Zudem sind die Kosten solcher Großprojekte in aller Regelmäßigkeit aus dem Ruder gelaufen. Die Schnellstrecke von Köln nach Frankfurt etwa sollte einst vier Milliarden Euro kosten, tatsächlich wurden es 6,4 Milliarden Euro. Bei der zweiten Schnellstrecke Ingolstadt-Nürnberg plante die Bahn bei Baubeginn 1998 mit rund zwei Milliarden Euro. Heraus gekommen sind am Ende 3,6 Milliarden Euro – eine Steigerung in beiden Fällen von mehr als 60 Prozent.
Auch die Neubaustrecke von Leipzig und Halle über Erfurt und weiter nach Nürnberg wird am Ende rund zwölf Milliarden Euro verschlungen haben.
Grund für solche Fehlplanungen sind die viel zu optimistischen Annahmen am Anfang, teure Sicherheitskomponenten für den Hochgeschwindigkeitsverkehr und der zögerliche Baufortschritt. Mitunter stehen während des Bauprozesses fertige Brücken jahrelang in der Landschaft herum, ohne dass sie an das Schienennetz angebunden werden. Weil die Brücke „so da rumstehen“, werden sie im Branchenjargon despektierlich „Soda“-Brücken genannt. Und wenn die Hochgeschwindigkeitsstrecken dann fertig sind, sind die Gleise nicht selten exklusiv für den ICE reserviert. So fährt der Güterverkehr weiterhin durch das Mittel-Rheintal statt auf der Neubaustrecke zwischen Köln und Frankfurt, weil die Strecke für schwere Güterzüge zu steil ist.
Fraglich bleibt oft auch der Fahrtzeitgewinn solcher Glanzprojekte. Die Schnellstrecke Köln-Frankfurt und die aktuelle „VDE 8.2“ von Erfurt nach Leipzig und Halle sind da Ausnahmen. Sie verkürzen die Reiseverbindungen enorm. Doch gleichzeitig wäre dem Eisenbahnsystem insgesamt oft mehr geholfen, wenn das Geld in die Beseitigung von Engpässen investiert würde. Denn Pünktlichkeit wertschätzen Kunden mehr als den Zeitgewinn von wenigen Minuten.
Und wenn ein Güterzug auf einer Strecke nicht ausweichen kann, hat auch ein ICE nichts davon, wenn er theoretisch auf einer Strecke seine Höchstgeschwindigkeit ausfahren könnte. Einst für den Hochgeschwindigkeitsverkehr vorgesehene Ausbaustrecken wie die Y-Trasse von Bremen und Hamburg nach Hannover wurden deshalb fallen gelassen. Statt Tempo 300 für den ICE, steht dort nun der Güterverkehr im Vordergrund. Bei der Ausbauplanung des Schienennetzes rückt somit ökonomische Vernunft in den Fokus.
Auch bei der neuen Fernverkehrsstrategie der Deutschen Bahn konzentriert sich der Konzern auf wirtschaftlich sinnvolle Geschwindigkeiten. Bis 2030 will die Bahn Großstädte zwei Mal pro Stunde miteinander verbinden. Außerdem soll nahezu jede Stadt mit mehr als 100.000 Einwohnern per Intercity in den Fernverkehr eingebunden werden. Dafür bestellte der Konzern bei Bombardier doppelstöckige Intercity-Züge und bei Siemens 130 ICE-Züge der neuen Generation 4. Sie sollen ab 2017 die ICE-Flotte verstärken. Die Züge kosten rund fünf Milliarden Euro. Der ICE 4 werde das „Rückgrat“ der neuen Fernverkehrsstrategie der Deutschen Bahn, sagte Grube bei der Taufe des ersten ICE 4 in Berlin vergangene Woche.
Der ICE 4 werde für den Personenverkehr „eine Schlüsselfunktion übernehmen“, sagte Grube weiter – so wie die Neubaustrecke von Erfurt nach Leipzig und Halle für das Schienennetz.