Nebenwirkungen inklusive Gefährliche Hilfen für die Luftfahrt

Ohne Hilfen wird es wohl nicht gehen: Bereits ab Ende März sicherten sich die ersten Airlines öffentliche Gelder Quelle: REUTERS

Die Lufthansa verhandelt länger als gedacht über öffentliche Gelder. Immerhin hat sich im Ausland gezeigt, dass die Corona-Hilfen zu riskantem Ballast werden können. Wichtige Konkurrenten verzichten deshalb lieber.

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Als sich die Chefs von Europas Fluglinien Anfang März zum vorläufig letzten Mal persönlich trafen, waren sich noch alle einig. „Wir wollen und brauchen doch keine Staatshilfe“, gab Willie Walsh, Chef der British-Airways-Muttergesellschaft IAG, den Ton vor. Im Ballsaal des feinen Brüsseler Metropol-Hotels bekam er dafür reichlich Beifall von seinen Amtskollegen Carsten Spohr (Lufthansa), Ben Smith (Air France-KLM) und Johan Lundgren (Easyjet). Nur der an dem Tag von Rückenschmerzen geplagte Ryanair-Boss Michael O’Leary knurrt dem Vernehmen nach verdrießlich: „Na, mal sehen“.

Die paneuropäische Ablehnungsfront der Airlines hielt nicht lange. Bereits ab Ende März sicherten sich mit Easyjet und Norwegian die ersten Airlines öffentliche Hilfen. „Und wer noch keine hat, verhandelt zumindest wie wir darüber“, sagt ein Manager der Lufthansa. Das tut die nach Umsatz – bisher – größte Linie Europas nun seit bald einem Monat. Doch die bisherigen Modelle von Geschenken bis zu großzügigen Krediten bringen auch Probleme. Darum wollen nicht alle Linien das Geld – vor allem wegen der damit verbundenen Lasten wie staatlicher Mitspracherechte.

Trotzdem kommt die Lufthansa um die Hilfen kaum herum. Wegen der staatlichen Reiseverbote in der Coronakrise hat sie derzeit noch gut fünf Prozent der geplanten Zahl an Gästen. „Unser Flugplan ist fast wie 1955“, scherzte Spohr noch Mitte März. Wenn bald der letzte Rettungsflug für im Ausland gestrandete Touristen gelandet ist, muss er den Plan sogar weiter verkleinern. Konkurrenten wie Easyjet werden den Betrieb komplett einstellen. „Aber selbst im günstigsten Fall laufen meist 30 Prozent oder mehr der Kosten weiter“, erklärt Daniel Roeska, Analyst des New Yorker Brokerhauses Bernstein. Darum warnte Lufthansachef Spohr jüngst in einem – öffentlichkeitswirksam breit gestreuten - internen Video, sein Unternehmen verliere gerade jede Stunde eine Million Euro.

Zwar hat die Linie wie fast alle zuletzt durch Kreditlinien Finanzpolster in Milliardenhöhe aufgebaut. Doch anders als etwa Easyjetchef Lundgren kann sich Spohr nicht rühmen, ohne Einnahmen noch neun Monate durchzuhalten. Selbst, dass Lufthansa ohne Staatsgeld bis in den Juni auskommt, beruht auf zwei optimistischen Annahmen: Zum einen darauf, dass die Kunden nicht das Geld zurückhaben wollen für ihre bezahlten aber gestrichenen Flüge. Zum anderen darauf, dass die Kreditgeber die Darlehen nicht doch vorzeitig fällig stellen, weil sie an der Zahlungsfähigkeit der Unternehmen zweifeln.

Bei den bisher vereinbarten Fördermodellen gehen die einzelnen Länder – selbst innerhalb von Europa – sehr unterschiedliche Wege. Die Spanne reicht von mehr oder weniger offenen Rück-Verstaatlichungen über Geldgeschenke bis zu günstigen Krediten. Doch die Modelle haben deutlich Nachteile:

Offene Staatswirtschaft

Am einfachsten haben es derzeit Fluglinien, die mehr oder weniger im Staatsbesitz sind. So haben die Vereinigten Arabischen Emirate bereits angekündigt, in ihre Linien neues Eigenkapital zu packen – wie im Fall von Emirates aus Dubai. Ähnliches dürfte bald auch bei Qatar Airways oder Etihad aus Abu Dhabi der Fall sein. „Für die ändert das nichts, denn sie werden ohnehin von der Herrscherfamilie gesteuert als Teil Wirtschaftsförderung“, ätzt ein in der Region tätiger Kenner der Branche.

Ebenso einfach dürfte die Rekapitalisierung laufen, wenn die italienische Regierung die mehrfach erfolglos privatisierte Alitalia (rück-)verstaatlicht. Doch hier hat der Schritt Nebenwirkungen. Er könnte erstmals die in den vergangenen 20 Jahren mehrfach versprochenen – und für die Belegschaft unangenehmen – Reformen bringen. Denn laut Presseberichten will die Regierung die Linie auf 4000 Beschäftigte sowie gut 30 Maschinen und damit auf rund ein Drittel verkleinern. Damit wäre die Traditionsgesellschaft leichter und ohne Bedenken der Europäischen Wettbewerbshüter an Investoren wie die Lufthansa zu verkaufen.

Auch bei der Lufthansa könnte selbst eine teilweise Verstaatlichung, wie sie Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann forderte, anders ausgehen. Eine staatliche Mitsprache im geschäftlichen Alltag dürfte die Prozesse verlangsamen und verteuern. „Wir könnten weniger Lufthansa und mehr Air France werden“, fürchtet ein Insider, “oder gleich das Bundes-Lufthansa-Amt“. Der Experte hält es für möglich, dass etwa kostspielige Arbeiten im Konzern wie die Abfertigung an Flughäfen nicht mehr an andere Unternehmen oder Töchter im Ausland ausgelagert werden dürften. Und er fürchtet wie in den USA Einschränkungen bei der Routenplanung.

Geschenkpaket XXL mit Nebenwirkungen

In Ländern wie Frankreich und Spanien können die Heimatlinien wie Air France oder Iberia auf einen Mix aus mehr oder weniger offenen Geschenken und günstigen Krediten hoffen, „zu Konditionen, die die Airlines am freien Markt so wohl nicht bekämen“, urteilt Jamie Baker, Analyst bei der US-Investmentbank JP Morgan. Die Geschenke gelten als Ersatz für die Nebenkosten der Reiseverbote. „Wenn wir um der Gesundheit der Bürger willen Rekordverluste machen, sollte der Steuerzahler auch die Folgen mittragen“, so ein führender Airliner.

Auf die vom Betrag her wohl größte Hilfe dürfen sich die US-Gesellschaften freuen. Nicht weniger als 50 Milliarden Dollar will die Regierung ihren Airlines zu Verfügung stellen. 80 Prozent dürften bei den vier größten Linien American, Delta, United und Southwest landen. Davon sind nach aktuellem Stand mindestens 18 Milliarden Dollar Geschenke und der Rest vor allem beliebig abrufbare Darlehen.

Doch die Darlehen haben Bedingungen, „um die Interessen der Steuerzahler zu wahren“, so US-Finanzminister Steven Mnuchin bei der Vorstellung des Rettungspakets Anfang der Woche. Die Airlines stört weniger, dass der Staat die Kredite in Aktien tauschen kann. Als Gegenleistung müssen die Unternehmen vielmehr teilweise bis ins nächste Jahr nicht nur auf Entlassungen und Streckenschließungen verzichten. Sie sollen auch Managergehälter und vor allem die Boni kappen sowie auf anlegerfreundliche Dinge wie Aktienrückkäufe verzichten. „Der Eingriff in Finanzen, Gewinnverwendung und Kapitalstrukturen ist wesentlich cleverer, als wir es einer Behörde zugetraut hätten“, so Analyst Baker. Die Maßnahmen haben sich die Airline selbst zuzuschreiben. „Sie haben die Rekordgewinne der vergangenen Jahre fast nur in kurzsichtige Kapitalmarkt-Bonbons gesteckt, statt ein Polster anzulegen für eine der im Schnitt alle zehn Jahre fälligen Krisen“, urteilt ein europäischer Airliner.

Ähnlich begrenzt ist wohl die Freude von Geir Karlsen, Chef des skandinavischen Billigfliegers Norwegian. Denn sein Heimatland will dem angeschlagenen Billigflieger nur dann mehr als umgerechnet rund 300 Millionen Euro Hilfe geben, wenn sich Privatinvestoren angemessen beteiligen und das Eigenkapital aufbessern. Wer die Mitteilung der Fluglinie zu den Krediten genauer liest, hat den Eindruck, dass Karlsen das für mehr oder weniger unmöglich hält.

Wie gut dieser Mix aus Geschenken und verbilligten Krediten für die Lufthansa wäre, hängt von der Stärke der Auflagen ab. „Allzu groß dürften sie eigentlich nicht sein, denn wir haben anders als die US-Kollegen ja unsere Aktionäre und Geldgeber nicht über Gebühr bevorzugt“, hofft ein Lufthanseat.

Kredite mit Staatsgarantie

Das mildeste Modell bietet Großbritannien seinen Fluglinien. Hier können IAG und seine British Airways sowie Virgin Atlantic in Milliardenhöhe mehr oder weniger staatlich garantierte Kredite bekommen. Außer günstigen Zinsen und der Rückzahlung wird keine Gegenleistung erwartet.

Die Resonanz ist unterschiedlich. Virgin hat bereits angekündigt, bis zu sieben Milliarden Pfund zu brauchen. IAG hingegen will fast keine Hilfen, stellte deren Chef Walsh mehrfach klar. „Wir schaffen das aus eigener Kraft“, so sein Credo bisher. Das fällt der Gruppe, zu der neben British Airways und Iberia auch die irische Aer Lingus oder der spanische Billigflieger Vueling gehören, auch leichter als anderen. Dafür sorgt – neben der Möglichkeit, bei der Belegschaft leichter als auf dem europäischen Festland Gehaltskürzungen durchzusetzen – ein für die Branche ungewöhnlich weitsichtiges Management der flüssigen Mittel. Während andere Linien das durch die langfristig verkauften Tickets eingenommene Geld für den Betrieb ausgeben, legt Walsh einen sehr großen Teil davon auf die hohe Kante. Ähnlich arbeitet der irische Billigflieger Ryanair.

Möglichst wenig Kredit wäre auch für die Lufthansa der attraktivste Weg, etwa indem sie einen Teil ihrer Flotte verkauft und stattdessen Leasingverträge abschließt. Das, so ein Kenner des Unternehmens, erschwere zwar derzeit die Arbeit, weil noch mehr auf die Ausgaben geachtet werden müsse. Doch es mache das Unternehmen fitter für die Zeit nach der Krise. „Viel Kredit heißt dann hohe Schulden abzahlen“, so ein Kenner der Branche. „Wenig Kredit erlaubt, in Wachstum und neue umweltfreundlichere Technologie zu investieren.“

Das ist der Lufthansa-Führung sicher bewusst. „Doch mehr Kredite bringen neben mehr Schulden ein Polster, falls die Krise deutlich länger als bis zu Sommer dauert“, so ein Unternehmenskenner.

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