Nadelöhr Sicherheitskontrolle Das Chaos am Flughafen ließe sich vermeiden

Flughafen Düsseldorf Quelle: dpa

Die Ferien beginnen, das Chaos droht. Schon jetzt sind deutsche Flughäfen völlig überlastet. Das ließe sich verhindern, wenn die richtigen Anreize gesetzt würden. Ein Kommentar.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Mehr als 20 Minuten Wartezeit. Das klang halb so schlimm auf den Anzeigetafeln des Düsseldorfer Flughafens – Reisende standen allerdings in Wahrheit mehrere Stunden vor dem Sicherheitscheck, drängelten, drückten, zankten, sogar die Polizei musste diese Wochen eingreifen. Viele Passagiere verpassten am Ende ihren Flug.

Heute ist nun der letzte Schultag im bevölkerungsreichsten Bundesland, 200.000 Passagiere wollen am Wochenende allein in Düsseldorf abreisen, insgesamt drei Millionen während der Ferien. Das Chaos dürfte nicht nur hier gigantisch werden.

Lufthansa, Easyjet, Ryanair – fast alle Airlines haben in den vergangenen Wochen bereits Tausende Flüge gestrichen. Denn es gibt viel zu wenig Personal, um die Reisenden rechtzeitig durch die Sicherheitskontrollen zu bringen.

Ein schnell ausgemachtes Ziel bei der Fehlersuche sind die privaten Sicherheitsdienstleister. Die haben in der Corona-Zeit ihr Personal reduziert, ihre Schichtpläne auf Kante genäht und sind jetzt von den Massen überfordert. „Diese Aufgabe gehört in die Hände des Staates und nicht in die Hände gewinnorientierter Sicherheitsunternehmen“, forderte ein Sprecher der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi am Donnerstag. Die Zustände in Bayern scheinen ihm recht zu geben. Dort arbeiten Sicherheitsleute für das Land und dessen Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) triumphiert, dass es der Freistaat angeblich mal wieder besser weiß.

Dennoch wäre es ein Fehler, das Problem nur bei gewinnorientierten privaten Sicherheitsunternehmen zu suchen. Zu den aktuellen Zuständen hat nicht zuletzt die fehlende regulatorische Verantwortung der Bundesregierung geführt. Dort hat man es bis heute versäumt, die richtigen Anreize und Regeln bei der Ausschreibung von Sicherheitsdienstleistungen vorzugeben. Stattdessen hört man in Berlin aktuell Sätze wie: Die Problemfindung sei „in erster Linie Aufgabe der Luftverkehrswirtschaft“, wie der Staatssekretär im Verkehrsministerium, Oliver Luksic (FDP), es jüngst erklärte. Aber das stimmt nicht!

Sicherheit ist staatliche Verantwortung. Genauso wie Notfallpläne für Pandemien aufzubauen oder jederzeit eine bündnisbereite Bundeswehr stellen zu können, muss der Staat auch eine funktionierende Infrastruktur garantieren. Für den Fall der Flughafensicherheit bedeutet das, die Ausschreibungsmodalitäten für die Dienstleister schleunigst zu reformieren.

Fehlerhafte Strukturen

Die werden gerade pro abgefertigten Kopf bezahlt und nicht nach Qualität. Egal ob ein Passagier drei Minuten oder drei Stunden warten muss: Die Unternehmen bekommen das gleiche Geld. Deshalb setzen sie ihre Angestellten gezielt so ein, dass sie möglichst keinen Leerlauf haben – das heißt möglichst keine kompletten Arbeitstage mit Ruhephasen, sondern Vier-Stunden-Schichten mit Teilzeitverträgen und möglichst nur zu Stoßzeiten. Selbst bei einem ordentlichen Stundenlohn von bis zu 26 Euro lohnt so ein Job für die wenigsten. Folge: Weniger Leute arbeiten in der Sicherheit.

Gleichzeitig bleibt ein Angestellten-Puffer finanziell unattraktiv, denn die Aufträge aus öffentlicher Hand gehen bislang an die günstigsten Anbieter. Sicherheitsdienstleister sparen deshalb im Wettbewerb miteinander, wo sie können. Das verstärkt die schlechten Bedingungen für die verbleibenden Mitarbeitenden, die sich dann am Schluss auch noch von genervten Passagieren anschnauzen lassen müssen.

Es gilt, diese Abwärtsspirale über neue Regeln und gezielt eingesetztem Geld zu stoppen. Nicht das günstigste Unternehmen sollte bei einer Ausschreibung den Zuschlag bekommen, sondern das mit der besten Qualität und dem besten Gesamtkonzept für die Sicherheit. Dazu gehört auch, dass die Anbieter genug bezahlte Leuten auf Abruf bereithalten, falls es einmal überraschend eng wird. Auf der anderen Seite sollten Konventionalstrafen stehen, wenn ein Dienstleister den Leistungsanforderungen nicht entspricht.

Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum längst geprüfte Sicherheitstechnik – etwa mehrere Ablageflächen für das Gepäck auf dem Rollband – noch immer nicht in der Breite zum Einsatz kommt. Sie wäre schneller an den Flughäfen installiert, als so manches Unternehmen für die Einarbeitung neuer Angestellter bräuchte. Erst einmal im Einsatz würden Mehrfach-Ablageflächen das Personal weiter entlasten. Stattdessen kann ein einziger unerfahrener Reisender noch immer Dutzende andere zum Warten zwingen und lange Schlangen verursachen.

Exklusive BCG-Analyse Die 10 besten Aktien der Welt

Die politische Weltlage und Sorgen vor weiter hohen Zinsen verunsichern die Börse. Das exklusive Ranking der besten Aktien der Welt – und zehn Titel, die jetzt kaufenswert sind.

Passives Einkommen aufbauen Ihr Weg zur finanziellen Unabhängigkeit

Finanzielle Unabhängigkeit muss kein Traum bleiben. Mit dem richtigen Wissen und passenden Strategien kommen auch Sie auf die Erfolgsspur. Wir zeigen, wie es geht.

Finanzielle Freiheit Von Kapitalerträgen leben – wie schaffe ich das?

Ein Leser will seinen Lebensunterhalt mit aktivem Börsenhandel bestreiten. WiWo Coach Michael Huber erklärt, worauf man bei diesem Plan achten sollte, und rechnet vor, wie viel Grundkapital dafür nötig ist.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Das alles kann das akute Chaos in diesem Sommer nicht mehr verhindern. In Berliner Regierungskreisen wird gerade stattdessen daran gearbeitet, irgendwie mehr Angestellte in die Sicherheit zu bekommen. Dabei liegt etwa der Vorschlag auf dem Tisch, zusätzliches Personal etwa aus der Türkei zu holen und dessen vorher notwendige Überprüfung zu vereinfachen – ohne jedoch die Sicherheit zu gefährden.

Dass es zur Last-Minute-Lösung kommt, ist derzeit noch unwahrscheinlich – gerade auf Urlauber wie Geschäftsreisende aus NRW wartet jetzt erst einmal ein Sommeralbtraum.

Lesen Sie auch: Weshalb es auf Straßen, Schienen und an Flughäfen zum Kollaps kommt und wie sich das ändern ließe.

Dieser Beitrag entstammt dem WiWo-Newsletter Daily Punch. Der Newsletter liefert Ihnen den täglichen Kommentar aus der WiWo-Redaktion ins Postfach. Immer auf den Punkt, immer mit Punch. Außerdem im Punch: der Überblick über die fünf wichtigsten Themen des Tages. Hier können Sie den Newsletter abonnieren.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%