Mehr als 20 Minuten Wartezeit. Das klang halb so schlimm auf den Anzeigetafeln des Düsseldorfer Flughafens – Reisende standen allerdings in Wahrheit mehrere Stunden vor dem Sicherheitscheck, drängelten, drückten, zankten, sogar die Polizei musste diese Wochen eingreifen. Viele Passagiere verpassten am Ende ihren Flug.
Heute ist nun der letzte Schultag im bevölkerungsreichsten Bundesland, 200.000 Passagiere wollen am Wochenende allein in Düsseldorf abreisen, insgesamt drei Millionen während der Ferien. Das Chaos dürfte nicht nur hier gigantisch werden.
Ein schnell ausgemachtes Ziel bei der Fehlersuche sind die privaten Sicherheitsdienstleister. Die haben in der Corona-Zeit ihr Personal reduziert, ihre Schichtpläne auf Kante genäht und sind jetzt von den Massen überfordert. „Diese Aufgabe gehört in die Hände des Staates und nicht in die Hände gewinnorientierter Sicherheitsunternehmen“, forderte ein Sprecher der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi am Donnerstag. Die Zustände in Bayern scheinen ihm recht zu geben. Dort arbeiten Sicherheitsleute für das Land und dessen Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) triumphiert, dass es der Freistaat angeblich mal wieder besser weiß.
Dennoch wäre es ein Fehler, das Problem nur bei gewinnorientierten privaten Sicherheitsunternehmen zu suchen. Zu den aktuellen Zuständen hat nicht zuletzt die fehlende regulatorische Verantwortung der Bundesregierung geführt. Dort hat man es bis heute versäumt, die richtigen Anreize und Regeln bei der Ausschreibung von Sicherheitsdienstleistungen vorzugeben. Stattdessen hört man in Berlin aktuell Sätze wie: Die Problemfindung sei „in erster Linie Aufgabe der Luftverkehrswirtschaft“, wie der Staatssekretär im Verkehrsministerium, Oliver Luksic (FDP), es jüngst erklärte. Aber das stimmt nicht!
Sicherheit ist staatliche Verantwortung. Genauso wie Notfallpläne für Pandemien aufzubauen oder jederzeit eine bündnisbereite Bundeswehr stellen zu können, muss der Staat auch eine funktionierende Infrastruktur garantieren. Für den Fall der Flughafensicherheit bedeutet das, die Ausschreibungsmodalitäten für die Dienstleister schleunigst zu reformieren.
Fehlerhafte Strukturen
Die werden gerade pro abgefertigten Kopf bezahlt und nicht nach Qualität. Egal ob ein Passagier drei Minuten oder drei Stunden warten muss: Die Unternehmen bekommen das gleiche Geld. Deshalb setzen sie ihre Angestellten gezielt so ein, dass sie möglichst keinen Leerlauf haben – das heißt möglichst keine kompletten Arbeitstage mit Ruhephasen, sondern Vier-Stunden-Schichten mit Teilzeitverträgen und möglichst nur zu Stoßzeiten. Selbst bei einem ordentlichen Stundenlohn von bis zu 26 Euro lohnt so ein Job für die wenigsten. Folge: Weniger Leute arbeiten in der Sicherheit.
Gleichzeitig bleibt ein Angestellten-Puffer finanziell unattraktiv, denn die Aufträge aus öffentlicher Hand gehen bislang an die günstigsten Anbieter. Sicherheitsdienstleister sparen deshalb im Wettbewerb miteinander, wo sie können. Das verstärkt die schlechten Bedingungen für die verbleibenden Mitarbeitenden, die sich dann am Schluss auch noch von genervten Passagieren anschnauzen lassen müssen.
Es gilt, diese Abwärtsspirale über neue Regeln und gezielt eingesetztem Geld zu stoppen. Nicht das günstigste Unternehmen sollte bei einer Ausschreibung den Zuschlag bekommen, sondern das mit der besten Qualität und dem besten Gesamtkonzept für die Sicherheit. Dazu gehört auch, dass die Anbieter genug bezahlte Leuten auf Abruf bereithalten, falls es einmal überraschend eng wird. Auf der anderen Seite sollten Konventionalstrafen stehen, wenn ein Dienstleister den Leistungsanforderungen nicht entspricht.
Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum längst geprüfte Sicherheitstechnik – etwa mehrere Ablageflächen für das Gepäck auf dem Rollband – noch immer nicht in der Breite zum Einsatz kommt. Sie wäre schneller an den Flughäfen installiert, als so manches Unternehmen für die Einarbeitung neuer Angestellter bräuchte. Erst einmal im Einsatz würden Mehrfach-Ablageflächen das Personal weiter entlasten. Stattdessen kann ein einziger unerfahrener Reisender noch immer Dutzende andere zum Warten zwingen und lange Schlangen verursachen.
Das alles kann das akute Chaos in diesem Sommer nicht mehr verhindern. In Berliner Regierungskreisen wird gerade stattdessen daran gearbeitet, irgendwie mehr Angestellte in die Sicherheit zu bekommen. Dabei liegt etwa der Vorschlag auf dem Tisch, zusätzliches Personal etwa aus der Türkei zu holen und dessen vorher notwendige Überprüfung zu vereinfachen – ohne jedoch die Sicherheit zu gefährden.
Dass es zur Last-Minute-Lösung kommt, ist derzeit noch unwahrscheinlich – gerade auf Urlauber wie Geschäftsreisende aus NRW wartet jetzt erst einmal ein Sommeralbtraum.
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