: London Gatwick Quelle: AP
Platz 9: Barcelona El Prat Quelle: dapd
Platz 8: Fiumicino, Rom Quelle: Reuters
Platz 6: Istanbul, Atatürk-Airport Quelle: REUTERS
Platz 6 München Quelle: dpa
Platz 5: 49,7 Millionen: Madrid-Barajas Quelle: Reuters
Platz 4: Amsterdam - Schiphol Quelle: Reuters

Denn als Preis für die Einschränkung bekamen Airlines und Airport ja die Erlaubnis zu wachsen.  Die Flugbranche verzichtete am Ende auf die gut 50 Nachtflüge, die sie vorher hatte. Dafür bekam sie in jeder der verbliebenen 18 Stunden jeweils gut 40 mögliche Flüge dazu. Das ist alles andere als ein schlechtes Geschäft für Lufthansa und den Flughafen. Will die Lufthansa in Zukunft bestehen gegen die Wettbewerber vom persischen Golf wie Emirates, Linien aus Fernost oder die grundsanierten US-Linien, braucht sie vor allem ein dichteres Flugnetz. Weil die Konkurrenten allesamt niedrigere Kosten haben, kann Lufthansa nur bestehen, wenn sie ihre höheren Preise durch ein besseres Angebot für die Kunden rechtfertigen.

Da ihr das mit ihrem gerade im Vergleich zu Emirates oder Singapore Airlines vergleichsweise bescheidenen Bordservice nicht gelingt, muss sie über eine kürzere Reisezeit punkten. Das bedeutet mehr Flugziele ohne Umsteigen anfliegen. Und wo es ohne Flugzeugwechsel nicht geht, muss der ohne lange Wartezeiten von statten gehen. Dazu braucht die Lufthansa mehr Flüge und die bekommt sie durch die neue Landebahn in Frankfurt.

Beispiel Heathrow: Stagnation

Wie die Alternative „Nachtflüge, aber kein Ausbau“ ausgesehen hätte, lässt sich in Teilen täglich am Londoner Flughafen Heathrow sehen. Der stagniert, weil er seit Jahren nicht mehr gewachsen ist und aus jetziger Sicht auch keine Chance hat‚ jemals ein neue Bahn zu bekommen. Darum muss British Airways als größte Linie in Heathrow neue Start- und Landezeiten auf den überfüllten Pisten teuer kaufen, wie zuletzt durch die Übernahme der Lufthansa-Tochter BMI. Doch weil das System ständig an der Belastungsgrenze arbeitet, reicht oft schon ein mittleres Gewitter und das fein austarierte System aus Zubringern und Anschlüssen bricht zusammen.

Auch der Flughafen Frankfurt möchte auf keinen Fall zu Gunsten der Nachtflüge seinen Ausbau  auch nur ein bisschen einschränken. Wer mit Vorständen der Flughafen-Muttergesellschaft Fraport mal vertraulich spricht, bekommt irgendwann einen Satz zu hören wie: Nachtflüge bringen uns vor allem Ärger und Tagflüge vor allem Gewinn. Denn das Geld verdient heute kein Flughafen mehr mit den Gebühren für Starts und Landungen. Das Geld bringen zum einen die Passagiere mit ihren Einkäufen im Duty-Free-Shop und die Unternehmen, die am Flughafen Büros oder Hotelzimmer mieten.

Nachts fliegt nur die Fracht

In der Nacht hingegen fliegt vor allem Fracht, weil außer ein paar Urlaubern kein Passagier morgens um drei oder vier losfliegen will. Doch an Paletten und Containern verdient der Flughafen vor allem, indem er den Grund und Boden oder am besten gleich die ganzen Hallen an die Spediteure und Abfertiger vermietet. Doch die Logistikfirmen müssen salopp gesagt ihre Infrastruktur weiter mieten, auch wenn die nachts ruht.

Und wenn die Frachtfirmen abziehen, weil sie ohne Nachtflug kein Geld mehr verdienen? Kein großes Problem. Dann baut der Flughafen anstelle der Hallen neue Hotels  und Büros.

Somit ist am Ende mit dem Paket Flughafenausbau/Nachtflugverbot allen gedient – wenn es nicht weiter verschärft wird und der Flughafen statt von 23 Uhr bis 5 Uhr nun von 22 bis 6 Uhr dicht machen muss. Danach sieht es zwar derzeit nicht aus. Doch diese Forderung ist im Rhein-Main-Gebiet heute deutlich populärer als vor zehn Jahren beim Mediationskompromiss. Das wäre dann in der Tat ein ernstes Problem. Vor allem für die Lufthansa, deren Kosten deutlich steigen würden, weil sie ihre teuren Flugzeuge länger am Boden lassen müsste und für den gleichen Flugplan ihre Flotte wohl um mindestens 40 Flugzeuge im Wert von mehreren Milliarden Euro erweitern müsste.

Einen Vorgeschmack davon hat die hessische Verwaltung ja schon klammheimlich gegeben. Sie streicht rigoros allen Flugzeugen die Starterlaubnis, die nicht bis 23 Uhr abgehoben haben. Darum geht offiziell schon eine halbe Stunde vorher kein Flug mehr. Schließlich brauchen die Maschinen vom Terminal bis zur Bahn in der Regel 20 Minuten und mehr. Und wenn dann noch wegen ein paar verzögerter Zubringer die Türen erst verspätet zugehen, muss die Maschine am Boden bleiben – und Lufthansa & Co. ihre Passagiere mit Vollpension teuer im Hotel unterbringen. So bleibt zu hoffen, dass nun auch Lufthansa und Fraport zugeben, dass sie mit dem Verzicht auf Nachtflüge leben können. Denn die nächtliche Stille schafft dann hoffentlich auch wieder ein wenig Vertrauen in die Flugbranche insgesamt und die hessische Politik.

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