Norwegen Der nördlichste Golfplatz Europas

In Finnmark, Norwegens Provinz in der Arktis, betreiben Ballsport-Fans den nördlichsten Golfplatz Europas. Im Polarsommer wird rund um die Uhr geputtet – wenn nicht gerade ein Rentier auf dem Platz steht. Gäste sind immer willkommen.

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Ein Golfspieler beim Abschlag Quelle: dpa

Spät abends, wenn fast ganz Europa schlafen geht, fährt Geir Sneve manchmal noch rüber zum Golfplatz. Er parkt den Wagen, holt seine Schläger aus dem Kofferraum und marschiert zum ersten Abschlag. Kein Nachtsichtgerät weist ihm den Weg, keine Flutscheinwerfer und keine Leuchtbälle. Wo Sneve golfen geht, ist es auch nach Mitternacht noch taghell. Zumindest im Sommer.

Sneve, 51, ist ehrenamtlicher Leiter des nördlichsten Golfplatzes Europas. Das Grün des "Hammerfest und Kvalsund Golfclub" liegt an der Mündung des Flusses Repparfjorddelva  in den Repparfjord, einen Meeresarm in Finnmark, Norwegens nördlichstem Bezirk. Hier leben, auf einer Fläche größer als die Niederlande, nur 72.000 Menschen.

Außergewöhnlicher Golfplatz

Und weil der Fjord am 70. Breitengrad liegt, 430 Kilometer nördlich des Polarkreises, geht über ihm die Sonne von Mitte Mai bis Ende Juli nicht mehr unter. Weiter nördlich wohnen rund um den Globus meist nur noch indigene Völker, Ölarbeiter oder Polarforscher. Wäre die Erde eine Steilwand, dann könnten die Menschen von hier aus fast auf die ganze Welt hinunterschauen.

Es ist wohl einer der außergewöhnlichsten Orte, an dem Sportler dem mondänen Rasenspiel frönen – und einer der unwirtlichsten dazu: Selbst im Juli ist es selten wärmer als zehn Grad, Anfang Oktober fällt der erste Schnee, und um die Jahreswende ist es acht Wochen lang stockduster. Wer hier Sport treibt, geht normalerweise Fliegenfischen. Im Winter Eisfischen.

Sneve geht lieber golfen. Vom Fjord her weht ein scharfer Wind, aber der Clubchef spaziert an diesem Augustnachmittag nur im blauen Pulli über den Platz und beäugt selbstkritisch den Rasen. "Im Frühjahr fällt hier weniger Schnee als anderswo in der Gegend", sagt er. "Trotzdem hat der Greenkeeper keinen leichten Job." Denn die Schneedecke taut Anfang Mai, erst dann können die Halme sprießen.

Im Mai taut die Anlage auf

Trotzdem entschloss sich Ender der 90er Jahre eine Gruppe von zehn Golfenthusiasten, am Repparfjord ein Stück Land zu mieten und den Golfplatz anzulegen, mitten in der wilden norwegischen Natur. Drei Sommer dauerte es, bis die Sechs-Loch-Anlage im Jahr 2001 stand.

Golf in einmaliger Landschaft

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Eine Angestellte spricht mit ihrer Vorgesetzten Quelle: Fotolia.com
Die Leuchtreklame eines Hotels Quelle: Fotolia.com
Ein Haus mit Blick aufs Meer Quelle: Fotolia.com
Ein Mann sitzt mit seinem Laptop am Strand Quelle: Fotolia.com
Ein Kalender liegt auf einem Schreibtisch Quelle: Fotolia.com
Ein Frau sitz am Strand und entspannt Quelle: Fotolia.com
Ein Koffer ist auf das Dach eines Autos geschnallt Quelle: Fotolia.com

Der nördlichste Golfplatz Europas hat kein Wasserhindernis, keine Dünen, keine eigene Driving Range, wo Golfsportler üblicherweise weite Abschläge üben. Seine Bahnen sind schmal und lang, weshalb öfter mal ein Ball im Rough, dem flachen Kraut daneben, verloren geht. Aber er liegt in einer einmaligen Landschaft.

Wer sich dem Platz von der 1000-Einwohner-Gemeinde Kvalsund aus nähert, per Auto auf der Fernstraße 94, wird schon auf der Fahrt mit spektakulären Blicken über den mehr als vier Kilometer breiten Meeresarm belohnt. Rentiere äsen am Straßenrand, manche liegen mitten auf dem Asphalt und zwingen selbst LKW, um sie herumzufahren. Aus der anderen Richtung, von Alta aus, geht die Reise durch eine karge Hochebene aus kargen Gräsern und verkrüppelten Birken, die an Tolkiens Mordor erinnert.

Fliegenfischen und Ferienhütten

Der Golfplatz selbst liegt im Flussdelta zwischen zwei birkenbewaldeten Hügeln. In den Stromschnellen nebenan versuchen sich Angler im Fliegenfischen, holen bis zu 20 Kilo schwere Lachse aus der Strömung. Und 15 Fahrminuten den Fluss hinauf liegt Skaidi, eine lose Siedlung aus Ferienhütten. Hier gönnen sich viele Norweger ein entspanntes Wochenende, einen ruhigen Kurzurlaub.

Auf manchen Luxus müssen Golfer am Repparfjord verzichten. Kein Elektrowagen, keine Bar, kein Swimmingpool wartet am Eingang des Clubs. Der einzige Komfort, den sich die Mitglieder hier leisten, ist eine kleine Holzhütte mit einem Kaffeeautomaten. Aber auf der Veranda kann der Sportler sich auf einer Bank zurücklehnen und zum Fjord hinüberschauen.

Mitternachtsgolfen ist Familiensport

Jens Gunnar liebt diesen Blick. Der 63-Jährige Norweger leitet eine Auditfirma, reist viel und hat auch ein Haus im warmen Spanien. Trotzdem zieht es ihn immer wieder zum Golfplatz am Fjord. "Nachts ist es hier vollkommen ruhig", sagt er, "kein Auto fährt mehr durchs Delta." Um Mitternacht senkt sich die Sonne über dem Wasser, nur um am frühen Morgen entlang der sanften Hügelkette wieder aufzusteigen.

Gunnar ist eines von 170 Mitgliedern, die der Club inzwischen hat. 2000 norwegische Kronen kostet die Mitgliedschaft pro Jahr, umgerechnet 275 Euro. "Wir sind kein teurer Club", sagt Platzchef Sneve. "Golfen ist hier Familiensport." Und so sind unter den Golfern inzwischen auch viele Rentner und auch Kinder.

Die Wirtschaft blüht

Auch Urlaubsgäste kommen vorbei, die ein paar Kilometer weiter den Fluss hinauf in der Feriensiedlung Skaidi eine Hütte besitzen oder mieten. Immer öfter spielen Zugezogene mit, die etwa 50 Kilometer entfernt in Hammerfest arbeiten, wo die Gasindustrie einen neuen Boom entfacht hat. Nicht nur der Golfsport blüht auf in Finnmark, sondern auch Wirtschaft und Tourismus.

Platzchef Sneve selbst ist einer der Profiteure des arktischen Aufschwungs. In Hammerfest leitet er ein Immobilienprojekt – Wohnungen und Büros sind dort enorm gefragt und teuer. Vivi, seine Frau, ist seit vier Jahren Chefin des Skaidi Hotels, einer nahegelegenen Unterkunft mit 41 Zimmern. Bei ihr übernachten Feriengäste, die tagsüber fischen gehen, und tagen Mitarbeiter von Rohstoffkonzernen, die manchmal gar per Helikopter zum Meeting anreisen.

Golf mit dem Rentier

Wer die weite Anreise zum Golfplatz nicht scheut, den belohnen die entspannte Stimmung auf dem Grün und die Natur ringsherum. Die Luft ist klar und rein wie an wenigen Orten in Europa. Überall auf dem Platz wachsen Beeren – zwischen zwei Schlägen verputzt Sneve gerne eine Handvoll. Und öfter verirrt sich ein Rentier auf das Grün, dann vereinen sich die Spieler zur Treibjagd.

Jeden Mittwoch treffen sich die Mitglieder zum Match, bisweilen unter der Mitternachtssonne. "Im Sommer golfen wir rund um die Uhr", sagt Sneve. "Im Winter bleiben wir zuhause." Denn dann zeigt das Thermometer im Schnitt fünf Grad minus, und die Finnmarker sind allenfalls per Schneemobil unterwegs. Wer dann noch Golfen will, muss in den Süden reisen, weit hinab in den Süden.

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