Nürburgring-Desaster Der Charitonin-Deal und seine Risiken

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Wild hatte die Kontrolle über den Ring verloren


Dann jedoch drängt sich die Frage auf, warum die Insolvenzverwalter Wild in der Stundungsvereinbarung dazu verpflichteten, sich „ernsthaft darum zu bemühen“, dass die vorrangig noch eingetragene Grundschuld „so schnell wie möglich gelöscht wird.“ Wiederum wollten es die Insolvenzverwalter ganz genau wissen: Wild muss „die Verkäufer über sein Bemühen jeden Montag informieren.“ In der Beschlussvorlage der Kommission finden sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Kommission Bescheid wusste über die Probleme mit den später gestellten, aber auch schon mit den ursprünglich im Rahmen des Zuschlags gegebenen Sicherheiten.

Hier schmeißt der Staat das Geld zum Fenster raus
Das Schwarzbuch 2017/18, herausgegeben vom Bund der Steuerzahler Deutschland. Quelle: dpa
Münchner Maximilianeum Quelle: dpa
Schutzwürdige Bäume in Hameln Quelle: dpa
Wohncontainer für Flüchtlinge Quelle: dpa
Bundestag Quelle: dpa
Frankfurt am Main Quelle: dpa
Ehrenbürg-Gymnasium in Forchheim Quelle: dpa

Auch bezüglich der über die Sicherheiten hinausgehenden Vereinbarungen – insbesondere, dass Wild die Ansprüche aus dem Kaufvertrag schon abtreten musste und diese nötigenfalls weiterveräußert werden sollten – schien die Kommission bei ihrem Beihilfebeschluss noch nicht informiert zu sein. Genauso wenig lassen sich in der Beschlussvorlage Anhaltspunkte dafür finden, nach denen die Kommission hätte ahnen können, dass die Stundungs- und Sicherungsvereinbarung in zentralen Teilen unwirksam waren. Zu den aufschiebenden Bedingungen der Stundungsvereinbarung, die Wild unterschrieben hatte, zählte der Abschluss eines weiteren Sicherungsvertrags, mit dem Mitgesellschafter Axel Heinemann seine Pensionsansprüche gegenüber der Boston Consulting Group abtritt. Das geht logischerweise nicht ohne Heinemanns Zustimmung.
Laut dem im Handelsregister hinterlegten Gesellschaftervertrag der CNBG konnte Wild als CNBG-Geschäftsführer aber auch die Ansprüche aus dem Kaufvertrag oder die Geschäftsanteile an der Tochtergesellschaft CNG nicht alleine abtreten – hierzu wäre ein Beschluss der Gesellschafterversammlung erforderlich gewesen, also wiederum die Zustimmung von Heinemann. All diese Merkwürdigkeiten bestätigen Kritiker wie den CDU-Europaabgeordneten Werner Langen, der schon länger überzeugt ist, die Kommission habe „blauäugig“ entschieden und sich „hinters Licht führen“ lassen.
Als wenige Tage nach dem Bericht der WirtschaftsWoche vom 30. September die Bombe mit der bereits verpfändeten Kunstsammlung platzte, müssen Lieser und Schmidt beschlossen haben, Wild endgültig kaltzustellen. Erneut wurde er nach Frankfurt zitiert, am 5. Oktober musste er auch noch seinen Zwei-Drittel-Anteil an der CNBG an den Treuhänder abtreten. Die Insolvenzverwalter rasierten Wild nach allen Regeln der Kunst und dachten diesmal auch daran, die Zustimmung von Heinemann beziehungsweise Getspeed einzuholen – mit Getspeed schloss der Treuhänder eine Investorensuchvereinbarung ab.
Nur zwei Tage nach Wilds Termin in Frankfurt griff der Treuhänder durch: Am 7. Oktober hielten Treuhänder und Getspeed eine Gesellschafterversammlung ab, in der sie Wild den Rest gaben: Die Versammlung berief Wild als Geschäftsführer von CNBG und CNG ab. Zugleich beschloss die Gesellschafterversammlung, dass einer künftigen Veräußerung der von Wild an den Treuhänder übertragenen Anteile „bereits jetzt zugestimmt“ wird. Die Beschlüsse kommen einer Totalentmachtung gleich. Wild hatte den letzten Rest an Kontrolle über den Ring verloren.

Die Beschlüsse bedeuten, dass Wild schlicht nichts mehr zu melden hatte. Da er als Geschäftsführer abberufen wurde, hatte er auf das operative Geschäft keinen Zugriff mehr; seine Geschäftsanteile musste er an einen Treuhänder abtreten, der sie ohne von Wilds Zustimmung abhängig zu sein weiterverkaufen konnte. Es mutet wie Hohn an, wenn der Sprecher der Insolvenzverwalter schreibt, Wild „hat freiwillig die Anteile an der CNBG auf einen Treuhänder übertragen“. Wild dürfte in dieser Konstellation näher an der Wahrheit gelegen haben, als er der WirtschaftsWoche erklärte, ihm sei bei den Treuhandabreden „die geladene Pistole an den Kopf“ gehalten worden.
Doch obwohl es ihm kaum einer zugetraut hatte, schaffte Wild ein Comeback. War er nach den Treuhandabreden schon erledigt, so darf er nun wenigstens als stellvertretender Aufsichtsratschef der NR Holding AG, die seine Anteile übernommen hat, weiter mitspielen. Über Vermittlung des Oligarchen und FC-Chelsea-Besitzers Roman Abramowitsch, den er – so heißt es in Wilds Umfeld – aus gemeinsamen Urlauben kennt, sei Wild an einen Kontakt zu Charitonin gekommen.

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