Ausgerechnet Julia Reuter. Die einzige Frau in der Führung von RTL Deutschland verlässt bald die Sendergruppe. Reuter, zuständig für Strategie, Personal und Kultur, gehe zum 30. April „auf eigenen Wunsch“, heißt es bei dem Unternehmen. Bei RTL sorgt das für Unruhe.
Denn Reuter war nicht nur die einzige Frau in der fünfköpfigen Geschäftsführung von RTL Deutschland. Sie war auch eine der wenigen Frauen überhaupt im erweiterten Management-Board, das das Führungsduo um Stephan Schäfer und Matthias Dang Anfang Januar präsentierte. Bei der Belegschaft des gerade fusionierten Unternehmens RTL Deutschland und Gruner + Jahr hat der Quotenflopp in der Führungsetage eine veritable Debatte ausgelöst. Das Führungs-Duo gelobt Besserung – und bittet die überraschten Mitarbeiter nun selbst um Lösungsvorschläge.
Im Herbst 2020 haben Schäfer und Dang die Geschäftsführung von RTL Deutschland übernommen. Schäfer war bislang Chef des Hamburger Print- und Onlinehauses Gruner + Jahr, sein Co-Chef Dang verantwortete den Werbevermarkter Ad Alliance, eine RTL-Tochter. Vor wenigen Tagen haben sie die Führungskräfte der zweiten Ebene vorgestellt. Neben vier Frauen übertragen Schäfer und Dang 18 Männern Führungsverantwortung – Mitarbeiter quittierten dies mit bissigen und hämischen Kommentaren im Intranet.
Die Entrüstung der eigenen Leute nötigte die neue Spitze nun zu Selbstkritik. Mitte Januar schrieben sie in einer E-Mail an die Belegschaft: „Ihr habt (..) gleich zu Beginn nicht mit Kritik gespart, auch das schätzen wir sehr“, heißt es in dem Schreiben, das der WirtschaftsWoche in Teilen vorliegt. „Ja, wir sind nicht divers genug.“ Man wolle sich in den kommenden Wochen „ernsthaft“ mit dem Thema befassen. Eine Lösung, die zum „Medienhaus der Zukunft“ passe, entstehe nicht über Nacht. „Klar ist: Wir brauchen eine Lösung.“ Und dann appelliert das Duo an die Belegschaft: „Zusätzlich freuen wir uns auch über Ideen und Vorschläge von Euch.“
Auf Anfrage der WirtschaftsWoche bestätigt RTL die E-Mail. Die Besetzung des neuen Führungsteams habe zwar „sehr große Zustimmung erfahren“, aber „mit Blick auf Diversität eine lebendige Diskussion im Unternehmen ausgelöst“. RTL Deutschland sei ein vielfältiges Unternehmen. „Das drücke sich etwa bei 40 Prozent (Köln) beziehungsweise 49 Prozent (Hamburg) Frauenanteil bei allen Führungspositionen schon recht gut aus, ebenso in der Arbeit von Gremien wie dem Diversity Circle“, sagt eine Sprecherin. „Die Geschäftsführung wird an dem Thema intensiv weiter arbeiten.“
Dabei ist das Diversitätsthema nicht der einzige Ärger, den das gerade fusionierte Haus aushalten muss. Für Unmut sorgte kürzlich auch ein Stern-Artikel „in eigener Sache“. In dem Artikel äußerte ein anonymer Autor die These, dass die bisherigen Redaktionen im Medienhaus Gruner + Jahr sich gegenseitig beäugten, belauerten und bekämpften. Der Artikel stoß intern auf Kritik, Inhalte seien überzogen, teils gelogen, schrieben Redakteure. Gegenüber dem Medienmagazin „Kress“ antwortete der „Stern“, dass der Artikel „mit der Absicht veröffentlicht“ wurde, um den Leserinnen und Lesern gegenüber transparent darzustellen, dass der „Stern“ jetzt zu RTL Deutschland gehöre und damit eine neue Zeit anbreche.
Der Fernsehsender RTL Deutschland und der Verlag Gruner+Jahr wollten gemeinsam ein „Medienhaus der Zukunft“ schmieden, heißt es in dem neuen Unternehmen. Bertelsmann-Boss Thomas Rabe und RTL-Co-Anführer Schäfer wollten Sender, Magazine und allerlei weitere Medien in einer gemeinsamen App namens RTL plus bündeln. Für die trommelt der Konzern gerade auf allen Kanälen, lässt Plakate kleben, und legt sich mächtig ins Zeug.
In der E-Mail von Schäfer und Dang von Mitte Januar kündigten die Beiden bereits ein neues „Sendungskonzept“ für Gala TV an. Das Unternehmen sucht nun aktiv nach Leuten. Aktiv ausgeschrieben sind etwa Funktionen im Ressort „VIP“ zum „schnellstmöglichen Zeitpunkt“ für die Planung. Gesucht werde etwa ein Redakteur „männlich/weiblich/divers“ - auf der unteren Ebene ist das Thema Diversität also gesetzt.
Mehr zum Thema: Mit viel Druck fusioniert Bertelsmann die ungleichen Töchter RTL und Gruner + Jahr. Gemeinsam sollen sie Netflix und Co. Paroli bieten. Doch intern knirscht es. Und ein Riese bereitet einen Angriff vor.