Nürburgring-Desaster Eine Blamage für alle Beteiligten

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Geldgeber verzweifelt gesucht

Heinemann sagte am Samstag bei einer Veranstaltung am Nürburgring, dass er nun an einem alternativen Finanzierungskonzept ohne Capricorn arbeite. Das nötige Geld scheint Heinemann aber trotz größter Bemühungen bisher nicht beisammen zu haben. Nach Informationen der WirtschaftsWoche gab es am Freitag – wiederum mit Unterstützung von KPMG – Verhandlungen mit potenziellen Investoren, die Gespräche sollen über das ganze Wochenende fortgesetzt worden sein und weiter andauern.

Unter den verbliebenen Kandidaten soll sich nach Informationen der WirtschaftsWoche eine Investorengruppe aus drei vermögenden Geschäftsleuten befinden, die auch an der Test- und Präsentationsstrecke „Bilster Berg“ beteiligt sind. Eine Einigung mit einem der Interessenten habe es allerdings bislang nicht gegeben.

Deutschlands sündhaft teure Prestigebauten
Die Elbphilharmonie ist das teuerste Kulturprojekt in Deutschland. Die Kostenexplosion und Bauverzögerung wird ein Fall für die Justiz. Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt, ob Straftaten vorliegen. Laut Abschlussbericht sind eine unfertige Planung, mangelnde Kontrolle vonseiten der Politik und ein Chaos auf der Baustelle schuld am Desaster beim Bau. Die Kosten für den Steuerzahler bei dem Projekt sind von ursprünglich 77 Millionen auf 789 Millionen Euro gestiegen, die Eröffnung wurde von 2010 auf 2017 verschoben. Erstmals nennt der Abschlussbericht, der die Ereignisse bis Ende 2008 untersucht, auch die Namen der Verantwortlichen. Demnach ist die städtische Realisierungsgesellschaft (Rege) mit ihrem Chef Hartmut Wegener für wichtige Fehlentscheidungen verantwortlich. Die politisch Verantwortlichen, allen voran Hamburgs damaliger Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und sein Chef der Senatskanzlei Volkmar Schön (CDU), seien dagegen ihrer Aufsichtspflicht nicht gerecht geworden. Aber auch die Architekten Herzog & de Meuron und der Baukonzern Hochtief kommen in dem Bericht nicht gut weg. „Wenn wir konkrete Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat finden würden, würden wir entweder einen Ermittlungsvorgang gegen einen bestimmten namentlich bekannten Beschuldigten oder mehrere einleiten oder wir würden ein Unbekannt-Verfahren einleiten, wenn wir noch nicht wüssten, wer der Beschuldigte ist“, erklärt die Sprecherin Nana Frombach. Quelle: dpa
Deutschlands teuerstes Kulturprojekt, die Hamburger Elbphilharmonie, wird die Steuerzahler laut Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) stolze 789 Millionen Euro kosten - und soll 2017 eröffnet werden. Das Prestigeprojekt würde damit gut zehnmal teurer als 2005 vom damaligen Bürgermeister Ole von Beust (CDU) veranschlagt. Damals war von rund 77 Millionen Euro die Rede. Auf der Baustelle im Hafen herrscht mittlerweile seit rund anderthalb Jahren Stillstand, weil sich die Vertragspartner lange nicht einigen konnten. Erst im März hatte Scholz mit Hochtief einen Vertrag geschlossen, wonach der Essener Baukonzern künftig sämtliche Risiken übernimmt und das Konzerthaus bis Ende Oktober 2016 zum „Globalpauschalfestpreis“ von 575 Millionen Euro zu Ende baut. Nicht berücksichtigt waren dabei jedoch unter anderem die Finanzierungs- und Baukosten für den kommerziellen Teil und die Vorplanungskosten. Nun geht aus dem vertraulichen zweiten Entwurfs des Abschlussberichts des Untersuchungsausschusses hervor, der Spiegel Online vorliegt. Die Schuldigen sollen die Projektkoordination, Bauunternehmer und Architekt, sowie auch der damalige Erster Oberbürgermeister, Ole von Beust, sein. Quelle: REUTERS
Die sogenannte 'Kanzlerbahn', die derzeit zwischen dem Hauptbahnhof, Kanzleramt und dem Brandenburger Tor verkehrt, soll um 92 Millionen Euro teurer werden. Laut Berliner Morgenpost beläuft sich das Gesamtvolumen künftig auf 525 Euro, die das Land und der Bund zahlen müssen. Quelle: dpa
In Schlangen winden sich Hunderte Besucher durch den Saal, bestaunen historische Exponate, erhaschen per Kurzfilm einen Einblick in die Arbeit der Bundestagsabgeordneten. In einem Miniplenarsaal mit originalgetreuen blauen Sesseln lauschen sie einer gespielten Debatte und ergreifen selbst das Wort. Dann geht es durch den unterirdischen Gang ins Reichstagsgebäude, hinauf in die gläserne Kuppel. Zum Abschluss noch ein Imbiss an einem der 16 Bistro-Tische, die die 16 Bundesländer repräsentieren. So soll es aussehen, das Besucher- und Informationszentrum des Bundestages (BIZ). Ursprünglich sollte es 200 Millionen Euro kosten. Im Januar dann lag der anvisierte Preis schon bei 330 Millionen Euro. "Ein Bau für 330 Millionen Euro, das wird nicht kommen", sagte damals Eduard Oswald, CSU-Bundestagsvizepräsident und Vorsitzender der inneren Kommission, gegenüber WirtschaftsWoche. Nun heißt es in einem Bericht der Welt, dass der Bau mit bis zu 500 Millionen Euro zu Buche schlagen werde. das gehe aus einem Bericht der 36-köpfigen "Reformkommission Bau von Großprojekten" der Bundesregierung hervor. Quelle: dpa
Die Stuttgarter waren nicht ohnmächtig: Stuttgart 21 steht für einen politischen Umbruch in Baden-Württemberg und den Einzug neuer Formulierungen in die deutsche Sprache, wie zum Beispiel das Wort „Wutbürger”. Der alte Kopfbahnhof soll zu einem Tunnelbahnhof umgebaut werden. Eine riesige Protestwelle überrollte die baden-württembergische Landeshauptstadt, seit der Abriss des alten Bahnhofs startete. In einer Abstimmung Ende 2011 sprach sich eine Mehrheit der Bevölkerung jedoch für das Projekt aus. Gestritten wird vor allem über die Kosten des Umbaus... Quelle: dpa
Immer wieder wurden die prognostizierten Baukosten nach oben korrigiert. Zwischenzeitlich sprach die Deutsche Bahn von 4,5 Milliarden Euro, mittlerweile hat sie die Zahlen um ganze zwei Milliarden erhöht.. Andere Experten veranschlagen Kosten von bis zu elf Milliarden Euro. Auch der Bundesrechnungshof hat diese Summe bereits vor drei Jahren als viel zu gering bezeichnet. Die DB hatte damals die Einschätzung zurückgewiesen. Inzwischen sind viele Dokumente ans Tageslicht gekommen, die beweisen, dass die Bahn hohe Mehrkosten vorsätzlich verschwiegen hat. Nicht zuletzt die mangelnde Transparenz bezüglich der Gesamtkosten des Projekts hat viele Bürger auf die Straße getrieben. Die ersten Züge werden wohl nicht vor 2022 im unterirdischen Bahnhof einfahren. Quelle: dpa
Eigentlich sollte die Erweiterung des Saarland-Museums und der Modernen Galerie in Saarbrücken ein Prestigeprojekt werden. Allerdings haben sich die veranschlagten Kosten mehr als verdreifacht. Ursprünglich sollte der Bau neun Millionen Euro kosten. Wie tief der Steuerzahler dafür in die Tasche greifen muss, ist noch offen. Bisher steht in bester Lage in Saarbrücken unweit des Staatstheaters ein hässlicher Betonklotz im Rohbau, dem ein Gutachten jetzt zahlreiche Mängel bescheinigt hat. Die Landesregierung will aber auf jeden Fall an dem schon weit vorangeschrittenen Projekt festhalten, obwohl viele vor einer „zweiten Elbphilharmonie“, wenn auch in sehr viel kleinerer Größenordnung, warnen. Quelle: dpa

Noch am Montag bat Heinemann zudem offenbar dringend um ein Treffen mit Vertretern aus dem Umfeld des ADAC Nordrhein, um weitere Finanzierungsmöglichkeiten zu besprechen. Auch hier gibt es keine Einigung. Heinemann teilte auf Anfrage mit, es gebe ein „reges Investoreninteresse“. In Unternehmenskreisen heißt es, man sei zuversichtlich, eine zum Nürburgring passende neue Gesellschafterstruktur auf die Beine stellen zu können. Lieser und Schmidt erklärten derweil in Interviews mit Blick auf die laufenden Gespräche, sie seien „vorsichtig optimistisch“.

Immer bessere Klagechancen

Doch die Situation für den Nürburgring wird derweil immer schlimmer. Mit jedem zusätzlichen Detail, das über die zahlreichen finanziellen Ungereimtheiten ans Tageslicht kommt, verbessern sich die Chancen der unterlegenen Nürburgring-Interessenten, die gegen den Zuschlag für Capricorn rechtlich vorgehen wollen. Ein Konsortium um den US-Finanzinvestor HIG Capital zählt dazu, ebenso das US-Technologieunternehmen Nexovation, aber auch der gemeinnützige Verein „Ja zum Nürburgring“ um ADAC-Ehrenpräsident Otto Flimm.

Sollten sie – wie bereits von mehreren angekündigt – vor den Europäischen Gerichten gegen den Zuschlag klagen, schwebt über dem Nürburgring jahrelang das Damoklesschwert eines jahrelangen Rechtsstreits. Etwas Erleichterung sollte Capricorn immerhin ein Pachtvertrag verschaffen. Lauf Kaufvertrag gibt es ein entsprechendes Übergangsmodell, mit dem das Bietergespann Capricorn-Getspeed den Ring zunächst pachten kann, wenn bis Ende des Jahres noch gar keine Entscheidung der EU-Kommission vorliegt oder eine positive Entscheidung, die aber noch nicht bestandskräftig ist. Doch auch gegen den Pachtvertrag rüsten sich unterlegene Bieter offenbar: Nach Informationen der WirtschaftsWoche gibt es Überlegungen, nicht nur den Zuschlag für Capricorn anzugreifen, sondern auch den Pachtvertrag als Übergangslösung.

Wichtige Verträge fehlen noch

Die Nürburgring Betriebsgesellschaft mbH, die derzeit das operative Geschäft führt, bemüht sich derweil nach den dramatischen Entwicklungen um Capricorn, die Wogen zu glätten. Das operative Geschäft des Nürburgrings gehe uneingeschränkt weiter und sei von dem Gesellschafterwechsel in keiner Weise betroffen. „Wir halten ausdrücklich fest, dass die bereits geschlossenen Verträge der capricorn NÜRBURGRING GmbH (CNG) mit Veranstaltern, Kunden und Lieferanten selbstverständlich eingehalten und umgesetzt werden. Alle Veranstaltungen sind gesichert“, sagte Geschäftsführer Carsten Schumacher.

Wichtige Verträge allerdings hängen in der Schwebe. Die Langstreckenserie VLN etwa, die pro Jahr zehn Rennen am Nürburgring ausrichtet, will einen neuen Vertrag bisher nicht unterschreiben, sie verlangt wegen der unklaren Situation entsprechende Garantien und aufschiebende Bedingungen.

Das bestätigte ihr Geschäftsführer Karl Mauer. Auch für eine der wichtigsten Veranstaltungen des Jahres, das 24-Stunden-Rennen, soll es nach Informationen der WirtschaftsWoche noch keinen unterschriebenen Vertrag für 2014 mit dem ADAC Nordrhein geben.

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