Neue BCG-Studie „Banken werden sehr genau prüfen, welche Unternehmen refinanzierbar sind“

«Wir schliessen. Alles muss raus» steht auf dem Banner in der Tür eines Geschäfts Quelle: dpa

Haben europäische Unternehmen die Kraft, dem Abschwung zu trotzen? Eine neue Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group zeigt, welche Branchen robust aufgestellt sind – und wo der Handlungsdruck steigt.

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Corona-Krise, Ukraine-Krise, Inflation – bislang haben europäische Unternehmen die Belastungen der vergangenen Jahre vergleichsweise gut überstanden. Auch dank milliardenschwerer Hilfsprogramme. Doch wie geht es weiter? Immerhin rechnen Banken-Ökonomen im Gesamtjahr 2023 mit einer schrumpfenden deutschen Wirtschaft. Haben deutsche und europäische Unternehmen noch die finanzielle und operative Kraft, dem Abschwung zu trotzen?

Erste Anhaltspunkte liefert eine umfassende Analyse der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG), die der WirtschaftsWoche vorliegt. Die BCG-Restrukturierungsexperten Jochen Schönfelder, Renaud Montupet und Dominik Bill haben dafür die Finanzkennzahlen von insgesamt 1373 börsennotierten europäischen Unternehmen mit einem Umsatz von mindestens 500 Millionen Euro verglichen, 192 davon aus Deutschland und Österreich. Eingeflossen sind Daten bis zum dritten Quartal 2022. Auf dieser Basis haben die Experten einen „BCG Transform Index“ erstellt, um jene Wirtschaftszweige zu identifizieren, die robust aufgestellt sind – und solche, bei denen der Anpassungsdruck momentan besonders hoch ausfällt. 

Generell zeige der BCG Transform Index dabei, dass „die Zahl der Unternehmen, die sich aufgrund ihres finanziellen Status in einer Krise befinden, seit der Corona-Pandemie zurückgegangen ist“, sagt Jochen Schönfelder, Leiter des BCG-Bereichs Transformation in Mitteleuropa. „Allerdings sehen wir auch Warnsignale“, so Schönfelder. So seien die Kassenbestände der Unternehmen seit Anfang 2022 rückläufig, während die Nettoverschuldung auf ein Rekordhoch gestiegen ist. 

Die Finanzierungskosten werden zum Problem

Hinzu kommt, dass europaweit deutlich mehr Unternehmen einen negativen freien Cashflow verzeichnen würden. „Vor allem in Deutschland ist das ein Thema.“ Die Folge: „Angesichts steigender Zinsen können die Finanzierungskosten für viele Unternehmen zum Problem werden“, sagt Schönfelder. In den kommenden Monaten würden Banken und Finanzierer „sehr genau prüfen, welche Unternehmen refinanzierbar sind – und welche nicht“.  

Schwierig sei die Lage beispielsweise für konsumnahe Branchen wie den Einzelhandel. „Die Profitabilität ist bei vielen Unternehmen aus dem Sektor gering, der Wettbewerbsdruck hoch“, sagt Schönfelder. „Zugleich halten sich die Konsumenten angesichts der hohen Inflation beim Einkaufen zurück.“ Schon die Finanzkennzahlen der vergangenen Quartale fielen verhalten aus. Im Transform Index, in den Daten zur Profitabilität, Solvenz und finanziellen Stabilität einfließen, rangiert der Konsumsektor nur auf Platz acht von zehn. 



Der Freizeit- und Tourismusbereich leidet trotz erster Erholungstendenzen noch immer unter den Folgen der Coronapandemie. Und auch „bei Unternehmen aus dem Bereich Technologie, Medien und Telekommunikation sehen wir die finanzielle Stabilität als Hauptproblem“, sagt Schönfelder. „Die Verschuldung ist oft sehr hoch – und damit auch die Anfälligkeit für steigende Zinsen.“

Von besonderer Relevanz ist vor allem in Deutschland die Autoindustrie. Insbesondere Zulieferer seien erheblichem Stress ausgesetzt, konstatieren die BCG-Experten. „Sie stehen vor der Herausforderung, den Strukturwandel hin zur Elektromobilität zu bewältigen, und haben dafür einen enormen Investitionsbedarf“, sagt Schönfelder. „Zugleich geben die großen Hersteller den Kostendruck an ihre Zulieferer weiter.“ Vor diesem Hintergrund werde es in den nächsten Jahren sicher nicht einfacher werden, „Finanzierer von der Tragfähigkeit des Geschäftsmodells zu überzeugen.“

Auch wenn einzelne Krisen in der Wahrnehmung an Bedeutung verloren haben, bleibt die Lage für  Unternehmer und Manager komplex. Sie sollten „verschiedene Szenarien durchspielen“, um ihre Unternehmen zu stärken, rät BCG-Restrukturierer Schönfelder und empfiehlt, einige Kernfragen zu beantworten: „Was passiert, wenn sich zwei, drei Bausteine ändern? Welche geopolitischen Risiken gibt es? Wie resilient ist mein Unternehmen?“ Generell habe es sich bewährt, „die Kosten niedrig zu halten und die Liquidität hoch, um auch für unerwartete Entwicklungen gerüstet zu sein“.

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Nicht in allen Fällen dürfte das ausreichen. Wegen der anhaltend schwachen Konjunktur rechnet etwa die Wirtschaftsauskunftei Creditreform in Deutschland verstärkt mit Firmenpleiten. Neben Preisanstiegen bei Energie und Rohstoffen hätten die Firmen auch deutlich höhere Finanzierungskosten wegen der Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB) wegstecken müssen. „Die Trendwende bei den Insolvenzzahlen ist eingeläutet“, erklärte Creditreform-Chefökonom Patrik-Ludwig Hantzsch. „Der Druck bleibt auf dem Kessel, sodass auch in den kommenden Monaten mit steigenden Zahlen zu rechnen sein wird.“

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