Naive Scheichs Wie Air Berlin für Etihad zum Fiasko wurde

Air Berlin wird für Etihad zum Fiasko. Vier Milliarden Euro könnte Abu Dhabi das Engagement der Staatslinie Etihad bei der deutschen Airline kosten. Warum sich die Scheichs leicht blenden ließen.

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Aufstieg und Niedergang von Air Berlin
Kim Lundgren (l), Mitgründer und Präsident der 'Air Berlin Inc.' und Pilot, mit seinem Sohn Shane Lundgren, ebenfalls Pilot bei Air Berlin Inc. Quelle: airberlin
Joachim Hunold Quelle: airberlin
Einstieg ins Linienfluggeschäft Quelle: airberlin
Service an Bord von Air Berlin 2003 Quelle: airberlin
Niki Lauda (2009) Quelle: dpa
Airbus A 320 (2005) Quelle: airberlin
dba Air Berlin Quelle: AP

Der letzte größere Auftritt von James Hogan fällt ungewohnt bescheiden aus. Als der Australier im Februar in Abu Dhabi seine Kooperation mit der Lufthansa vorstellt, weiß er, dass er nicht mehr lange Chef der Fluglinie Etihad ist. Auffällig oft blickt er fragend ins Publikum, wo Aufsichtsratschef Mohamed Mubarak Fadhel Al Mazrouei den Ausführungen lauscht. Fast wirkt es, als suche Hogan Bestätigung, weil ihn sein schlechtes Gewissen plagt.

Ein Wunder wäre das nicht. Denn der Etihad-Chef steht für die wohl größte Geldvernichtung in der Geschichte der Flugbranche. Umgerechnet bis zu acht Milliarden Euro könnte der Aufbau von Etihad die örtliche Herrscherfamilie bislang laut Insidern gekostet haben. Nun rächt es sich, dass sie bei ihrem Plan, eine globale Fluglinie aufzubauen, Augenmaß verloren und Kontrollen versäumt haben.

Fast die Hälfte der Verluste dürften die Scheichs allein mit ihrer Beteiligung an Air Berlin eingeflogen haben. Bei der deutschen Tochter, die derzeit einmal mehr ums Überleben kämpft und zeitweise sogar staatliche Hilfe beantragen wollte, hat Etihad bereits rund zwei Milliarden Euro versenkt. Bis zu zwei weitere Milliarden Euro aus Verbindlichkeiten dürften selbst dann verloren sein, wenn sich Air Berlin, etwa durch Übernahme durch die Lufthansa, noch retten lässt.

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Das Desaster am Golf beginnt, als sich Hogan im September 2006 erstmals beim Emir Scheich Khalifa bin Zayed Al Nahyan vorstellt. Der hatte Etihad 2003 per Dekret gegründet und die Führung seinem persönlichen Piloten Darwish Alkhoory anvertraut. Der bestellte knapp 30 Maschinen, aus Sicht des Herrschers zu wenig. „Er wollte wohl einen Global Player wie Emirates und ein Drehkreuz wie im benachbarten Dubai schaffen, die dort bereits direkt und indirekt für rund ein Drittel der Wirtschaftsleistung standen“, sagt Christoph Brützel, langjähriger Manager der Flugbranche und heute Professor an der Hochschule Bad Honnef.

Was Hogan verspricht, passt perfekt zu diesen Ambitionen. Etihad soll so schnell wachsen wie keine andere Fluglinie und schon 2010 profitabel sein. Um das Ziel zu erreichen, bekommt der Manager viel Spielgeld – laut internen Präsentationen allein bis 2010 gut sechs Milliarden Dollar. Das teure Sportsponsoring legt der Scheich obendrauf.

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Das RankingDie Auszeichnung für die Airline des Jahres von Skytrax basiert auf einer Fluggastbefragung, die seit 1999 durchgeführt wird. Ausgewertet werden die Daten von rund 18 Millionen Passagieren aus über 160 Ländern. Die Angebote an Bord sowie die Services der Fluggesellschaften an den Flughäfen werden bewertet. Die „Skytrax World Airline Awards “ gelten als angesehenste Auszeichnung für die Luftfahrtbranche. Quelle: dpa
Platz 10: Garuda IndonesiaDie indonesische Airline Garuda arbeitete sich in die Top Ten vor. Im Vorjahr stand sie noch auf Platz 11. Quelle: REUTERS
Platz 9: Hainan AirlinesGleich drei Plätze aufwärts ging es für Hainan. Die Fluggesellschaft erhielt auch den Preis als beste chinesische Airline und erhielt den Award "Best China Airline Staff Service". Quelle: REUTERS
Etihad Airways Quelle: dpa
Lufthansa Quelle: dpa
Eva Air Quelle: dpa
Platz 5: Cathay Pacific Airways Im Vorjahr lag die Fluglinie noch auf Platz 4. In diesem Jahr ist Cathay Pacific Airways um einen Platz abgesackt. Quelle: REUTERS

Albtraum an der Spree

Hogan, der zuvor bei mehreren anderen Linien in der zweiten Reihe gewirkt hat, legt kräftig los. 2008 bestellt er bis zu 205 Maschinen – der bis dahin größte Auftrag in der Geschichte der Luftfahrt. Rund eine Milliarde der dafür nötigen 30 Milliarden Dollar lässt er sich über Exportkredite von Steuerzahlern in Europa und den USA finanzieren. Der Schachzug steigert das Wohlgefallen des Herrschers. „Damit wurde James zum Helden“, sagt ein Ex-Etihad-Manager.

Als das Wachstum stockt, redet sich Hogan mit der Finanzkrise und der angeblich protektionistischen Politik des Westens heraus. Tatsächlich gibt es für Etihad wenig Platz. „Vor allem in Europa hatte Emirates alle Landerechte für die Linie der Vereinigten Arabischen Emirate ausgeschöpft, Etihad musste sich mit Lücken begnügen“, so Brützel.

Ein Albtraum

Als Ausweg schlägt Hogan den Eigentümern vor, andere Fluglinien zu kaufen. „Er erklärte der erstmalig ungeduldigen Herrscherfamilie, dass der Plan damit zwar etwas teurer würde, aber nicht schiefgehen könne“, sagt ein Ex-Etihad-Manager. Die Heimatländer der übernommenen Linien müssten Landerechte gewähren. Mit denen könne Etihad dann wie vorgesehen wachsen.



Ganz so einfach ist es aber nicht. „Die wenigen guten Linien sind nicht zu haben, und was zu haben ist, ist meist ein Sanierungsfall“, warnt der ehemalige Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber schon damals. Zudem verbieten die strengen Regeln des Luftfahrtrechts die Übernahme einer Anteilsmehrheit. Sanierungen lassen sich so schwer durchsetzen. Doch Hogan wischt Einwände vom Tisch. „Wir sind cleverer“, habe seine Standardantwort gelautet, sagt ein Exmanager. „Und weil im Verwaltungsrat keiner die Branche kannte, sah keiner die Risiken.“

Hogans erstes Ziel ist Deutschland. Hier sind die Flugpreise hoch, die vielen Wirtschaftszentren sollen Platz für Neulinge bieten. Und mit Air Berlin gibt es eine passende Fluglinie. Die schreibt zwar Verluste, hat beim Service aber einen tollen Ruf und kann aus ihrem europaweiten Netz die Etihad-Maschinen füllen. „Vor allem aber hatte sie Hartmut Mehdorn als Chef“, sagt ein Ex-Air-Berlin-Aufsichtsrat. Der habe schon als Chef der Deutschen Bahn, des Airbus-Vorläufers Dasa und des Maschinenbauers Heideldruck gelernt, schlechte Zahlen schön- und Zukunftschancen großzureden.

von Yvonne Esterházy, Rüdiger Kiani-Kreß

Tatsächlich gerät Hogan in einen Albtraum. Etihad, mit 250 Millionen Euro bei Air Berlin eingestiegen, muss schon in den ersten 18 Monaten zwei Mal Geld nachschießen. Und im Verwaltungsrat hat er einen schweren Stand. „Die Mitglieder blickten immer wieder fragend auf Gründer Joachim Hunold, der zwar als Chef gescheitert war, aber dank seiner Aktien immer noch in dem Gremium saß und dessen Entscheidungen kräftig beeinflusste“, sagt ein Ex-Etihad-Manager.

Über solche Hindernisse informiert Hogan seinen eigenen Aufsichtsrat lückenhaft. Stattdessen baut er eine Art Schneeballsystem auf, kauft immer mehr Anteile an verlustbringenden Linien. „Damit konnte er begründen, warum Etihad immer wieder die Finanzziele riss“, sagt ein Exmanager. Außerdem ließen die vielen zusätzlichen Passagiere, so habe der Chef es immer wieder erklärt, die Wirtschaft Abu Dhabis um bis zu zehn Milliarden Euro im Jahr wachsen.

Hogans Spiel kollabiert erst im Sommer 2016. Wegen des niedrigen Ölpreises fliegt die lokale Kundschaft sparsamer, Überkapazitäten im Asienverkehr drücken die Preise. Die Umsätze fallen, die Scheichs erkennen das Ausmaß der Misere. Sie entmachten Hogan und geben Aufsichtsratschef Al Mazrouei als mächtigen Zuarbeiter Ahmed Ali Al Sayegh, den Chef der Finanzaufsicht Abu Dhabi Global Market, als eine Art Aufpasser zur Seite. „Der soll nun das Gröbste richten und verhindern, dass sich die Herrscherfamilie weiter blamiert“, sagt ein Insider.

In dieser zweifelhaften Disziplin haben es die Scheichs schon ziemlich weit gebracht.

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