Neuer Bahnchef Richard Lutz Bund baut kompletten Bahnvorstand um

Die Veränderungen im Vorstand der Deutschen Bahn werden größer als erwartet. Die Bundesregierung hat sich nicht nur auf Richard Lutz als neuen Bahnchef festgelegt, sondern auch auf einen kompletten Umbau des Vorstands.

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Was sich bei der Deutschen Bahn geändert hat
Ein Fahrgast der Deutschen Bahn geht im Hauptbahnhof in Berlin an einem Schlafwagen eines Zuges vorbei. Quelle: dpa
Ein Fahrgast hält ein Ticket vor einen Fahrkartenautomaten der Deutschen Bahn. Quelle: dpa
Reisende gehen auf dem Bahnsteig im Hauptbahnhof Hannover (Niedersachsen). Quelle: dpa
Reisende ziehen im Bahnhof in Düsseldorf Fahrkarten. Quelle: AP
Ein ICE der Deutschen Bahn fährt in den Hauptbahnhof von Frankfurt am Main. Quelle: dpa
Ein Aushang «Fahrplanänderungen» hängt im Bahnhof in Hildesheim (Niedersachsen). Quelle: dpa

Das erfuhr die WirtschaftsWoche aus Regierungskreisen. So soll der Vorstand der Deutschen Bahn künftig aus sechs statt fünf Personen bestehen. So soll es künftig einen neuen Vorstand für Digitalisierung und Technik geben. Die Digitalisierung gehöre zu den wichtigen Zukunftsfeldern des Konzerns, heißt es aus dem Umfeld der Regierung. Damit wolle die Politik ihren Gestaltungsanspruch bei der Deutschen Bahn unterstreichen. 

Außerdem ist geplant, den bisherigen Vorstandsbereich von Berthold Huber zu trennen, der bislang sowohl für den Personenverkehr als auch für den Güterverkehr zuständig ist. Gesucht wird nun ein neuer Vorstand für den kriselnden Cargobereich.

Darauf verständigten sich am Montagabend die Minister Alexander Dobrindt (CSU), Wolfgang Schäuble (CDU), Peter Altmaier (CDU) und Sigmar Gabriel (SPD). Eine Benennung der neuen Vorstandsposten soll erst nach der Aufsichtsratssitzung am 23. März erfolgen. Im Gespräch sind nach Informationen der WirtschaftsWoche der bisherige Technikvorstand bei Siemens, Siegfried Russwurm. Er könnte den Bereich Digitalisierung übernehmen. Für die Gütersparte ist Sigrid Nikutta im Gespräch, die derzeit die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) leitet. 

Hochgeschwindigkeitszüge in anderen Ländern

Wer in den vergangenen Wochen danach fragte, welche Eigenschaften ein neuer Bahnchef in seinem Bewerbungsschreiben angeben müsste, der bekam innerhalb der großen Koalition immer wieder zwei Dinge zu hören: Zum einen müsse der Neue technisches und operatives Know-how vorweisen können. Zum anderen müsse er Lust daran verspüren, ständig im Fokus des medialen Interesses zu sein. Auf Richard Lutz trifft beides nicht zu. Dass der bisherige Finanzvorstand und Interimschef der Deutschen Bahn künftig den Staatskonzern dauerhaft leiten soll, ist eine Überraschung. Zudem wird Lutz das Finanzressort offenbar weiter führen. Lutz ließ in den vergangenen Wochen selbst mehrfach durchblicken, dass er sich nicht als Nachfolger von Rüdiger Grube sehe. Grube hatte seinen Posten Anfang des Jahres von einem auf den anderen Tag zur Verfügung gestellt, nachdem er sich nicht mit dem Aufsichtsrat auf eine Verlängerung seines Vorstandsvertrages einigen konnte. Lutz übernahm die Bahn vorübergehend - und fand offenbar Spaß an der Aufgabe. 

Der 52-jährige ist ein echtes Eigengewächs der Bahn. Im Jahr 1994 kam der promovierte Kaufmann mit 30 Jahren zum Konzern. Schnell wurde er damals Vertrauter des damaligen Finanzvorstands Diethelm Sack. Sack war die rechte Hand von Hartmut Mehdorn. Lutz wurde 2009 Finanzvorstand. Er fügte sich perfekt ein in die Rolle des Zahlenexperten, der seinen Chef mit fundierter Expertise zur Seite sprang, wenn es darauf ankam. Zwar wirkte Lutz vor allem im Hintergrund, doch die Bilanzpressekonferenzen des Konzerns leitete Grube immer gemeinsam mit ihm.  

Neue Züge der Deutschen Bahn

Lutz steht für Kontinuität. Er verteidigte immer wieder eifrig die Struktur des integrierten Konzerns, der das Schienennetz betreibt und gleichzeitig Wettbewerber ist. Der Manager wird außerdem den von Grube Ende 2015 initiierten Sanierungsprozess fortsetzen. Die Bahn verzeichnete damals den ersten Konzernverlust seit zwölf Jahren. Vor allem die Güterverkehrssparte riss den Konzern ins Minus. Seit etwas mehr als einem Jahr investiert die Bahn nun mehr Geld in die Vermeidung von Problemen statt erst dann einzugreifen, wenn die Probleme entstehen.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt traut Lutz offenbar zu, die Deutsche Bahn wieder auf die Erfolgsspur zu bringen. Eigentlich fehlt Lutz die operative Erfahrung. Er war im Vorstand zwischenzeitlich zwar  für die Logistiktochter Schenker und die Nahverkehrstochter Arriva zuständig. Doch seine Hauptaufgabe bestand darin, die beiden Konzerntöchter in Teilen zu verkaufen. Die Börsenpläne scheiterten dann allerdings, nachdem der Brexit den Wert der britischen Tochter Arriva sinken ließ und der Bund der Bahn überraschend ein Milliardengeschenk zum Schuldenabbau überreichte. 

Wo Kunden zufrieden sind – und wo nicht
Pünktlichkeit: Jeder fünfte ICE kam 2015 mindestens sechs Minuten zu spät an. Die Leistungen entsprechen nicht annähernd den Zielen der Deutschen Bahn. Sie will in diesem Jahr eine Pünktlichkeitsquote von 80 Prozent erreichen, langfristig sogar auf 85 Prozent hoch kommen. Die Tendenz 2016 bleibt jedoch weiter schwach. Im Januar lag die Pünktlichkeitsquote bei 77 Prozent. Quelle: AP
Preise: Die Zeiten der jährlichen Preiserhöhung wegen „gestiegener Energie- und Personalkosten“ sind vorbei. Zumindest im Fernverkehr blieben die Preise seit zwei Jahren stabil - den Fernbussen sei Dank. 19-Euro-Sparpreise locken inzwischen selbst Schüler und Studenten. Die neue Devise des Vorstands: lieber volle Züge statt leerer Kassen. Preislich ist die Bahn inzwischen wettbewerbsfähig. Quelle: dpa
ICE-Restaurant: Leider ist die Küche zu oft kaputt. Mal bleiben die Getränke warm oder der Kaffee kalt. Mitunter fehlen die angepriesenen Snacks wegen schlechter Logistik. Dennoch: Wenn es läuft, dann ist ein Sitz im ICE-Restaurant der schönste Platz im Zug – gerne auch bei einem der guten Weine.Urheber: Volker Emersleben // Deutsche Bahn AG
WLAN: In der zweiten Klasse eines ICE ist WLAN noch immer nicht kostenlos und in der ersten Klasse funktioniert der Download alles andere als einwandfrei. Als 2010 zahlreiche ICE grundsaniert wurden, verzichtete das Unternehmen sogar auf den Einbau der WLAN-Technik. So viel Behäbigkeit wird nun bestraft. Die Fernbusse machen der Bahn in Sachen WLAN was vor. Erst Ende 2016 soll es auch im ICE besser werden. Viel zu spät. Quelle: dpa
Information: Schon mal in Bielefeld am Bahnhof gewesen? Seit Jahren fallen die Anzeigentafeln immer wieder aus. Bielefeld gibt es leider auch anderswo. Und wenn die Anzeigen am Bahnsteig funktionieren, dann korrespondieren sie oft nicht mit den Informationen der Bahn-Apps. In den Zügen sollte die Bahn mal ihre Durchsagen auf Relevanz überprüfen. Immerhin am Bahnsteig soll es bald Entwirrung geben. Die Bahn will Multi-Zug-Anzeigen einsetzen: mit drei Zügen auf dem Display. Das klingt gut. 40 von insgesamt 120 Fernbahnhöfen sind bereits umgerüstet. Quelle: dpa
Apps: Nicht jede Frage an @DB_Bahn beantwortet das Twitter-Team zwar zu voller Zufriedenheit. Dennoch zeigen die Twitterer der Deutschen Bahn, wie schnell und effektiv ein Konzern mit seinen Kunden kommunizieren kann. Eine starke Leistung. Auch der DB Navigator bietet echten Mehrwert. Die Deutsche Bahn beweist mit ihren Apps, dass auch traditionelle Konzerne digitale Maßstände setzen können.   Quelle: dpa
Lounges: Ein großzügiger Service für Vielfahrer: kostenloser Kaffee, Tee, Wasser und Softdrinks. In der ersten Klasse erhalten Fahrgäste auch Bier, Wein und Snacks. Leider ist die zweite Klasse oft zu voll. Die Deutsche Bahn prüft den Aufbau zusätzlicher Lounges in ein bis zwei Städten. Quelle: dpa

Weil Lutz aber nicht aus dem operativen Geschäft kommt, plant der Bund weitere Veränderungen im Vorstand. So soll der Vorstand der Deutschen Bahn künftig aus sieben statt fünf Personen bestehen. Ein neuer Vorstand für Digitalisierung und Technik kümmere sich dann um eines der wichtigen Zukunftsfelder des Konzerns, heißt es aus Regierungskreisen. Damit wolle die Politik ihren Gestaltungsanspruch bei der Deutschen Bahn unterstreichen. 

Außerdem ist geplant, den bisherigen Vorstandsbereich von Berthold Huber zu trennen, der bislang sowohl für den Personenverkehr als auch für den Güterverkehr zuständig ist. Gesucht wird nun ein neuer Vorstand für den kriselnden Cargobereich. Darauf verständigten sich gestern Abend die Minister Alexander Dobrindt (CSU), Wolfgang Schäuble (CDU), Peter Altmaier (CDU) und Sigmar Gabriel (SPD). Eine Benennung der neuen Vorstandsposten soll erst nach der Aufsichtsratssitzung am 23. März erfolgen. Im Gespräch sind nach Informationen der WirtschaftsWoche der bisherige Technikvorstand bei Siemens, Siegfried Russwurm. Er könnte den Bereich Digitalisierung übernehmen. Für die Gütersparte ist Sigrid Nikutta im Gespräch, die derzeit die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) leitet. Die Personalien sind vor allen eine Niederlage für Bahnvorstand Ronald Pofalla. Der frühere Kanzleramtsminister wurde als neuer Bahnchef gehandelt. Allerdings hat sich die SPD gegen eine Benennung des CDU-Politiker gestellt. Pofalla sei im Wahljahr nicht zu vermitteln. Außerdem fehle ihm auch operative Erfahrung. Anders als Lutz ist Pofalla erst seit knapp zwei Jahren im Amt.

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