Nürburgring Ein Schritt nach vorn am Nürburgring

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Motorsport verliert Zuschauer

In der Vergangenheit hat Charitonin also schon gezeigt, dass er bereit ist, für den Nürburgring auch Geld in die Hand zu nehmen. Das nährt die Hoffnung, dass er weitere Investitionen tätigt, um die Rennstrecke zukunftsfähig zu machen. Denn das Interesse am Motorsport ist in Deutschland generell rückläufig, selbst dem großen Zugpferd, der Formel 1, laufen die Zuschauer davon.

Und das trotz der Erfolge von Sebastian Vettel, der mit Red Bull vier Weltmeistertitel holte und inzwischen für den Traditionsrennstall Ferrari fährt, oder des Mercedes-Teams, das zuletzt zweimal hintereinander Fahrer- und Konstrukteursweltmeisterschaft einfuhr. Der große Preis von Deutschland auf dem Nürburgring fand 2015 gar nicht statt, weil sich Nürburgring und Formel-1-Chefpromoter Bernie Ecclestone nicht auf einen Vertrag einigen konnten – den Verantwortlichen in der Eifel war das Gastspiel der Königsklasse zu teuer.

Motorsport-Interesse in Deutschland ist rückläufig

Nun wird sich zeigen, mit welchen Ideen Charitonin und seine Leute den Nürburgring voranbringen wollen und ob sie dies können. Gerade im Bereich Digitalisierung erschien zuletzt eher der kleinere Partner Getspeed als Triebfeder, brachte zum 24-Stunden-Rennen etwa einen Livestream in Zusammenarbeit mit dem Telekommunikationsriesen Vodafone ins Netz. Für viel Aufsehen sorgte auch ein neues Format, bei dem Zocker an Spielekonsolen gegen die echten Cracks auf der realen Rennstrecke fahren können, der Computer rechnet die Bilder zusammen – ein Rennen in der Virtualität gegen die Realität.

Problembauten am Nürburgring
Freizeit-, Gastronomie- und Hotelkomplex
Ring-Racer
Ring-Werk
Ring-Boulevard
Ring-Arena
Grüne Hölle
Hotels

Über Charitonin und seine Vorstellungen ist dagegen bislang nur wenig bekannt. Auch, weil er seit seinem Einstieg Ende 2014 noch kein Interview zum Nürburgring gegeben hat. Das mag ein Grund sein, warum er von vielen in der Region und Motorsportszene skeptisch gesehen wird: Er ist (noch) eine große Unbekannte.

Nicht zum Vorwurf sollte man ihm dagegen machen, dass der Nürburgring nun in russischer Hand ist. Hier tragen Landesregierung und Insolvenzverwalter die Verantwortung, weil sie die Erwartungshaltung geschürt haben, dass kein arabischer Scheich, chinesischer Neureicher oder russischer Oligarch die Traditionsrennstrecke kauft. Charitonin ist das nicht anzulasten, er wird nun aber klar machen müssen, was er an und mit der Rennstrecke vorhat, um die Vorbehalte ausräumen zu können.

Auf europäischer Ebene geht die Unsicherheit weiter

Ein Großrisiko freilich bleibt weiterhin: Der Kaufvertrag ist bislang noch nicht vollzogen, das so genannte „Closing“ steht noch aus. Der vorgesehene Käufer ist derzeit nur als Pächter für die Geschäfte an der Rennstrecke verantwortlich. Der Grund dafür ist die nach wie vor herrschende europarechtliche Unsicherheit.

Da das Land Rheinland-Pfalz rund eine halbe Milliarde Euro an der Rennstrecke verbraten hat, die die EU-Kommission als unzulässige Beihilfen einstuft, musste der Verkaufsprozess europarechtskonform ablaufen. Die Kommission hat den Verkaufsprozess in ihrem Beihilfebeschluss zwar abgesegnet, unterlegene Interessenten beurteilen den Prozess aber ganz anders als die Kommission. Der gemeinnützige Verein Ja zum Nürburgring e.V. um ADAC-Ehrenpräsident Otto Flimm sowie das US-Technologieunternehmen Nexovation haben daher Klagen gegen den Beschluss beim Europäischen Gericht eingereicht.

Das Luxemburger Gericht ist die Vorinstanz des Europäischen Gerichtshofs und muss nun beurteilen, ob der Verkaufsprozess tatsächlich aus europarechtlicher Sicht akzeptabel ablief. Sollte der Streit in die nächste Instanz bis zum Gerichtshof gehen, würde es bis zur Rechtssicherheit noch Jahre dauern. Mindestens genauso wichtig wie das, was nun in Moskau passiert, ist für die Zukunft der Rennstrecke daher auch, wie es in Luxemburg weitergeht. Erst, wenn der Verkauf auch dort bestätigt wird, hat Charitonin nach dem Ausstieg von Getspeed tatsächlich freie Bahn auf der Rennstrecke.

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