Nürburgring-Desaster Eine Blamage für alle Beteiligten

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„Sanierer“ zogen die Reißleine nicht

Laut Grundbuchunterlagen, die der WirtschaftsWoche vorliegen, ist die Villa in Oberkassel mit insgesamt zwölf Millionen Euro belastet, sieben Millionen waren zuvor eingetragen, fünf Millionen entfallen auf die Briefgrundschuld der Insolvenzverwalter. Ihre Chancen, das Geld im Vollstreckungsfall zu bekommen, sind damit eher gering. Laut Protokoll der Sitzung des Gläubigerausschusses ergab eine Plausibilitätsprüfung, dass die Villa für fünf Millionen Euro gut ist.

Dass die „Ring-Sanierer“ – so ließen sich Lieser und Schmidt in Pressemitteilungen nennen – nicht früher die Reißleine zogen, sorgt nun für Unmut im Gläubigerausschuss, dessen Mitglieder bisher über die Mehrfach-Belastungen nicht informiert waren. Auch von der Tatsache, dass die Finanzierung der Fremdkapitalrate über die Deutsche Bank nicht mehr besteht, erfuhren Gläubigerausschussmitglieder erst durch Recherchen der WirtschaftsWoche.

KPMG unterschätzte die Risiken

Dem Gläubigerausschuss dagegen war in der entscheidenden Sitzung noch mitgeteilt worden, die Finanzierung über die Deutsche Bank sei „banküblich und valide“ und auf ein Jahr befristet. KPMG-Berater Alexander Bischoff teilte den Mitgliedern des Gremiums laut Protokoll der Sitzung sogar mit, dass es sich bei dem Angebot von Capricorn um das „wirtschaftlich beste Angebot“ handele: „Das einzige Risiko bei Capricorn ist das Risiko der Beihilferückforderung und dass bis 15. Dezember 2014 keine Beihilfeentscheidung vorliegt.“

Doch inzwischen sind noch ganz andere Risiken offenkundig geworden, obwohl die Beihilfeentscheidung am 1. Oktober ergangen ist. Die Kommission hat der Landesregierung darin Beihilfen in dreistelliger Millionenhöhe um die Ohren gehauen, den Verkauf an Capricorn aber abgesegnet.

Im März 2012, noch vor der Insolvenz der Nürburgring GmbH, hatte die Kommission ein Verfahren wegen des Verdachts auf illegale Beihilfen der SPD-Landesregierung unter Kurt Beck eingeleitet. Aus diesem Grund muss ein Verkaufsverfahren europarechtskonform ablaufen, was unter anderem erfordert, dass den Bietern die Auswahlkriterien vorab bekannt gegeben werden.

Dilettantischer Verkaufsprozess

Nur wenn die europarechtlichen Anforderungen eingehalten werden, gehen die Beihilfen nicht auf den Erwerber über. Ein entscheidendes Kriterium, das die Verkäufer den Bietern mitgeteilt hatten, ist die Finanzierungssicherheit – die nun durch die tatsächlichen Entwicklungen immer mehr in Zweifel gezogen wird.

Noch am 1. Oktober hatte die EU-Kommission den Verkauf auf Vorschlag des zuständigen Wettbewerbskommissars Joaquin Almunia abgesegnet. Eigene Prüfungen zur Finanzierung hatte die Kommission laut ihrer Beschlussvorlage nicht vorgenommen, sondern sich nahezu ausschließlich auf die Angaben der Insolvenzverwalter gestützt. Der CDU-Europaabgeordnete Werner Langen hatte direkt nach dem Beschluss die „Blauäugigkeit der Kommission“ gerügt. Keine zwei Wochen später fällt der EU-Kommission das Thema nun wieder vor die Füße.

„Die Kommission hat sich auf das Lügengebäude der Konkursverwalter verlassen“, sagt Langen nun. Doch mit der Blamage steht die Kommission keineswegs alleine da. Auch Lieser und Schmidt sowie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, die sie mit dem Verkauf beauftragt haben, müssen unangenehme Fragen beantworten. Der Verkaufsprozess lief schon lange an dilettantisch ab.

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