Neues Sparprogramm Die Zukunft von Air France-KLM ist in Gefahr

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Die Last der Aktionärsziele

Mit dem Mix aus Trägheit und hohen Kosten verlor Air France zuerst den größten Teil des Inlandsverkehrs an die Bahn. Die wachsende Zahl von TGV-Schnellzügen punktete mit besseren Preisen, kürzeren Reisezeiten und mehr Pünktlichkeit bei ähnlich kargem Service. Das kostete Air France selbst auf längeren Inlandsrouten und bei eiligen Geschäftsreisenden bis zu 90 Prozent ihrer Kunden. Im Europaverkehr verlor Air France aus den gleichen Gründen Kunden an die Billigflieger, die wie Easyjet sogar am Hauptflughafen Charles-de-Gaulle mit ihren günstigen Tarifen sogar ehemalige Premiumkunden überzeugten. Zuletzt geriet dann auch noch die Langstrecke unter Druck. Dafür sorgten vor allem die Linien vom Persischen Golf. Sie überzeugten mit mehr Zuverlässigkeit und einem deutlich besseren Service vor allem preisbewusste Touristen und reisende Manager.

Am Ende stand dann ein schwächelndes Geschäftsmodell mit einer gefährlichen Mischung. Da ist zum einen die geringe wirtschaftliche Substanz: Air France verlor kräftig Marktanteile. Damit sanken die Gewinne und heute kann sich die Linie streng genommen nicht mal den wage angekündigten Kauf neuer Jets leisten. Dabei sind die Flieger mit der Trikolore am Leitwerk nicht nur überdurchschnittlich alt und teuer im Betrieb – weil der Konzern gut 20 Typen in der Flotte hat, sind die Planungs- und Wartungskosten deutlich höher als bei Wettbewerbern.

Zum anderen hat die Fluglinie gleich vier große Gruppen von Anteilseigern. Und nur eine Gruppe, die der freien Aktionäre, will ausschließlich eine langfristige profitable Air France-KLM.

Da ist zum einen der französische Staat mit gut 14 Prozent der Aktien. Weil die Flugverbindungen die Wirtschaft und den Tourismus stärken, möchte er möglichst viele davon in Paris halten, selbst wenn sie Verluste schreiben. Dazu nötigt er die Linie oft zu fragwürdigen Investitionen. Etwa zum Kauf von viel zu vielen Airbus-Superjumbos A380, die Verluste einfliegen, weil Air France sie zu selten füllen kann. Gleichzeitig beugt sich die Pariser Regierung trotz aller Reformankündigungen bis heute dem politischen Einfluss der Gewerkschaften. Selbst dann, wenn deren Forderungen unverhältnismäßig sind und die Wirtschaftlichkeit der Airline gefährden. Dafür ist der Staat sogar bereit, Arbeitsplätze und Machtpositionen aus der niederländischen Zentrale in Amsterdam zu holen, selbst wenn dort effizienter gearbeitet wurde. Als der in Branche hochgeachtete KLM-Chef Pieter Elbers sich gegen ein solches Vorgehen wehrte, betrieb die französische Seite im vorigen Jahr sogar seine Ablösung.

Nicht zuletzt um Elbers zu retten, entschloss sich die Regierung in Den Haag zu einem ungewöhnlichen Schritt: Obwohl sie sonst eher auf Privatisierung setzt, kaufte sie ebenfalls 14 Prozent der Aktien von Air France-KLM. Damit bildet der niederländische Staat die zweite Investorengruppe. Seine Investition in die Airline soll nicht nur unerbetene und nicht von Unternehmenserfolg getriebene Einmischungen aus Paris abwehren. Sie ist auch ein Schutz des eigenen Standorts und des Drehkreuzes Amsterdam mit seinen guten Verbindungen für die vielen internationalen Konzernzentralen.

Die letzte Investorengruppe sind zwei ausländische Fluglinien: Delta Airlines aus den USA und China Eastern halten jeweils knapp neun Prozent der Aktien. Ihnen geht es vor allem darum ihre eigenen Maschinen in Europa oder an ihren Drehkreuzen Atlanta oder Shanghai zu füllen. Dabei legen sie bestenfalls Wert auf den Zugang zu den Kunden der alten Welt und ein zuverlässiges Netz an Zubringerflügen nach Paris und Amsterdam. „Doch alles andere, wie Jobs oder eine gute Anbindung innerhalb Europas, ist da zweitrangig, so lange da nicht das Überleben von uns dranhängt“, beschreibt es ein KLM-Manager.

So bleibt allen – von den Aktionären bis zu den Angestellten – nur die Hoffnung, dass Smith spätestens im Herbst seine Umbaupläne vorstellt. Ideen gibt es genug.

Erster Ansatz wäre eine größere Rolle des konzerneigenen Billigfliegers Transavia. Hier arbeitet Konzernstratege Oltion Carkaxhija, „Smiths Superverhandler“ („Le Point“), bereits an einer Einigung mit den Gewerkschaften. Ziel ist nicht nur, dass der Flugdiscounter mehr als die bislang vereinbarten 40 Maschinen einsetzen kann. Sie soll dank niedrigerer Einstiegsgehältern sowie flexibleren Einsatzplänen endlich – wie die Lufthansa-Tochter Eurowings – die in Frankreich fast übermächtigen Billiglinien bremsen. „Aber wird das auch wirklich eine unabhängige Einheit, wie Eurowings bei Lufthansa“, fragt Andrew Lobbenberg, Analyst der Investmentbank HSBC.

„Da gibt es noch deutlich mehr zu tun“, bleibt auch Analyst Roeska vorsichtig. Der ehemalige Lufthanseat wünscht sich, dass Air France-KLM die bislang starre Konzernstruktur durch eine Holding mit mehr Freiheit und finanzieller Verantwortung für die einzelnen Einheiten ersetzt. Hierzu zählt Roeska besonders das Wartungsgeschäft und die Billigtochter Transavia, die bislang aus mehreren Stellen der Konzernführung quasi ferngesteuert wurden – mit oft widersprüchlichen Vorgaben.

Doch selbst wenn Smith auch diese Pläne angeht, „es bleibt ein steiler Weg“, fürchtet Roeska. Weil Air France-KLM die nötigen Reformen deutlich später angeht als Lufthansa und IAG, können diese und Billigflieger wie Ryanair und Easyjet die Lücken füllen. „Am Ende könnte die Air-France-Gruppe als eine Art Nischen-Spieler enden, selbst in ihren Heimatmärkten Frankreich und Niederlande“, so Roeska.

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